Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2022
Gutgläubiger, lastenfreier Zweiterwerb einer Vormerkung
Gutgläubiger, lastenfreier Zweiterwerb einer Vormerkung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
E verkauft ihr Grundstück an B. Zugunsten von B wird eine Auflassungsvormerkung ins Grundbuch eingetragen. Zur Eigentumsübertragung kommt es nie. 2014 verkauft E das Grundstück an Z, ebenfalls gesichert mit einer Auflassungsvormerkung. Anfang Mai 2017 wird Bs Vormerkung fälschlich aus dem Grundbuch gelöscht. Mitte Mai 2017 verkauft Z das Grundstück an K und überträgt K ihre Vormerkung. Im Juni 2017 lässt B gegen die Löschung ihrer Vormerkung einen Widerspruch eintragen. Im März 2018 wird K als Eigentümer eingetragen.
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Einordnung des Falls
Gutgläubiger, lastenfreier Zweiterwerb einer Vormerkung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 17 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat gegen B einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs im Grundbuch aus § 894 BGB.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Wird die Zustimmung zur Löschung eines Widerspruchs im Grundbuch begehrt, ist jedoch § 894 BGB analog anwendbar.
Ja!
3. Für einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung nach § 894 BGB analog müsste der zugunsten des B eingetragene Widerspruch materiell unrichtig sein.
Genau, so ist das!
4. Ist Bs Vormerkung durch die Löschung aus dem Grundbuch materiell-rechtlich erloschen?
Nein, das trifft nicht zu!
5. Die Vormerkung könnte aber erloschen sein, wenn K das Grundstück gutgläubig, lastenfrei erworben hat (§ 892 Abs. 1 S. 1 BGB (analog)).
Ja!
6. Ist ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen, so entkräftet dieser die Richtigkeitsvermutung des § 892 BGB.
Genau, so ist das!
7. Sofern K vor Eintragung des Widerspruchs wirksam eine (lastenfreie) Vormerkung erworben hat, bleibt der Widerspruch für ihn hinsichtlich des Grundstückserwerbs ohne Bedeutung.
Ja, in der Tat!
8. Z hat zunächst von E eine wirksame Vormerkung erlangt.
Ja!
9. Hätte Zs Vormerkung ihn selbst gegenüber einem möglichen Eigentumserwerb des B schützen können?
Nein, das ist nicht der Fall!
10. Um die Vormerkung an K zu übertragen, konnte Z dem K die Vormerkung selbstständig abtreten.
Nein, das trifft nicht zu!
11. In der Literatur ist ein gutgläubiger (lastenfreier) Zweiterwerb einer Vormerkung allgemein anerkannt.
Nein!
12. Nach der Rechtsprechung ist der gutgläubige, lastenfreie Zweiterwerb einer Vormerkung möglich.
Genau, so ist das!
13. Folgt man der Rechtsprechung, hat K daher die Vormerkung von Z gutgläubig lastenfrei erworben.
Ja, in der Tat!
14. Der eingetragene Widerspruch ist unrichtig.
Ja, in der Tat!
15. Ist K tauglicher Anspruchsberechtigter eines Anspruchs nach § 894 BGB analog?
Ja!
16. B ist tauglicher Anspruchsgegner nach § 894 BGB analog.
Genau, so ist das!
