Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Gläubiger- / Schuldnerwechsel

Schutz des Schuldners – Rechtshandlungen des unwissenden Schuldners gegenüber dem Altgläubiger 2

Schutz des Schuldners – Rechtshandlungen des unwissenden Schuldners gegenüber dem Altgläubiger 2

1. Juli 2025

8 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Marathonläuferin M schuldet Verkäufer V noch €150 für ihr letztes Paar Laufschuhe. V tritt die Kaufpreisforderung wirksam an B ab. Dies teilt sie M mit. Dennoch überweist M versehentlich das Geld an V. B fordert von M Zahlung von €150.

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Einordnung des Falls

Schutz des Schuldners – Rechtshandlungen des unwissenden Schuldners gegenüber dem Altgläubiger 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch die Abtretung ist B neue Inhaberin der Kaufpreisforderung gegen M geworden.

Ja, in der Tat!

Durch die Abtretung der Forderung wird der Zessionar neuer Inhaber der Forderung (§ 398 S. 2 BGB). Eine wirksame Abtretung setzt voraus: (1)Einigung zwischen Zedent und Zessionar (Abtretungsvertrag), (2) Bestand der Forderung, (3) Forderungsinhaberschaft des Zedenten und (4) Abtretbarkeit der Forderung. V und B haben einen Abtretungsvertrag geschlossen. V war zudem Inhaber der bestehenden und abtretbaren Kaufpreisforderung.
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2. Kann M die Zahlung an B verweigern, weil sie das Geld bereits an V überwiesen hat?

Nein!

Nach § 407 Abs. 1 Alt. 1 BGB muss der Neugläubiger Leistungen des Schuldners an den bisherigen Gläubiger gegen sich gelten lassen. Dies gilt aber nur, wenn der Schuldner keine Kenntnis von der Abtretung hatte, also gutgläubig ist.Da V zum Zeitpunkt der Überweisung nicht mehr Inhaber der Forderung war, ist die Forderung durch Zahlung an ihn nicht nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen. V hatte M die Abtretung mitgeteilt. Damit kann M sich auch nicht auf § 407 Abs. 1 BGB berufen. Somit ist sie verpflichtet, an B €150 zu zahlen.Gegen V steht ihr ein Rückzahlungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

3mon

3mon

13.11.2024, 17:34:31

Ich stehe gerade total auf'm Schlauch also Frage ich einfach, auch wenn es bestimmt eine ziemlich dumme Frage ist :D In der Vertiefung wird auf den Anspruch der M aus § 812 Abs.1 S.1 Alt.1 BGB hingewiesen. Greift hier nicht der

§ 814 BGB

? M leistet doch zur

Erfüllung einer Verbindlichkeit

, obwohl sie von der Abtretung wusste... Mir ist klar, dass das nicht Sinn & Zweck des § 814 sein kann, aber rein vom Wortlaut her würde der hier doch greifen? Wie gesagt, ich bin mir sicher, ich stehe einfach aufm Schlauch - also danke im Voraus fürs erklären! LG

HAN

hannabuma

14.11.2024, 18:53:10

Gute Frage! Vielleicht könnte man darauf abstellen, dass M das Geld an V versehentlich und in dem Moment nicht in Kenntnis ihrer Nichtverpflichtung überweist?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

17.11.2024, 14:16:58

Hallo @[3mon](238593), das ist überhaupt keine dumme Frage, sondern eine absolut berechtigte. IE wird man es so sehen müssen, wie @[hannabuma](171851) schon gesagt hat: Bloße Kenntnis der

Tatsachen

reicht eben nicht aus, sondern der Leistende muss sich im Zeitpunkt seiner Leistung dessen bewusst sein, dass seine

Schuld

nicht besteht. So können insbesondere Irrtümer dafür sorgen, dass

§ 814 BGB

nicht anwendbar ist (statt aller MüKoBGB/Schwab, 9. Aufl 2024, § 814 Rn 19). Auf ein Ver

schuld

en kommt es ebenfalls nicht an (Staudinger/Linardatos, BGB, Neubearb 2024, § 814 Rn 0.16). So liegt auch unser Fall: M wird ja im Zeitpunkt des Überweisens gedacht haben, zu dieser Überweisung ggü V rechtlich verpflichtet zu sein, handelte also nicht in positiver Kenntnis ihrer Nicht

schuld

. Dass sie das hätte erkennen können und möglicherweise insoweit sogar grob fahrlässig gehandelt hat, genügt für

§ 814 BGB

nicht. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

3mon

3mon

17.11.2024, 14:53:56

Vielen Dank 🙌

OKA

okalinkk

22.5.2025, 11:31:21

@[Sebastian Schmitt](263562) was wäre bei 812 I 1 Alt 1 dann der fehlende Rechtsgrund? Die Tatsache, dass 407 I nicht anwendbar ist?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

22.5.2025, 12:07:56

Hallo @[okalinkk](253888),

§ 407

I BGB kann keinen Rechtsgrund darstellen, weil er ohnehin kein Recht zum Behaltendürfen begründet. Er sorgt nur dafür, dass der

Schuld

ner nicht (nochmal) an den neuen Gläubiger/

Zessionar

zahlen muss. Das heißt aber nicht, dass der alte Gläubiger/

Zedent

dann das Geld behalten darf. Er muss es an den neuen Gläubiger/

Zessionar

über §

816 II BGB

herausgeben. Möglicher Rechtsgrund zum Behaltendürfen im Verhältnis V-M könnte hier höchstens die Kaufpreisforderung gegen M sein. Die gehört V aber gar nicht mehr, sondern steht eben jetzt B zu, wie von uns geprüft. Dementsprechend ist auch der von M bezweckte Erfolg nicht durch die Zahlung an V eingetreten, ist die Forderung nicht nach § 362 I BGB erloschen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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