Kommerzielle Schockwerbung

20. April 2025

4 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Rechtsanwalt R wirbt mit Tassen, welche eine Frau zeigen, die sich eine Waffe an den Kopf hält. Darunter steht der Slogan "Nicht verzagen, R fragen!". Konkurrent K hält diese Schockwerbung für unzulässig und geht dagegen vor.

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Einordnung des Falls

Kommerzielle Schockwerbung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Anstößige oder geschmacklose Werbung fällt aus dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) heraus.

Nein, das trifft nicht zu!

Bereits in älterer Rechtsprechung machte das BVerfG deutlich, dass auch geschmacklose oder anstößige Werbung den Schutz der Meinungsfreiheit genießt. Andernfalls würde die Geltungskraft der Meinungsfreiheit ausgehöhlt. Gerade geschmacklose oder anstößige Werbung kann gesellschaftliche Aufmerksamkeit erregen, wodurch sie ihren meinungsbildender Inhalt entfalten kann. Auch hier zeigt sich der umfassende Schutzgehalt der Meinungsfreiheit. Würden anstößige oder geschmacklose Meinungsäußerungen - ob Werbung oder nicht - aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG herausfallen, wäre der Kampf um die Frage eröffnet, was anstößig oder geschmacklos ist. Es drohte eine erhebliche Einschränkung des Schutzbereichs.
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2. Für die Werbekampagne mit dem Slogan "Nicht verzagen, R fragen" ist der Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG eröffnet.

Ja!

Nach dem BVerfG und der hM ist der Schutzbereich der Meinungsfreiheit eröffnet, wenn die Wirtschaftswerbung "wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat oder Angaben enthält, die der Meinungsbildung dienen". Die Abbildung auf der Tasse verbunden mit dem Schriftzug verweist süffisant auf die bedrückende Situation, in der sich potenzielle Mandanten befinden können. Dadurch nimmt die Werbeaussage erkennbar eine Wertung vor. Wichtig: Du musst ebenfalls die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG. In diesem Fall kannst Du zudem die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ansprechen. Im Ausgangsfall ließ das BVerfG die Eröffnung des Schutzbereichs dahinstehen, weil der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 5 GG nicht hinreichend deutlich machte.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Sassun

Sassun

20.9.2024, 15:25:56

Könnte jemand bitte erklären inwiefern die Abbildung durch ein subjektives Element der Stellungnahme gekennzeichnet ist? Im Originalurteil wurde die Frage des Schutzbereichs auch offen gelassen.

LELEE

Leo Lee

28.9.2024, 10:15:20

Hallo Sassun, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat könnte man sich diese Frage stellen. Beachte allerdings, dass der Schutzbereich im Zweifel weit ausgelegt wird, weil eine Korrektur auf der Rechtfertigungsebene immer möglich ist (in dubio pro libertate). Abgesehen hiervon werden auch durch Bilder und Abbildungen Meinungen kundgetan, genauso wie durch etwa Tattoos die persönliche Einstellung nach außen hin präsentiert werden kann (Dies war auch der Fall mit einem Tattoo bei einem Polizisten, wo der Schutzbereich der

Meinungsfreiheit

ebenfalls bejaht wurde). Insofern lässt sich auch hier argumentieren, dass der Schutzbereich eröffnet ist. BEACHTE IMMER, dass du in einer Klausur - insb. bei einem wichtigen Grundrecht wie der

Meinungsfreiheit

- im Zweifel den Schutzbereich bejahst, da du immer weiter unten bei der Rechtfertigung einer Ausuferung Einhalt gebieten kannst. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Jarass/Pieroth GG, Jarass Art. 5 Rn. 5 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Lota Coffee

Lota Coffee

15.4.2025, 14:37:32

Ich würde den wertenden Gehalt in der Tasse erkennen, dass der Rechtsanwalt – zugespitzt durch die Darstellung der Frau mit Pistole/Suizidabsicht – vermittelt, Mandanten aus ausweglosen Situationen helfen zu können. Dies könnte als Tatsachenbehauptung nachweisbar sein (oder eben nicht). Durch die zugespitzte Darstellung findet sich in der Werbung aber auf jeden Fall ein wertendes, meinendes Element.

Andre Miegel

Andre Miegel

2.4.2025, 11:46:47

Wonach kann ich fest machen, welches Grundrecht spezieller ist und entsprechend Prüfungsvorrang genießt?


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