Ablehnung eines Beweisermittlungsantrags als Beweisantrag

4. Juli 2025

5 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der Angeklagte A meint, „man könne ja durch Zeugen am Straßenrand Beweis darüber erheben, ob er tatsächlich wie angeklagt mit seinem KFZ die Geschwindigkeitsgrenze überschritt.“ Das Gericht meint, „der Beweisantrag sei abzulehnen“, da es ohnehin keine Möglichkeit mehr sehe, eine Übertretung nachzuweisen (§ 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 6 StPO).

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Einordnung des Falls

Ablehnung eines Beweisermittlungsantrags als Beweisantrag

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat hier einen Beweisantrag gestellt (§ 244 Abs. 3 S. 1 StPO).

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Beweisantrag liegt nur vor, wenn A ernsthaft verlangt, durch ein konkret bezeichnetes Beweismittel Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache zu erheben (§ 244 Abs. 3 S. 1 StPO). Dagegen liegt lediglich ein Beweisermittlungsantrag vor, wenn A keine bestimmte Beweistatsache behauptet oder kein bestimmtes Beweismittel benennt.As Vortrag ist kein hinreichendes Beweisverlangen zu entnehmen. Wird verlangt, Beweis zu erheben, „ob, wann, wie oder wo“ eine Tatsache eingetreten ist, wird deren Vorliegen gerade nicht behauptet. Auch hat A zwar Zeugen als Beweismittel bezeichnet. Es bedarf aber der Individualisierung der Beweispersonen, meist durch Vor- und Zuname samt ladungsfähiger Anschrift. Durch As abstrakte Angabe ist dies nicht möglich. Potenzielle Zeugen müssten erst ermittelt werden.
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2. Dass das Gericht As „Beweisantrag“ nach § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 6 StPO abgelehnt hat, ist rechtsfehlerhaft.

Ja!

Auf einen Beweisermittlungsantrag ist nach § 244 Abs. 2 StPO zu prüfen, ob Aufklärung geboten und möglich ist und deshalb Anlass zu der Beweiserhebung besteht. Ein Beweisermittlungsantrag wird regelmäßig abzulehnen sein, wenn ein Ablehnungsgrund der § 244 Abs. 3 bis 6 StPO vorliegt. Dennoch ergibt sich der Prüfungsmaßstab aus § 244 Abs. 2 StPO.Dass das Gericht den Beweisermittlungsantrag fälschlicherweise als Beweisantrag ablehnte und damit den Prüfungsmaßstab verkannte, war rechtsfehlerhaft (§ 337 StPO).

3. Wird ein Beweisermittlungsantrag rechtsfehlerhaft als Beweisantrag abgelehnt, kann dies immer erfolgreich in der Revision geltend gemacht werden (§ 337 StPO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Verfahrensverstoß ist nur revisibel, wenn das Urteil auf dem Fehler beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Hat das Gericht einen Beweisermittlungsantrag fälschlicherweise als Beweisantrag angesehen, ist dies revisionsrechtlich unbedenklich, wenn der gewählte Ablehnungsgrund den Anforderungen des § 244 Abs. 3 oder 4 bzw. § 245 Abs. 2 StPO genügt. Dann wird das Gericht regelmäßig auch im Rahmen der Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nicht dazu gehalten sein, das Beweismittel einzuführen.Es ist also hier in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Ablehnungsgrund des § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 6 StPO die Ablehnung trägt.

4. A kann hier erfolgreich in Revision gehen (§ 337 StPO).

Nein, das trifft nicht zu!

A kann nur erfolgreich in Revision gehen, wenn die Ablehnung seines Antrages nicht von § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 6 StPO getragen wurde. Hält das Gericht eine erhebliche entlastende Beweisbehauptung nicht für erwiesen und sieht es keine Möglichkeit, sie durch Beweiserhebung oder nach ergebnisloser Beweiserhebung zu widerlegen, so kann es dieser Vorauswürdigung durch Wahrunterstellung Rechnung tragen.Das Gericht erachtet es für nicht widerlegbar, dass A die Geschwindigkeitsgrenze eingehalten hat. Damit kann es in Vorwegnahme des in-dubio-Grundsatzes diese Tatsache als wahr unterstellen. Damit war das Gericht auch im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht gehalten, dem Antrag des A zu folgen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Max08152

Max08152

16.6.2025, 11:17:20

Ich verstehe grundsätzlich den dogmatischen Ablauf der Prüfung und das man in der Klausur alles ansprechen sollte, was ggf. problematisch sein könnte. Ist aber nicht der Angeklagte in dieser Situation von dem Verfahrensverstoß schon gar nicht beschwert? Das Gericht geht ja ohnehin davon aus, dass er die Begrenzung nicht überschritten hat.

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

27.6.2025, 15:55:43

Hallo @[Max08152](207734), in der Tat ist Voraussetzung für das Geltendmachen von Verfahrensverstößen auch eine Beschwer. Allerdings ist der Angeklagte hier zunächst dadurch beschwert, dass sein Antrag abgelehnt wurde. Ob sich das dann auch im Urteil zu seinen Lasten ausgewirkt hat, ist gerade das,

was m

an im Beruhen prüft, jedenfalls nach BeckOK StPO/Wiedner, 55. Ed. 1.1.2025, StPO § 337 Rn. 184. Insofern ist die Aufgabe dahingehend richtig, dass man das prüft, auch wenn du natürlich insofern Recht hast, als dass im konkreten Fall ein Beruhen auch dann zu verneinen wäre, wenn es keine Norm gäbe, die die Ablehnung eines derartigen

Beweisantrag

es ermöglichen würde und das Gericht in sonstiger Weise zugunsten des Angeklagten vom Gesetz abweicht. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

Max08152

Max08152

27.6.2025, 15:59:49

Ahh das ergibt total Sinn! Vielen Dank! 😊


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