Referendariat

Die zivilrechtliche Urteilsklausur

Aufrechnung

Hilfsaufrechnung greift nicht, Hilfswiderklage greift nicht

Hilfsaufrechnung greift nicht, Hilfswiderklage greift nicht

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K verklagt B (€4.000). B bestreitet Ks Vortrag und rechnet hilfsweise mit einer Gegenforderung von €3.000 auf. Zudem erhebt er Hilfswiderklage in gleicher Höhe falls keine Aufrechnung stattfindet. Das Gericht kommt zum Ergebnis, dass weder die Klage- noch die Gegenforderung besteht.

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Einordnung des Falls

Hilfsaufrechnung greift nicht, Hilfswiderklage greift nicht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist die Bedingung der Hilfswiderklage eingetreten, unter der sie erhoben wurde?

Ja, in der Tat!

Eine Hilfswiderklage wird regelmäßig unter der Bedingung erhoben, dass über die dazugehörige Gegenforderung nicht bereits im Rahmen einer gleichzeitig erklärten Aufrechnung entschieden wurde. B hat die Hilfswiderklage unter der Bedingung erhoben, dass keine Aufrechnung stattfindet. Die Bedingung, unter der die Aufrechnung erklärt wurde (Bestehen der Klageforderung), ist nicht eingetreten, sodass keine Aufrechnung stattfindet.Sofern die Bedingung nicht eingetreten ist, gehst Du in den Entscheidungsgründen nicht mehr auf die Hilfswiderklage ein!
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2. Ist es zulässig, die Widerklage lediglich hilfsweise zu erheben?

Ja!

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss jede Klageschrift einen bestimmten Antrag enthalten. Dies gilt auch für eine Widerklage. Die Vorschrift schließt grundsätzlich die „bedingte“ Klageerhebung aus, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden. Bei einer Klage/Widerklage ist die Bestimmtheit allerdings ausreichend gewahrt, wenn deren Erhebung allein von einer Entscheidung des erkennenden Gerichts abhängig gemacht wird (=innerprozessuale Bedingung). Es entsteht dann gerade keine Rechtsunsicherheit. B hat die Hilfswiderklage für den Fall erhoben, dass keine Entscheidung über die Gegenforderung im Rahmen der Aufrechnung ergeht. Dies hängt allein von dem erkennenden Gericht ab.

3. Die gleichzeitig erklärte Hilfsaufrechnung steht der Zulässigkeit der Hilfswiderklage allerdings entgegen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Während der Dauer der Rechtshängigkeit kann die Streitsache von keiner Partei anderweitig rechtshängig gemacht werden (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Rechtshängigkeit einer Streitsache wird durch Klageerhebung begründet (§ 261 Abs. 1 ZPO). Die gleichzeitige Hilfsaufrechnung hat zwar dieselbe Gegenforderung zum Gegenstand, jedoch begründet eine Aufrechnung keine der Zulässigkeit der Hilfswiderklage entgegenstehende Rechtshängigkeit.

4. Die für die Hilfswiderklage erforderliche Konnexität besteht.

Ja, in der Tat!

Eine der besonderen Prozessvoraussetzungen von Widerklagen ist die von § 33 ZPO geforderte Konnexität. Diese besteht unter anderem dann, wenn die Gegenforderung mit den gegen die Klage vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht (§ 33 Abs. 1 Alt. 2 ZPO). B macht die Gegenforderung zugleich durch eine Hilfsaufrechnung, das heißt mit einem Verteidigungsmittel gegen die Klage geltend. Dadurch steht die Gegenforderung mit den gegen die Klage vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang. Unerheblich ist, ob die Bedingung der Hilfsaufrechnung eintritt.

5. Das Gericht wird sowohl die Klage, als auch die Hilfswiderklage abweisen.

Ja!

Wenn eine mit einer Klage/(Hilfs)Widerklage verfolgte Forderung nicht besteht, wird die Klage / (Hilfs-)Widerklage als unbegründet abgewiesen. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass weder die Klageforderung, noch die Widerklageforderung besteht. Hauptsachetenor: „Klage und Widerklage werden abgewiesen.“
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FI

Fischerino

27.11.2023, 18:29:04

Ein kleiner Kritikpunkt an der Stelle: bei einer anderen Frage (ich glaube im vorherigen Kapitel) wurde gefragt, ob die

Hilfswiderklage

konnex sein müsse. Die richtige Antwort sei nein gewesen, da durch § 33 Abs. 1 Alt. 2 ZPO gerade keine Konnexität gefordert werde. In der jetzigen Aufgabe wird wieder von Konnexität durch § 33 Abs. 1 Alt. 2 ZPO gesprochen. Soweit ich das sehe, ist das nur eine Frage der Begrifflichkeit (vgl. z.B. BeckOK § 33 Rn. 12 f. der auch von Konnexität spricht; MüKo § 33 Rn. 22, wonach "Bei dieser Alternative [...] deshalb keine Konnexität zu bestehen" braucht). Eine Vereinheitlichung wäre gut!

PAT

Patrick4219

21.2.2024, 18:35:14

In der vorherigen Frage wurde danach gefragt, ob für eine zulässige

Hilfswiderklage

Konnexität zwischen der KLAGEFORDERUNG und der Forderung der

Hilfswiderklage

bestehen MUSS. Hier hingegen geht es um die Konnexität zwischen VERTEIDIGUNGSMITTEL und Forderung der

Hilfswiderklage

. Auf die vorherige Frage musste die Antwort "Nein" lauten, da nach § 33 Abs. 1 ZPO auch die Konnexität zwischen Widerklage und VERTEIDIGUNGSMITTEL (Forderung der Aufrechnung) ausreicht und daher keine Konnexität zwischen Klage und

Hilfswiderklage

bestehen MUSS.

PEFU

pEtE fUnNy

4.12.2023, 13:29:52

wieso kommt das Gericht zu dem Ergebnis das die Gegenforderung nicht besteht? über die war doch gar nicht zu entscheiden Oder?

SE.

se.si.sc

4.12.2023, 16:32:07

Doch, über die Gegenforderung war zu entscheiden. Schau dir die prozessuale Bedingung der

Hilfswiderklage

genau an: "[...] falls keine Aufrechnung stattfindet." Diese Bedingung liegt hier vor, denn es fand keine Aufrechnung statt, weil man gegen eine nicht bestehende Forderung nicht aufrechnen kann. Folglich war hier über die Gegenforderung zu entscheiden, obwohl schon die Hauptforderung nicht besteht. Zweckmäßigkeitserwägungen: B bleibt dann zur Geltendmachung im selben Prozess nur die (Hilfs-)Widerklage, u.a. mit den eventuellen Kostenvorteilen des 45 I 1, 3 GKG und einer tendenziell schnelleren Klärung des Streits ggü einer getrennten Klage.


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