Prüfungsmaßstab - Fehlerhafte Mitwirkung einzelner Richter - Verhinderung

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird vor dem Landgericht verurteilt. Anstelle des nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Beisitzers B sprang seine Vertreterin ein. Die Vorsitzende teilt mit, B befinde sich auf einem Festakt für den mit ihm befreundeten Präsidenten der Industrie- und Handelskammer.

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Einordnung des Falls

Prüfungsmaßstab - Fehlerhafte Mitwirkung einzelner Richter - Verhinderung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Überprüft das Revisionsgericht die Anwendung von Vorschriften zur Gerichtsbesetzung, bestimmt sich der Maßstab der Prüfung nach dem Recht des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG).

Genau, so ist das!

Nicht jeder Verstoß gegen Besetzungsnormen ist revisibel. Das dahinterstehende Recht des gesetzlichen Richters ist nur verletzt, wenn die Zuständigkeitsannahme willkürlich ist. Es ist zu unterscheiden zwischen eindeutigen und auslegungsbedürftigen Normen zur Gerichtsbesetzung. Bei ersteren ist jeder Verstoß revisibel. Bei letzteren stellt eine bloße Fehlanwendung einer einfachgesetzlichen Besetzungsvorschrift keinen Revisionsgrund dar. Revisibel ist der Verstoß erst, wenn die Handhabung der Vorschriften willkürlich erscheint.Achtung: Im Meyer-Goßner/Schmitt ist dies unzutreffend dargestellt. Die Rechtsprechung, auf die Bezug genommen wird, betrifft nur die Kontrolle der Erstellung von Geschäftsverteilungsplänen.
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2. Die Vorsitzende der Strafkammer entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, welche Richter an der Verhandlung teilnehmen.

Nein, das trifft nicht zu!

Das Recht des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) gewährleistet, dass bereits vor dem Prozess feststeht, welche Richter in der Sache entscheiden. Dies richtet sich nach den gesetzlichen Zuständigkeitsvorschriften (GVG) und dem jeweiligen Geschäftsverteilungsplan des Gerichts (§ 21e Abs. 1 GVG). Die Geschäftsverteilungspläne sehen einen nach allgemeinen, abstrakten und objektiven Merkmalen bestimmten Schlüssel vor, nach dem die eingehenden Verfahren auf die Spruchkörper verteilt werden (z.B. turnusmäßig, nach den Nachnamen der Angeklagten oder nach Rechtsgebieten). Sinn und Zweck ist es, zu verhindern, dass für bestimmte Personen gezielt bestimmte (besonders strenge oder nachsichtige) Richterinnen oder Richter ausgewählt werden.

3. Bei Verhinderung eines Beisitzers tritt dessen Vertreter an seine Stelle (§ 21g Abs. 4 GVG). Lag hier eine solche Verhinderung des V vor?

Nein!

Ist der Vorsitzende an der Beschlussfassung gehindert, tritt der durch den Geschäftsverteilungsplan bestimmte Vertreter an seine Stelle (§ 21g Abs. 4 GVG). Eine Verhinderung eines Richters liegt aber wegen des hohen Gewichts des Rechts auf den gesetzlichen Richter nur vor, wenn er aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen außerstande ist, die ihm nach der Geschäftsverteilung obliegende konkrete Aufgabe wahrzunehmen. Ein tatsächlicher Hinderungsgrund liegt etwa bei Krankheit, Urlaub, oder Dienstreise vor.Die nur gesellschaftliche „Verpflichtung” des B, an dem Festakt für seinen Freund teilzunehmen, genügt nicht, um die Hinderung an der Erfüllung von Dienstgeschäften zu bejahen. B hätte also nach dem Geschäftsverteilungsplan entscheiden müssen, nicht V.

4. Dass gesellschaftliche Verpflichtungen keinen Hinderungsgrund darstellen, ist höchstrichterlich geklärt. Erfolgte die Anwendung des § 21g Abs. 4 GVG objektiv willkürlich und ist damit revisibel?

Genau, so ist das!

Der Begriff der Verhinderung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, also auslegungsbedürftig. Nur wenn das Gericht den Begriff der Verhinderung grob verkannt hat und die Auslegung nicht mehr sachgemäß ist, liegt ein willkürlicher und damit revisibler Verstoß vor. Eine vertretbare Auslegung verstößt nicht gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, auch wenn das Revisionsgericht eine andere Rechtsauffassung hat. Ein revisibler Verstoß liegt aber vor, wenn eine Rechtsfrage höchstrichterlich geklärt ist und das Gericht ohne Begründung davon abweicht.Dass bloß gesellschaftliche Verpflichtungen nicht unter die eng auszulegende Ausnahmevorschrift des § 21g Abs. 4 GVG fallen, ist in ständiger Rechtsprechung geklärt. Die Abweichung von dieser Auslegung ohne Begründung ist objektiv willkürlich und somit revisibel.
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