Strafvereitelung durch Unterlassen
11. Juli 2025
2 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
In der JVA Kassel I schlagen Vollzugsbedienstete auf einen Gefangenen ein. Der Strafvollzugsbeamte B und die in dienstlicher Eigenschaft zufällig anwesende Staatsanwältin S erfahren am nächsten Tag davon. Weil sie keinen Skandal um die JVA wollen, unternehmen sie nichts weiter.
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Einordnung des Falls
Strafvereitelung durch Unterlassen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Strafvollzugsbeamte B ist ein Amtsträger, der zur Mitwirkung beim Strafverfahren berufen ist (§ 258a Abs. 1 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
2. B könnte sich wegen Strafvereitelung durch Unterlassen strafbar gemacht haben, indem er nichts unternahm, obwohl er von den Straftaten der Vollzugsbediensteten wusste (§§ 258 Abs. 1, 13 StGB).
Ja!
3. Besteht für B eine Garantenstellung im Sinne des § 13 StGB?
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Ist Staatsanwältin S eine Amtsträgerin, die zur Mitwirkung beim Strafverfahren berufen ist (§ 258a Abs. 1 StGB)?
Ja, in der Tat!
5. S könnte sich nach §§ 258a Abs. 1, 13 StGB strafbar gemacht haben, indem sie nichts unternahm, nachdem sie von den Straftaten der Vollzugsbediensteten erfahren hatte. Besteht für S eine Garantenpflicht?
Ja!
6. Hat S sich somit nach § 258a Abs. 1 StGB strafbar gemacht, indem sie es unterließ, die Straftaten der Vollzugsbediensteten zu verfolgen?
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Esther
22.2.2025, 14:48:07
Wieso ist B nur "einfacher" Bürger? Er ist doch Strafvollzugsbeamter - hat er da nicht eine Pflicht, für die Gefangenen zu sorgen? Das fühlt sich total unfair an... Ist er wenigstens aus irgendeiner anderen Norm strafbar?
benjaminmeister
5.7.2025, 15:47:48
Er hat zwar die Pflicht für das Wohl der Gefangenen zu sorgen (auch präventiv!), aber eben nicht die Pflicht, die Verfolgung von Straftaten gegen diese zu verfolgen (nachträglich). Besser verständlich ist es vielleicht auch, wenn man sich vorstellt, dass der Angriff auf den Gefangene einmaliger Natur war. Der Vollzugsbeamte muss dann nicht mehr eingreifen um seiner Fürsorgepflicht/Garantenpflicht ggü. den Gefangenen nachzukommen. Für die Verfolg der Straftat ist er nicht zuständig (keine Garantenpflicht für die Strafrechtspflege). B wird übrigens auch nicht als einfacher Bürger bezeichnet: "Ein „einfacher“ Bürger ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Strafverfolgung anderer zu gewährleisten. Eine Garantenpflicht kann sich damit höchstens aus Bs Stellung als Strafvollzugsbeamter ableiten. B ist aber nicht mit Aufgaben der Strafverfolgung betraut. Ihm obliegt es auch beruflich nicht, allgemeine Belange der Strafrechtspflege wahrzunehmen oder zu fördern. B ist somit kein Garant [eigene Anmerkung: für die Strafrechtspflege] und nicht nach §§ 258 Abs. 1, 13 StGB strafbar."