Bekanntgabe gegenüber juristischen Personen

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der Behördenmitarbeiter B versendet per einfacherer Post eine Baugenehmigung an die Bau-GmbH G. Da B der Name des gesetzlichen Vertreters von G entfallen ist, gibt er als Adressat nur „G“ an. Der Bescheid liegt am nächsten Tag in Gs Briefkasten.

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Einordnung des Falls

Bekanntgabe gegenüber juristischen Personen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Baugenehmigung (= Verwaltungsakt) bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Bekanntgabe.

Ja!

Aus § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG geht hervor, dass ein Verwaltungsakt für seine Wirksamkeit der Bekanntgabe bedarf: "Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird." Eine Bekanntgabe im Rechtssinne liegt vor, wenn die für die Bekanntgabe sachlich zuständige Behörde in amtlicher Eigenschaft mit Bekanntgabewillen den Inhalt des Verwaltungsakts dem Betroffenen gegenüber eröffnet hat.
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2. Der Inhalt des Verwaltungsakt muss dem Betroffenen eröffnet werden. Scheitert dies daran, dass B den Bescheid an G adressiert hat?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Bekanntgabe im Rechtssinne setzt voraus, dass der Inhalt des Verwaltungsakts dem Betroffenen gegenüber eröffnet wird. Schriftliche Verwaltungsakte sind bekanntgegeben, wenn diese beim Betroffenen eintreffen. Bei einem Verwaltungsakt, der sich an eine juristische Person richtet, ist stets die juristische Person selbst Bekanntgabeadressat. Dies ergibt sich daraus, dass juristische Personen nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG selbst handlungsfähig sind und damit Verfahrenshandlungen - wie auch der Erlass eines Verwaltungsakts - ihnen gegenüber wirksam vorgenommen werden können (ungeachtet der Tatsache, dass sie "durch ihre gesetzlichen Vertreter" handeln).G ist selbst Betroffene des Verwaltungsakts. Für die Bekanntgabe ist es daher ausreichend, dass die Baugenehmigung am Sitz der G eingetroffen ist.

3. Auch die übrigen Voraussetzungen der Bekanntgabe liegen vor.

Ja, in der Tat!

Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte hat auch die für die Bekanntgabe sachlich zuständige Behörde in amtlicher Eigenschaft mit Bekanntgabewillen gehandelt. Eine Bekanntgabe im Rechtssinne liegt vor (§ 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ABA

Al Bandy

4.1.2024, 06:35:00

Im Ergebnis macht es keinen Unterschied, aber die Anwendung von §§ aus dem VwVfG wäre hier doch falsch, da die AO Anwendung findet - oder? (§ 2 II Nr. 1 VwVfG)

I

I

6.1.2024, 00:18:25

Das stimmt! Vorliegend kommt ausnahmsweise m.E. die inhaltsgleiche Vorschrift in § 124 AO als lex specialis zur Anwendung.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

22.8.2024, 15:08:47

Hey, danke für den Hinweis. So ist es! Auch, wenn es im Ergebnis keinen Unterschied macht, habe ich den Sachverhalt jetzt so angepasst, dass wir weiterhin den allgemeinen § 41 VwVfG prüfen können. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team

<I

<isa_hh>

29.3.2024, 17:57:37

Wieso denn "ungeachtet, dass sie durch ihre gesetzlichen Vertreter" handlungsfähig sind - ich hätte den Wortlaut eher dahingehend verstanden, dass der VA gerade dann ggü. dem gesetzlichen Vertreter bekannt gegeben werden muss.

Merle_Breckwoldt

Merle_Breckwoldt

2.4.2024, 14:36:19

Hallo , danke für Deine Nachfrage. Damit eine Verfahrenshandlung ihrer Adressatin gegenüber wirksam vorgenommen werden kann, ist tatsächlich nur maßgeblich, ob diese jeweilige Adressatin als solche verfahrensbeteiligt/handlungsfähig i.S.d. § 12 VwVfG ist, also dort in Abs. 1 Nr. 1 bis 4 aufgezählt ist. Juristische Personen sind in § 12 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG aufgezählt. Daher sind sie handlungsfähig, also auch taugliche Adressaten einer jeden Verfahrenshandlung wie der Bekanntgabe. Entscheidend ist in diesem Kontext also nur, dass die juristische Person in jedem Fall selbst Verfahrensbeteiligte ist (anders etwa als nicht geschäftsfähige natürliche Personen, s. § 12 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG). Dass verwaltungsverfahrensrechtliche Handlungen in einem zweiten Schritt "durch ihre gesetzlichen Vertreter" vorzunehmen sind, ist in diesem Kontext also insoweit nicht zu beachten, daher die Formulierung. Ich hoffe das hat geholfen! Viele Grüße, Merle für das Jurafuchs-Team, @[Lukas_Mengestu](136780)

<I

<isa_hh>

2.4.2024, 16:13:09

Das hat total geholfen! Herzlichen Dank für die ausführliche Erklärung, Merle.

BU✨

busy B 🐝 ✨

13.5.2024, 13:50:20

Ich hab eine Folgefrage: Bedeutet das, dass der VA nicht bekannt gegeben worden wäre, wäre er dem gesetzlichen Vertreter der juristischen Person zB an seine Privatadresse geschickt worden? Also ist da immer der Sitz der juristischen Person Ort des Zugangs entscheidend?


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