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Gutgläubiger, lastenfreier Zweiterwerb einer Vormerkung
Gutgläubiger, lastenfreier Zweiterwerb einer Vormerkung
2. April 2025
30 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
E verkauft ihr Grundstück an B. Zugunsten von B wird eine Auflassungsvormerkung ins Grundbuch eingetragen. Zur Eigentumsübertragung kommt es nie. 2014 verkauft E das Grundstück an Z, ebenfalls gesichert mit einer Auflassungsvormerkung. Anfang Mai 2017 wird Bs Vormerkung fälschlich aus dem Grundbuch gelöscht. Mitte Mai 2017 verkauft Z das Grundstück an K und überträgt K ihre Vormerkung. Im Juni 2017 lässt B gegen die Löschung ihrer Vormerkung einen Widerspruch eintragen. Im März 2018 wird K als Eigentümer eingetragen.
Diesen Fall lösen 82,1 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Gutgläubiger, lastenfreier Zweiterwerb einer Vormerkung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 17 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat gegen B einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs im Grundbuch aus § 894 BGB.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Wird die Zustimmung zur Löschung eines Widerspruchs im Grundbuch begehrt, ist jedoch § 894 BGB analog anwendbar.
Ja!
3. Für einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung nach § 894 BGB analog müsste der zugunsten des B eingetragene Widerspruch materiell unrichtig sein.
Genau, so ist das!
4. Ist Bs Vormerkung durch die Löschung aus dem Grundbuch materiell-rechtlich erloschen?
Nein, das trifft nicht zu!
5. Die Vormerkung könnte aber erloschen sein, wenn K das Grundstück gutgläubig, lastenfrei erworben hat (§ 892 Abs. 1 S. 1 BGB (analog)).
Ja!
6. Ist ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen, so entkräftet dieser die Richtigkeitsvermutung des § 892 BGB.
Genau, so ist das!
7. Sofern K vor Eintragung des Widerspruchs wirksam eine (lastenfreie) Vormerkung erworben hat, bleibt der Widerspruch für ihn hinsichtlich des Grundstückserwerbs ohne Bedeutung.
Ja, in der Tat!
8. Z hat zunächst von E eine wirksame Vormerkung erlangt.
Ja!
9. Hätte Zs Vormerkung ihn selbst gegenüber einem möglichen Eigentumserwerb des B schützen können?
Nein, das ist nicht der Fall!
10. Um die Vormerkung an K zu übertragen, konnte Z dem K die Vormerkung selbstständig abtreten.
Nein, das trifft nicht zu!
11. In der Literatur ist ein gutgläubiger (lastenfreier) Zweiterwerb einer Vormerkung allgemein anerkannt.
Nein!
12. Nach der Rechtsprechung ist der gutgläubige, lastenfreie Zweiterwerb einer Vormerkung möglich.
Genau, so ist das!
13. Folgt man der Rechtsprechung, hat K daher die Vormerkung von Z gutgläubig lastenfrei erworben.
Ja, in der Tat!
14. Der eingetragene Widerspruch ist unrichtig.
Ja, in der Tat!
15. Ist K tauglicher Anspruchsberechtigter eines Anspruchs nach § 894 BGB analog?
Ja!
16. B ist tauglicher Anspruchsgegner nach § 894 BGB analog.
Genau, so ist das!
17. K hat gegen B einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs aus § 894 BGB analog.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
many
1.2.2024, 11:07:16
Die Frage bzgl. der Übertragung der Forderung finde ivh etwas irreführend. Für mich erschien es so, als wäre danach gefragt worden, ob K selbständig, also ohne Zustimmung eines anderen o.ä. die
Vormerkungübertragen kann. Deutlicher wäre es vlt. wenn man danach fragt, ob die
Vormerkung„abgetreten/übertragen“ werden kann. So wird es ja meist in Klausuren auch bzgl der Übertragung einer Hypothek formuliert, sodass man dann zur Lösung kommt dass nur die
hypothekarisch g
esicherte Forderung übertragen wird bzw hier im Fall eben die durch
Vormerkungg
esicherte Forderung aus §433 II BGB

