Begriff Wissenschaftliche Lehre

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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M ist Mitarbeiterin einer universitären Fakultät, die sich mit den Strukturen der deutschen Sprache beschäftigt. Sie veröffentlicht für diese Fakultät Bücher für Germanistik-Studierende und hält Vorlesungen zu mittelalterlicher Lyrik.

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Einordnung des Falls

Begriff Wissenschaftliche Lehre

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M ist Wissenschaftlerin im Sinne von Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG.

Ja!

Wissenschaftlerin i.S.d. Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG ist, wer Wissenschaft betreibt. Wissenschaft im Sinne von Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG ist alles, was als ernsthafter Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. M arbeitet an einer Fakultät, die sich mit den Strukturen der deutschen Sprache beschäftigt. Da es sich um eine universitäre Fakultät, handelt ist davon auszugehen, dass sie ernsthaft versucht, auf unterschiedliche Fragestellungen zu diesen Strukturen wahrhaftige Antworten zu finden. Somit betreibt die Fakultät Wissenschaft und M arbeitet insofern als Wissenschaftlerin.
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2. Ist Ms Veröffentlichung von Büchern für Germanistik-Studierende Lehre im Sinne von Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG?

Genau, so ist das!

Lehre im Sinne von Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG ist die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Dazu gehört auch die Art der Äußerung des wissenschaftlichen Befundes und die Übermittlung der durch die Forschung gewonnen Erkenntnisse. Mit den Bücher vermittelt M Erkenntnisse aus der Germanistik und damit wissenschaftliche Erkenntnisse an Studierende. Die Veröffentlichung der Bücher lässt sich somit als Lehre im Sinne von Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG qualifizieren.Die Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten als Ergebnis von Forschung i.S.d. Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG lässt sich u.U. auch unter den Begriff der Forschung selbst subsumieren.

3. Sind Ms Vorlesungen zu mittelalterlicher Lyrik Lehre im Sinne von Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG?

Ja, in der Tat!

Lehre im Sinne von Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG ist die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Dazu gehört auch Inhalt, Ansatz, Gegenstand, Form und Methode von Lehrveranstaltungen. Lehre meint dabei den Unterricht mit wissenschaftlichem Anspruch. Vorlesungen sind typischerweise Unterricht mit wissenschaftlichem Anspruch. In ihnen werden wissenschaftliche Erkenntnisse an Studierende vermittelt. Da M die Vorlesungen für ihre Fakultät hält, an welcher Wissenschaft betriebe wird, ist davon auszugehen, dass auch ihre Ausführungen zu mittelalterlicher Lyrik der Vermittlung sprachwissenschaftlicher Erkenntnisse dienen. Es handelt sich bei den Vorlesungen somit um Lehre i.S.d. Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG.Dass Vorlesungen an Hochschulen Lehre i.S.d. Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 2 GG sind, musst Du in der Klausur nicht detailliert begründen! Die Ausführungen hier dienen dem Verständnis.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JOA

Joana

3.10.2023, 17:54:49

Wo zieht man denn hier die Grenze? Ich frage mich, ob ein gewisser Kenntnisstand oder ein gewisses methodisches Vorgehen erforderlich ist… oder ob sich jeder „Hans und Franz“ darauf berufen kann, also ohne universitären Kontext.

CHEFM

ChefMarcelo

3.10.2023, 18:10:52

Ich würde sagen „Ernsthaftigkeit“ iSd Art 5 setz das inzident voraus. Ich kann nur ernsthaft forschen, wenn ich ansatzweise dazu befähigt bin und die Mittel dafür habe oder aufbringen kann. Einzelfallentscheidung

Nora Mommsen

Nora Mommsen

4.10.2023, 14:01:12

Hallo ihr Beiden, danke für den Austausch. Die grundrechtliche Abwägung ist wie richtigerweise schon angemerkt wurde letztlich immer eine Einzelfallentscheidung. Es ist aber doch einiges zu beachten. Zum einen unterliegt Art. 5 Abs. 3 GG nicht der Schranke des Art. 5 Abs. 2 GG. Vielmehr bleiben allein verfassungsimmanente Schranken. Der Schutzbereich ist großzügig auszulegen. Es kommt tatsächlich auf ein methodisches und systematisches Vorgehen an. Dabei muss nicht der herrschenden L

ehre

oder dem wissenschaftlichen "Mainstream" gefolgt werden. Vielmehr entsteht wissenschaftliche Erkenntnis ja oft zur Abweichungen und neue Wege. Eine Grenze ist aber erreicht, wenn die wissenschaftliche Tragfähigkeit sich positiv unter Heranziehung allgemein anerkannter Rationalitätsstandards evident widerlegen lässt. Das systematische Ausblenden von Qualitätsstandards, anerkannten Fakten und und Ergebnissen kann ein Indiz dafür sein. Ihr merkt aber schon: Auch an dieser Stelle ist es nur eine Näherung an den Begriff, den man im Einzelfall herausarbeiten muss. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

AME

Amelie7

14.11.2024, 15:00:22

Wo liegt hier der Unterschied zu Schulunterricht?

LELEE

Leo Lee

16.11.2024, 10:00:43

Hallo Amelie7, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat kann man das, was man in der Schule macht, nicht immer pauschal als "nicht wissenschaftlich" abtun, da auch in der Schule die kritische Auseinandersetzung mit einem bestimmten Thema gefördert und auch im Unterricht umgesetzt wird. Der hauptsächliche Unterscheid besteht jedoch darin, dass die Schule immer noch sehr viel mehr anwendungsbezogen ist als die Uni. d.h., die Materie ist auf universitärer Stufe abstrakter und deshalb auch wissenschaftlicher, während auf der schulischen Ebene die Anwendung im echten Leben (auch wenn man manchmal das gegenteilige Gefühl hat) im Vordergrund steht. Dies wird auch dadurch bekräftigt, dass das Schulwesen separat im Art. 7 geregelt ist. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Jarass/Pieroth GG 18. Auflage, Jarass Art. 5 Rn. 136 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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