Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Allgemeiner Teil
Bedingter Tötungsvorsatz bei Schuss in den Oberschenkel?
Bedingter Tötungsvorsatz bei Schuss in den Oberschenkel?
2. April 2025
10 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T sucht D abends auf, um D einzuschüchtern. Als der fünf Meter entfernte D sich ihm unbeeindruckt nähert, schießt T mit einer Pistole auf Ds Oberschenkel. T trifft D aber in den Bauch. D bricht schreiend zusammen. T sieht, dass D sich noch bewegt und ansprechbar ist, und flieht sofort. D überlebt.
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Einordnung des Falls
Bedingter Tötungsvorsatz bei Schuss in den Oberschenkel?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T könnte sich wegen versuchten Totschlags an D strafbar gemacht haben (§§ 212, 22, 23 StGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. T hatte Tatentschluss bezüglich eines Totschlags, wenn er zumindest bedingten Vorsatz bezüglich einer Tötung des D hatte.
Ja, in der Tat!
3. Die h.M. grenzt den bedingten Vorsatz anhand des kognitiven Elements von der bewussten Fahrlässigkeit ab.
Nein!
4. Die Lebensgefährlichkeit der Tatausführung stellt ein wesentliches auf bedingten Tötungsvorsatz hinweisendes Beweisanzeichen/Indikator dar.
Genau, so ist das!
5. Ein Schuss in Richtung Oberschenkel eines Menschen ist nach Auffassung des BGH auch für Laien erkennbar eine höchstgefährliche Handlung, sodass dem T bedingter Vorsatz unterstellt werden kann.
Ja, in der Tat!
6. T könnte jedoch strafbefreiend zurückgetreten sein.
Ja!
7. Es liegt ein unbeendeter Versuch vor.
Nein, das ist nicht der Fall!
8. Indem T die weitere Tatausführung aufgegeben hat, hat er alles Erforderliche getan, um strafbefreiend zurückzutreten.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
GO
8.8.2024, 09:58:40
Hallo liebe Jurafuchs-Community, warum folgt man nicht eher der Ansicht, dass ein
unbeendeter Versuchvorliegt?
Api M.
28.10.2024, 10:19:46
Erik_1995
7.3.2025, 12:22:55
Hat der BGH seine Hemmschwellentheorie aufgegeben, wonach aus der reinen Gefährlichkeit einer Handlung nicht auf das voluntative
Vorsatzelement geschlossen werden dürfe? Denn die Lösung tut ja genau das - die Gefährlichkeit der Handlung soll belegen, dass T den Tod des D gebilligt hat und damit
vorsätzlichgehandelt hat.

Der BGBoss
20.3.2025, 00:57:50
Die Hemmschwellentheorie wurde vom 4. Senat im Urteil vom 18.6.1982, StV 1982, 509 erstmals aufgeführt. Die Literatur hat hierin schon länger eine Fehlinterpretation gesehen (als Irrweg bezeichnend Heghmanns ZIS 2012, 826 (828)). Der 4. Senat hat in BGHSt 57, 183 klar gestellt, dass er niemals eine höhere rechtliche Anforderung setzen wollte, sondern bloß einen "Hinweis auf
§ 261 StPOund die danach insbesondere bei der Prüfung des
Tötungsvorsatzes erforderliche vorsichtige Gesamtwürdigung" darstellen sollte. Ich würde sie im Gutachten entspr. unerwähnt lassen, im Zweifelsfall das obige in einem Nebensatz einfließen lassen, man weiß ja nie bei den alt eingesessenen Prüfern. :)

Sebastian Schmitt
20.3.2025, 17:24:12
Hallo @[Erik_1995](177911), ich kann mich inhaltlich zunächst den guten Hinweisen von @[Der BGBoss](69928) nur anschließen. IRd Hemmschwellentheorie wollte der BGH vor allem verhindern, dass es zu einem zu schematischen Rückschluss von der objektiven Gefährlichkeit auf die subjektive Seite kommt. Damit war aber nicht gemeint, dass die objektive Gefährlichkeit der Handlung nicht ein wesentliches Indiz (und in der Praxis manchmal sogar das einzige) sein kann, um iR einer Gesamtschau der Umstände Feststellungen zu den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen treffen zu können. Die Kritik an dieser Rspr und die tendenzielle Abkehr davon in jüngeren Entscheidungen kommt dann natürlich noch dazu. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team