Gigachad1
12.4.2024, 19:12:27
Kleiner Vorgeschmack auf das was das JPA mit mir nächste Woche machen wird
Leo Lee
13.4.2024, 17:40:56
Hallo Gigachad1, das kann ich sehr gut nachvollziehen! Vor allem so kurz vor dem Examen ist man auf der Achterbahn der Gefühle; ich persönlich war auch unter sehr viel Stree – vor allem dann, wenn man einen
examensrelevanten Fall (sei es hier auf Jurafuchs oder in den Rechtsprechungsübersichten) nicht auf Anhieb lösen oder verstehen konnte. Aber eines kann ich sagen: Es ist bei weitem nicht so schlimm, wie man es sich vorstellt (sowohl bei mir als auch bei allen Kommilitonen von mir)! Wichtig ist nur, dass du cool bleibst und – so klischeehaft es auch klingt – versucht mit dem Gesetz zu lösen (das bewirkt wunder). Wir wünschen dir ganz viel Erfolg und drücken dir die Daumen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Gigachad1
15.4.2024, 02:02:52
Vielen Dank :) ich gebe mein bestes, bin euch und der App echt dankbar, hat einen großen Teil meiner Vorbereitung ausgemacht

CR7
4.5.2024, 19:38:33
@[Gigachad1](241559) Ich hoffe, es ist gut gelaufen? Wo hast du geschrieben? :)

Gigachad1
2.8.2024, 14:04:23
In Berlín :) habe knapp bestanden

CR7
2.8.2024, 20:45:58
@[Gigachad1](241559) egal, bestanden ist bestanden. Kenne Leute mit 4,x im Ersten (und nur bisschen besser im Zweiten) und sind heute gut erfolgreich. Weiterhin viel Erfolg!

Gigachad1
31.8.2024, 19:35:34
danke dir! werde auch noch meinen vv machen aber bin mega froh. Habe diese Woche noch die mündliche, hoffe die zieht mich nicht noch runter

CR7
6.12.2024, 14:12:55
Super, hoffe es lief gut. Mach dir keinen Kopf, Jura definiert nicht alles im Leben. Und der Vv wird auch gut :-)
jenny24
21.6.2024, 07:44:20
leider wird in den ei leitenden Erklärungen gesagt es komme bzgl der Buchlage eine vorverlegung auf den Antrag in Frage. Das ist falsch, dies gilt nur für die Kenntnis. 892 II

Sebastian Schmitt
7.9.2024, 17:42:47
Hallo @[jenny24](201955), die Aufgabe hier ist recht umfangreich und mir ist nach Deiner Frage nicht wirklich klar, worauf Du Dich mit den "einleitenden Erklärungen" genau beziehst. Kannst Du das evtl präzisieren, am besten mit wörtlicher Bezugnahme auf eine konkrete der vielen Fragen? Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