17. K hat gegen B einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs aus § 894 BGB analog.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
many
1.2.2024, 11:07:16
Die Frage bzgl. der Übertragung der Forderung finde ivh etwas irreführend. Für mich erschien es so, als wäre danach gefragt worden, ob K selbständig, also ohne Zustimmung eines anderen o.ä. die Vormerkung übertragen kann. Deutlicher wäre es vlt. wenn man danach fragt, ob die Vormerkung „abgetreten/übertragen“ werden kann. So wird es ja meist in Klausuren auch bzgl der Übertragung einer Hypothek formuliert, sodass man dann zur Lösung kommt dass nur die hypothekarisch gesicherte Forderung übertragen wird bzw hier im Fall eben die durch Vormerkung gesicherte Forderung aus §433 II BGB
Gigachad1
12.4.2024, 19:12:27
Kleiner Vorgeschmack auf das was das JPA mit mir nächste Woche machen wird
Leo Lee
13.4.2024, 17:40:56
Hallo Gigachad1, das kann ich sehr gut nachvollziehen! Vor allem so kurz vor dem Examen ist man auf der Achterbahn der Gefühle; ich persönlich war auch unter sehr viel Stree – vor allem dann, wenn man einen examensrelevanten Fall (sei es hier auf Jurafuchs oder in den Rechtsprechungsübersichten) nicht auf Anhieb lösen oder verstehen konnte. Aber eines kann ich sagen: Es ist bei weitem nicht so schlimm, wie man es sich vorstellt (sowohl bei mir als auch bei allen Kommilitonen von mir)! Wichtig ist nur, dass du cool bleibst und – so klischeehaft es auch klingt – versucht mit dem Gesetz zu lösen (das bewirkt wunder). Wir wünschen dir ganz viel Erfolg und drücken dir die Daumen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Gigachad1
15.4.2024, 02:02:52
Vielen Dank :) ich gebe mein bestes, bin euch und der App echt dankbar, hat einen großen Teil meiner Vorbereitung ausgemacht
CR7
4.5.2024, 19:38:33
@[Gigachad1](241559) Ich hoffe, es ist gut gelaufen? Wo hast du geschrieben? :)
Gigachad1
2.8.2024, 14:04:23
In Berlín :) habe knapp bestanden
CR7
2.8.2024, 20:45:58
@[Gigachad1](241559) egal, bestanden ist bestanden. Kenne Leute mit 4,x im Ersten (und nur bisschen besser im Zweiten) und sind heute gut erfolgreich. Weiterhin viel Erfolg!
Gigachad1
31.8.2024, 19:35:34
danke dir! werde auch noch meinen vv machen aber bin mega froh. Habe diese Woche noch die mündliche, hoffe die zieht mich nicht noch runter
jenny24
21.6.2024, 07:44:20
leider wird in den ei leitenden Erklärungen gesagt es komme bzgl der Buchlage eine vorverlegung auf den Antrag in Frage. Das ist falsch, dies gilt nur für die Kenntnis. 892 II
Sebastian Schmitt
7.9.2024, 17:42:47
Hallo @[jenny24](201955), die Aufgabe hier ist recht umfangreich und mir ist nach Deiner Frage nicht wirklich klar, worauf Du Dich mit den "einleitenden Erklärungen" genau beziehst. Kannst Du das evtl präzisieren, am besten mit wörtlicher Bezugnahme auf eine konkrete der vielen Fragen? Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
CR7
6.8.2024, 21:48:54
Ich habe diesen Fall bestimmt 5x gemacht. Das ist echt nicht einfach. Folgendes habe ich mir dazu notiert, ich poste das hier rein, damit ich es selbst immer wieder nachschauen kann, aber vielleicht hilft es generell. Ausgangssituation: E ist Eigentümer eines Grundstücks. E verkauft das Grundstück an B. B lässt sich eine Vormerkung ins Grundbuch eintragen. Diese Vormerkung sichert B's
Anspruch auf Übereignung. Zweiter Verkauf: E verkauft das Grundstück nochmal an Z. Z wird eingetragen und auch Z bekommt eine Vormerkung. Z weiß aber von B's Vormerkung. Z's Vormerkung ist also nachrangig. Löschung von B's Vormerkung: Das Grundbuchamt macht einen Fehler und löscht B's Vormerkung. Die Vormerkung besteht aber materiell-rechtlich weiter. Im Grundbuch steht sie nicht mehr. Abtretung an K: Z tritt seinen
