Grundfall 2 - Objektiver TB

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Reichsbürger R ist ein sehr aktiver Facebook-User. Unter einem Link zu einem Artikel über die Politikerin K bezeichnet er sie als "Stück Scheiße" und "Sondermüll". Der Kommentar wird vielfach gelesen.

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Einordnung des Falls

Grundfall 2 - Objektiver TB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es handelt sich bei den beiden Bezeichnungen um eine Tatsachenbehauptung.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Beleidigung (§ 185 StGB) erfasst Tatsachenbehauptungen gegenüber dem Betroffenen und Werturteile gegenüber dem Betroffenen oder Dritten. Denn für Werturteile gilt ausschließlich § 185 StGB. Tatsachen sind Geschehnisse oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweis zugänglich sind. Werturteile sind Äußerungen, die durch Elemente subjektiver Überzeugung oder Meinung geprägt sind und deshalb nicht wahr oder unwahr, sondern je nach der persönlichen Überzeugung nur falsch oder richtig sein können (z.B. Meinungsäußerungen). Wenn eine Äußerung Tatsachen und Werturteile enthält, erfolgt die Abgrenzung nach dem überwiegenden Element. Der objektive Sinngehalt der Bezeichnung als Stück Scheiße bzw. Sondermüll liegt nicht in einer Tatsache, sondern in der subjektiven Meinung über die Person.
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2. Die Beleidigung setzt tatbestandlich eine Kundgabe voraus.

Ja!

Eine Beleidigung ist der Angriff auf die Ehre eines anderen durch Kundgabe eigener Missachtung, Geringschätzung oder Nichtachtung. Sie hat vier Bestandteile: Es wird (1) eine Tatsachenbehauptung gegenüber dem Betroffenen bzw. ein Werturteil gegenüber dem Betroffenen oder einem Dritten (2) kundgegeben, (3) die Äußerung hat ehrverletzenden Inhalt und (4) wird vom Adressaten wahrgenommen.

3. R hat das Werturteil kundgegeben.

Genau, so ist das!

Eine Beleidigung als Tathandlung setzt die Kundgabe von Tatsachen oder Werturteilen voraus. Dabei kommen Äußerungen in jeder Form in Betracht, also mündliche oder schriftliche sowie etwa Gesten (Mittelfinger) und Symbole. Die Kundgabe muss den Betroffenen erkennen lassen. Dabei ist das Medium irrelevant, sodass auch Äußerungen im Internet, per Messenger-Chat usw. tatbestandlich sind. M hat das Werturteil über das Medium Internet auf Facebook digital geäußert.

4. Das Werturteil hat ehrverletzenden Inhalt.

Ja, in der Tat!

Eine Beleidigung setzt voraus, dass die Äußerung ehrverletzenden Inhalt hat. Verletzt wird die Ehre durch die Äußerung dann, wenn diese die eigene Nicht- oder Missachtung bzgl. eines erkennbar Betroffenen zum Ausdruck bringt. Die Bezeichnung als Stück Scheiße oder Sondermüll ist eine reine verschmähende Beschimpfung, die die Missachtung der anderen Person zum Ausdruck bringt.

5. Der Adressat hat das Werturteil wahrgenommen.

Ja!

Die Beleidigung ist vollendet, wenn sie zur Kenntnis des Beleidigten oder eines Dritten gelangt (Kundgabeerfolg). Ohne Kenntnisnahme fehlt es an der Tatvollendung. Die Kenntnisnahme durch den Adressaten setzt außerdem nach h.M. voraus, dass dieser den ehrenrührigen Sinn der Äußerung erfasst hat. Dritte haben den Kommentar gelesen und verstanden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

GEAS

Geasoph

12.1.2022, 19:02:30

Im Sachverhalt steht doch aber nur, dass der Kommentar vielfach gelesen wurde und nicht dass er auch explizit von der Politikerin gelesen wurde?

GEAS

Geasoph

12.1.2022, 19:03:59

Ah gerade gesehen, dass die Kenntnisnahme Dritter genügt.. sorry:)


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