CR7
6.8.2024, 21:48:54
Ich habe diesen Fall bestimmt 5x gemacht. Das ist echt nicht einfach. Folgendes habe ich mir dazu notiert, ich poste das hier rein, damit ich es selbst immer wieder nachschauen kann, aber vielleicht hilft es generell. Ausgangssituation: E ist Eigentümer eines Grundstücks. E verkauft das Grundstück an B. B lässt sich eine
Vormerkungins Grundbuch eintragen. Diese
Vormerkungsichert B's
Anspruch auf Übereignung. Zweiter Verkauf: E verkauft das Grundstück nochmal an Z. Z wird eingetragen und auch Z bekommt eine
Vormerkung. Z weiß aber von B's
Vormerkung. Z's
Vormerkungist also nachrangig. Löschung von B's
Vormerkung: Das Grundbuchamt macht einen Fehler und löscht B's
Vormerkung. Die
Vormerkungbesteht aber materiell-rechtlich weiter. Im Grundbuch steht sie nicht mehr.
Abtretungan K: Z tritt seinen Übereignungsanspruch an K ab. K weiß nichts von B's gelöschter
Vormerkung. Mit der
Abtretunggeht auch Z's
Vormerkungauf K über (wegen der Akzessorietät) Lösung: K könnte einen Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung nach
§ 894 BGBhaben.
§ 894 BGBnicht direkt anwendbar: Analogie zu
§ 894 BGB: →
§ 894 BGBregelt den Anspruch auf Grundbuchberichtigung → Direkte Anwendung: Wenn Grundbuch objektiv unrichtig → Hier: Widerspruch macht Grundbuch indirekt unrichtig → Daher: Analoge Anwendung des
§ 894 BGBnötig → Begründung: Planwidrige Regelungslücke + Ähnliche Interessenlage wie bei direkter Unrichtigkeit → Ziel: Herstellung der Übereinstimmung von Grundbuch und Rechtslage Nun prüfen, ob
Grundbuch unrichtig. Dies wäre der Fall, wenn die
Vormerkungdes B nicht besteht. Das rechtliche Problem: Jetzt hat K eine
Vormerkung, die im Grundbuch als einzige steht. Aber eigentlich ist B's
Vormerkungvorrangig. K müsste also lastenfrei erwerben, nur so kann er die
Vormerkungdes B "beseitigen". Kann K trotz dessen, dass eigentliche eine
Vormerkungdes B ins GB gehört, lastenfrei erwerben? Die Lösung des BGH: K kann gutgläubig lastenfrei erwerben, obwohl eine
Vormerkungbestand. Begründung: Der BGH wendet § 892 I BGB analog an. Das geht so: Die
Vormerkungist zwar kein dingliches Recht. Aber sie wirkt fast wie eins (siehe § 883 II BGB). K hat sich auf das Grundbuch verlassen. Da stand nix von B's
Vormerkung. Der Rechtsverkehr soll geschützt werden. Die Gegenansicht: Das geht nicht. Man kann eine
Vormerkungnicht gutgläubig erwerben, weil sie kein echtes dingliches Recht ist. Daraus ergibt sich folgende Vorgehensweise (starke Verschachtelung, hier schrittweise arbeiten): Prüfungsaufbau: Obersatz: K, mglw. Anspruch aus
§ 894 BGBanalog, kurz Analogie begründen → Voraussetzung: Unrichtigkeit des Grundbuchs → Unrichtigkeit bei unberechtigtem Widerspruch → Widerspruch unberechtigt, wenn B's
Vormerkungerloschen Prüfungsreihenfolge: → Prüfen, ob B's
Vormerkungursprünglich wirksam → Prüfen, ob
Vormerkungdurch Löschung im Grundbuch erloschen → Falls nicht erloschen: Prüfen, ob durch gutgläubigen Erwerb erloschen
Gutgläubiger Erwerbals Kernproblem: → Möglichkeit des gutgläubigen
Zweiterwerbs der
Vormerkungdiskutieren → Ansichten von BGH und Literatur gegenüberstellen → Begründen, warum BGH-Ansicht vorzugswürdig Konsequenz des gutgläubigen Erwerbs: → Bei gutgläubigem Erwerb: B's
Vormerkungerloschen → Folge: Widerspruch unberechtigt → Ergebnis:
Grundbuch unrichtig→ Anspruch aus
§ 894 BGBanalog besteht Endergebnis: → K kann Bewilligung von B verlangen Falls Frage nach Ansprüchen B → E: Relative Unwirksamkeit greift nicht, folglich ist Anspruch nach § 275 I BGB erloschen → §§ 280 I, III, 283 BGB? Mögliche Verjährung des Anspruchs prüfen Mglw. § 816 I BGB prüfen, § 823 I BGB?
Flohm
9.9.2024, 17:33:19
Vielen vielen Dank ! Unglaublich hilfreich

