+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die 17-jährige A stellt einen Antrag auf Einbürgerung. Daraufhin erlässt die zuständige Behörde einen positiven Bescheid, der A gegenüber bekanntgegeben wird.

Einordnung des Falls

Bekanntgabe gegenüber Minderjährigen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Verwaltungsakt bedarf zu seiner Wirksamkeit der Bekanntgabe.

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Ja!

Aus § 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG geht hervor, dass ein Verwaltungsakt für seine Wirksamkeit der Bekanntgabe bedarf: "Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird." Eine Bekanntgabe im Rechtssinne liegt vor, wenn die für die Bekanntgabe sachlich zuständige Behörde in amtlicher Eigenschaft mit Bekanntgabewillen den Inhalt des Verwaltungsakts dem Betroffenen gegenüber eröffnet hat.

2. Die Konstellation der Bekanntgabe an Minderjährige wird von § 41 VwVfG ausdrücklich geregelt.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Die Bekanntgabe an Minderjährige wird in §§ 41, 43 VwVfG - anders als etwa bei der Zustellung gemäß § 6 Abs. 1 VwZG - nicht ausdrücklich geregelt. Nach wohl h.M. sind aber die Grundsätze aus § 6 Abs. 1 VwZG entsprechend heranzuziehen. Danach kommt es auf die Handlungsfähigkeit (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) der Minderjährigen an, also ob sie Verfahrenshandlungen selbst vornehmen darf und ihr gegenüber wirksam Verfahrenshandlungen - wie auch der Erlass eines Verwaltungsakts - vorgenommen werden können.

3. Beschränkt Geschäftsfähige können unter Umständen Bekanntgabeadressaten sein.

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Ja, in der Tat!

Ein Geschäftsunfähiger ist nicht handlungsfähig (e contrario § 12 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) und kann damit grundsätzlich kein Bekanntgabeadressat sein. Die Bekanntgabe muss an den gesetzlichen Vertreter erfolgen. Ein beschränkt Geschäftsfähiger hingegen ist handlungsfähig, wenn er durch Vorschriften des bürgerlichen bzw. öffentlichen Rechts als geschäftsfähig bzw. handlungsfähig anerkannt wird (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG).

4. Der Bescheid wurde der A bekanntgegeben (§§ 43 Abs. 1 S. 1, 12 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG, § 37 Abs. 1 S. 1 StAG).

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Ja!

Ein beschränkt Geschäftsfähiger hingegen ist handlungsfähig, wenn er durch Vorschriften des bürgerlichen bzw. öffentlichen Rechts als geschäftsfähig bzw. handlungsfähig anerkannt wird (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG).Hinsichtlich des Einbürgerungsverfahrens erkennt § 37 Abs. 1 S. 1 StAG – als eine Norm des öffentlichen Rechts – Personen ab 16 Jahre als handlungsfähig an. Die 17-jährige A ist somit handlungsfähig (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) und damit richtige Bekanntgabeadressatin. Der Inhalt des Verwaltungsakts wurde der Betroffenen gegenüber eröffnet. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte hat auch die für die Bekanntgabe sachlich zuständige Behörde in amtlicher Eigenschaft mit Bekanntgabewillen gehandelt. Eine Bekanntgabe im Rechtssinne liegt vor (§ 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG).

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A6

Anton 666

22.1.2022, 14:19:47

Widerspricht die Lösung aber nicht gerade § 6 I 1 VwZG ("ist ... zuzustellen"), der ja wie zuvor gesagt wurde entsprechende Anwendung findet?

VI

Victor

23.1.2022, 00:53:18

Wenn ich das richtig verstanden habe nicht der ganze § sonder mehr der Rechtsgedanke der grundsätzlichen Zustellung an den Vertreter. Dann greifen die folgenden Überlegungen

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

24.1.2022, 11:04:43

Hallo ihr beiden, in der Tat ist § 6 Abs. 1 S. 1 VwZG nicht 1:1 anzuwenden. Vielmehr muss man sich bei Minderjährigen zunächst fragen, ob Handlungsfähigkeit nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorliegt. Ist dies der Fall, dann kann direkt nach § 41 VwVfG an sie zugestellt werden. Fehlt es hieran, dann ist der VA - nach dem Rechtsgedanken des § 6 Abs. 1 S. 1 VwZG - an den gesetztlichen Vertreter zuzustellen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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