+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der Angeklagte A meint, „man könne ja durch Zeugen am Straßenrand Beweis darüber erheben, ob er tatsächlich wie angeklagt mit seinem KFZ die Geschwindigkeitsgrenze überschritt.“ Das Gericht meint, „der Beweisantrag sei abzulehnen“, da es ohnehin keine Möglichkeit mehr sehe, eine Übertretung nachzuweisen (§ 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 6 StPO).
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Einordnung des Falls
Ablehnung eines Beweisermittlungsantrages als Beweisantrag
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat hier einen Beweisantrag gestellt (§ 244 Abs. 3 S. 1 StPO).
Nein, das trifft nicht zu!
Ein Beweisantrag liegt nur vor, wenn A ernsthaft verlangt, durch ein konkret bezeichnetes Beweismittel Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache zu erheben (§ 244 Abs. 3 S. 1 StPO). Dagegen liegt lediglich ein Beweisermittlungsantrag vor, wenn A keine bestimmte Beweistatsache behauptet oder kein bestimmtes Beweismittel benennt.As Vortrag ist kein hinreichendes Beweisverlangen zu entnehmen. Wird verlangt, Beweis zu erheben, „ob, wann, wie oder wo” eine Tatsache eingetreten ist, wird deren Vorliegen gerade nicht behauptet. Auch hat A zwar Zeugen als Beweismittel bezeichnet. Es bedarf aber der Individualisierung der Beweispersonen, meist durch Vor- und Zuname samt ladungsfähiger Anschrift. Durch As abstrakte Angabe ist dies nicht möglich. Potentielle Zeugen müssten erst ermittelt werden.
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2. Dass das Gericht As „Beweisantrag“ nach § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 6 StPO abgelehnt hat, ist rechtsfehlerhaft.
Ja!
Auf einen Beweisermittlungsantrag ist nach § 244 Abs. 2 StPO zu prüfen, ob Aufklärung geboten und möglich ist und deshalb Anlass zu der Beweiserhebung besteht. Ein Beweisermittlungsantrag wird regelmäßig abzulehnen sein, wenn ein Ablehnungsgrund der § 244 Abs. 3 bis 6 StPO vorliegt. Dennoch ergibt sich der Prüfungsmaßstab aus § 244 Abs. 2 StPO.Dass das Gericht den Beweisermittlungsantrag fälschlicherweise als Beweisantrag ablehnte und damit den Prüfungsmaßstab verkannte, war rechtsfehlerhaft (§ 337 StPO).
3. Wird ein Beweisermittlungsantrag rechtsfehlerhaft als Beweisantrag abgelehnt, kann dies immer erfolgreich in der Revision geltend gemacht werden (§ 337 StPO).
Nein, das ist nicht der Fall!
Der Verfahrensverstoß ist nur reversibel, wenn das Urteil auf dem Fehler beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Hat das Gericht einen Beweisermittlungsantrag fälschlicherweise als Beweisantrag angesehen, ist dies revisionsrechtlich unbedenklich, wenn der gewählte Ablehnungsgrund den Anforderungen des § 244 Abs. 3 oder 4 bzw. § 245 Abs. 2 StPO genügt. Dann wird das Gericht regelmäßig auch im Rahmen der Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nicht dazu gehalten sein, das Beweismittel einzuführen.Es ist also hier in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Ablehnungsgrund des § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 6 StPO die Ablehnung trägt.
4. A kann hier erfolgreich in Revision gehen (§ 337 StPO).
Nein, das trifft nicht zu!
A kann nur erfolgreich in Revision gehen, wenn die Ablehnung seines Antrages nicht von § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 6 StPO getragen wurde. Hält das Gericht eine erhebliche entlastende Beweisbehauptung nicht für erwiesen und sieht es keine Möglichkeit, sie durch Beweiserhebung oder nach ergebnisloser Beweiserhebung zu widerlegen, so kann es dieser Vorauswürdigung durch Wahrunterstellung Rechnung tragen.Das Gericht erachtet es für nicht widerlegbar, dass A die Geschwindigkeitsgrenze eingehalten hat. Damit kann es in Vorwegnahme des in-dubio-Grundsatzes diese Tatsache als wahr unterstellen. Damit war das Gericht auch im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht gehalten, dem Antrag des A zu folgen.