Myaa
9.2.2025, 21:33:16
Mögen deine Ärmel beim Händewaschen niemals nass werden 🫶🏼

rlaw
17.8.2024, 17:57:06
Die erste VSS für den § 892 I ist ein
RechtsgeschäftiSe.
Verkehrsgeschäftüber ein Recht an einem Grundstück od. ein Recht an einem solchen Recht erwirbt. Das trifft auf die
Vormerkungdoppelt nicht zu: 1) Sie ist dogmatisch kein Recht an einem Grundstück, also kein dingliches Recht sondern eben ein schuldrechtliches Sicherungsmittel eigener Art (sui generis) mit dinglicher Wirkung (= siehe auch Diskussion ob ein gutgläubiger Ersterwerb einer
Vormerkungmöglich ist) 2) Und die zweite Analogie weil die
Vormerkungnicht
rechtsgeschäftlich übertragen wird = wie hier erläutert. Oder habe ich einen Denkfehler? Super abgefahrener Fall, die Problematik lief meines Wissens im Examen in Hessen im Februar 2024 aber ohne Gewähr, habe das nur vom Hörensagen. :-)
Flohm
9.9.2024, 18:00:16
https://applink.jurafuchs.de/IKWD3QSQKMb Vielleicht hilft dir der Fall. Ich habe es selbst noch nicht 100% verstanden, glaube aber, dass dein Argument auch ein Streitpunkt ist bzw. die Lit so argumentiert.
ninamarieee
31.1.2025, 09:54:02
Teilweise wird das Argument, dass die VM nicht
rechtsgeschäftlich übertragen wird, damit umgangen, dass auf die zugrundeliegende
Abtretungder Forderung als
Rechtsgeschäftverwiesen wird, der die VM als akzessorisches Recht ja folgt. Es liegt dann zwar nur mittelbar eine
rechtsgeschäftliche Übertragung vor, das reicht aber nach dieser Ansicht und damit umgehen sie die analoge Anwendung in dieser Hinsicht

Esther
27.2.2025, 15:40:06
Ich finde, in der Aufgabe wird zu wenig zwischen ,,verkaufen'' und ,,übereignen'' unterschieden...
Leo Lee
28.2.2025, 09:27:25
Hallo Esther, vielen Dank für dein Feedback. Magst du uns vielleicht mitteilen, welche Stellen du genau monieren würdest? Da es hier um die
Vormerkungging, würde es uns sehr interessieren, wo du die entscheidendenden Schwächen hinsichtlich der Unterscheidung zw. Verkauf und Übereignung gesehen hast. Wir freuen uns auf deine Rückmeldung :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Magnum
11.3.2025, 09:44:38
Bei mir hat folgende Erkenntnis den Groschen fallen lassen: hier ist zwei mal ein
gutgläubiger lastenfreier Erwerbzu prüfen. Der gutgläubige lastenfreie Erwerb des Eigentums durch K lässt die
Vormerkungdes B erlöschen. Der gutgläubige lastenfreie
Zweiterwerb der Vormerkungverlagert nur den maßgeblichen Zeitpunkt für die Voraussetzungen des gutgläubigen Eigentumerwerbs nach vorne, sodass der Widerspruch zu spät ist. Vielleicht hilft das ja anderen auch!

LiLu
18.3.2025, 16:15:06
Wieso hat K jetzt eine lastenfreie
Vormerkungvon Z erworben, wenn doch die
Vormerkungvon Z schon belastet ist? (Die
Vormerkungdes K müsste doch belastet sein, weil die im Rangverhältnis hinter der des B steht)?

LiLu
18.3.2025, 16:15:06
Wieso hat K jetzt eine lastenfreie
Vormerkungvon Z erworben, wenn doch die
Vormerkungvon Z schon belastet ist? (Die
Vormerkungdes K müsste doch belastet sein, weil die im Rangverhältnis hinter der des B steht)?