Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Schuld
Notstand, übergesetzliche entschuldigende (vor § 35 StGB)
Definition: Notstand, übergesetzliche entschuldigende (vor § 35 StGB)
Was versteht man unter einem „übergesetzlichen, entschuldigenden Notstand“?
Unter dem übergesetzlichen entschuldigenden Notstand ist eine Situation zu verstehen, in welcher der Täter existentielle Güter verletzt, um gleichwertige andere Güter, die weder ihm noch einer ihm nahe stehenden Person gehören, zu retten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
JJO
7.8.2024, 15:25:47
M.E. ist das Institut des übergesetzlichen Notstands durchaus umstritten. Es wäre toll, wenn ihr das zumindest kennzeichnen könntet. Idealerweise könntet ihr noch die Ansichten und Argumente nennen. Danke!
Hausotter
8.9.2024, 13:05:27
Ich hatte gelesen, dass der übergesetzliche entschuldigende Notstand als Rechtsinstitut grundsätzlich in Rechtsprechung und Literatur anerkannt ist. Umstritten ist glaube ich eher, ob dadurch auch bisher unbetroffene Personen gefährdet werden dürfen. Falls ich hier aber etwas übersehe, gerne anmerken! :)
F. Rosenberg 🦅
13.11.2024, 16:28:40
Zu unterscheiden sind drei Fallgruppen: 1) Symmetrische Gefahrengemeinschaft = Mehrere Personen schweben gleichermaßen in Todesgefahr und es besteht für alle dieselbe Rettungschance. ⟶ Täter ist unstreitig nach übergesetzlichem, entschuldigenden Notstand entschuldigt, Schuld (-) 2) Asymmetrische Gefahrengemeinschaft = Mehrere Personen schweben gleichermaßen in Lebensgefahr, aber Rettungschancen bestehen nur für die eine auf Kosten der anderen Gruppe. ⟶ Täter ist unstreitig nach übergesetzlichem, entschuldigenden Notstand entschuldigt, Schuld (-) 3) P: Umlenken der Risikos = Drohende Lebensgefahr wird von einer großen Personengruppe auf eine kleinere bisher ungefährdete Anzahl von Menschen umgelenkt. (Bsp: T stürzt den fetten, lang- und breitfleischigen O (der einen Body Mass Index von 9000 hat) auf den Gleis, um den fahrenden Zug auszubremsen und 20 Menschen auf dem Gleis zu retten.) MM: Täter entschuldigt und damit schuldlos Arg 1: Abwälzung der Gefahr auf kleinere Personengruppe = kleineres Übel Arg 2: Ausweglose Lage des Täters hM: Täter nicht entschuldigt und damit schuldig und strafbar Arg 1: Gefahr wird auf Ungefährdete abgewälzt, Täter gefährdet Menschen, für die überhaupt keine Gefahr bestand. Arg 2: Menschen als Instrument zur Rettung anderer Menschen zu benutzen, ist kein Grund zur Entschuldigung (Niemand hat das Recht, Gott zu spielen.)