Übereignungsanspruch an K ab. K weiß nichts von B's gelöschter Vormerkung. Mit der Abtretung geht auch Z's Vormerkung auf K über (wegen der Akzessorietät) Lösung: K könnte einen
Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigungnach § 8
94 BGBhaben. § 8
94 BGBnicht direkt anwendbar: Analogie zu § 8
94 BGB: → § 8
94 BGBregelt den Anspruch auf Grundbuchberichtigung → Direkte Anwendung: Wenn Grundbuch objektiv unrichtig → Hier: Widerspruch macht Grundbuch indirekt unrichtig → Daher: Analoge Anwendung des § 8
94 BGBnötig → Begründung: Planwidrige Regelungslücke + Ähnliche Interessenlage wie bei direkter Unrichtigkeit → Ziel: Herstellung der Übereinstimmung von Grundbuch und Rechtslage Nun prüfen, ob Grundbuch unrichtig. Dies wäre der Fall, wenn die Vormerkung des B nicht besteht. Das rechtliche Problem: Jetzt hat K eine Vormerkung, die im Grundbuch als einzige steht. Aber eigentlich ist B's Vormerkung vorrangig. K müsste also lastenfrei erwerben, nur so kann er die Vormerkung des B "beseitigen". Kann K trotz dessen, dass eigentliche eine Vormerkung des B ins GB gehört, lastenfrei erwerben? Die Lösung des BGH: K kann gutgläubig lastenfrei erwerben, obwohl eine Vormerkung bestand. Begründung: Der BGH wendet § 892 I BGB analog an. Das geht so: Die Vormerkung ist zwar kein dingliches Recht. Aber sie wirkt fast wie eins (siehe § 883 II BGB). K hat sich auf das Grundbuch verlassen. Da stand nix von B's Vormerkung. Der Rechtsverkehr soll geschützt werden. Die Gegenansicht: Das geht nicht. Man kann eine Vormerkung nicht gutgläubig erwerben, weil sie kein echtes dingliches Recht ist. Daraus ergibt sich folgende Vorgehensweise (starke Verschachtelung, hier schrittweise arbeiten): Prüfungsaufbau: Obersatz: K, mglw. Anspruch aus §
894 BGB analog, kurz Analogie begründen → Voraussetzung:
Unrichtigkeit des Grundbuchs→ Unrichtigkeit bei unberechtigtem Widerspruch → Widerspruch unberechtigt, wenn B's Vormerkung erloschen Prüfungsreihenfolge: → Prüfen, ob B's Vormerkung ursprünglich wirksam → Prüfen, ob Vormerkung durch Löschung im Grundbuch erloschen → Falls nicht erloschen: Prüfen, ob durch gutgläubigen Erwerb erloschen Gutgläubiger Erwerb als Kernproblem: → Möglichkeit des gutgläubigen Zweiterwerbs der Vormerkung diskutieren → Ansichten von BGH und Literatur gegenüberstellen → Begründen, warum BGH-Ansicht vorzugswürdig Konsequenz des gutgläubigen Erwerbs: → Bei gutgläubigem Erwerb: B's Vormerkung erloschen → Folge: Widerspruch unberechtigt → Ergebnis: Grundbuch unrichtig → Anspruch aus §
894 BGB analogbesteht Endergebnis: → K kann Bewilligung von B verlangen Falls Frage nach Ansprüchen B → E:
Relative Unwirksamkeitgreift nicht, folglich ist Anspruch nach § 275 I BGB erloschen → §§ 280 I, III, 283 BGB? Mögliche Verjährung des Anspruchs prüfen Mglw. § 816 I BGB prüfen, § 823 I BGB?
Flohm
9.9.2024, 17:33:19
Vielen vielen Dank ! Unglaublich hilfreich
rlaw
17.8.2024, 17:57:06
Die erste VSS für den § 892 I ist ein Rechtsgeschäft iSe.
Verkehrsgeschäftüber ein Recht an einem Grundstück od. ein Recht an einem solchen Recht erwirbt. Das trifft auf die Vormerkung doppelt nicht zu: 1) Sie ist dogmatisch kein Recht an einem Grundstück, also kein dingliches Recht sondern eben ein schuldrechtliches Sicherungsmittel eigener Art (sui generis) mit dinglicher Wirkung (= siehe auch Diskussion ob ein gutgläubiger Ersterwerb einer Vormerkung möglich ist) 2) Und die zweite Analogie weil die Vormerkung nicht rechtsgeschäftlich übertragen wird = wie hier erläutert. Oder habe ich einen Denkfehler? Super abgefahrener Fall, die Problematik lief meines Wissens im Examen in Hessen im Februar 2024 aber ohne Gewähr, habe das nur vom Hörensagen. :-)
Flohm
9.9.2024, 18:00:16
https://applink.jurafuchs.de/IKWD3QSQKMb Vielleicht hilft dir der Fall. Ich habe es selbst noch nicht 100% verstanden, glaube aber, dass dein Argument auch ein Streitpunkt ist bzw. die Lit so argumentiert.