Öffentliches Recht

VwGO

Widerspruchsverfahren

Frist zum Einlegen eines Widerspruchs - Einlegung bei der falschen Behörde

Frist zum Einlegen eines Widerspruchs - Einlegung bei der falschen Behörde

15. Mai 2025

10 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

X erhält am 01.01. ein Platzverbot für den öffentlichen Stadtpark der Gemeinde G. Am 15.01. reicht X einen gegen dieses Verbot gerichteten Widerspruch beim nicht zuständigen Grünflächenamt ein. Dieses leitet den Widerspruch am 02.02. an G weiter.

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Einordnung des Falls

Frist zum Einlegen eines Widerspruchs - Einlegung bei der falschen Behörde

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet (§ 40 Abs. 1 VwGO). Ist der Verpflichtungswiderspruch statthaft?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO ist die erfolglose Durchführung eines behördlichen Widerspruchsverfahrens nach Maßgabe der §§ 69ff. VwGO grundsätzlich eine Zulässigkeitsvoraussetzung im Rahmen der Anfechtungsklage. Ausnahmen hiervon bestehen nach § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO. Richtet sich das Klagebegehren auf die Aufhebung eines Verwaltungsakts (§ 35 S. 1 VwVfG), ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft. X Rechtsschutzziel ist die Aufhebung des erlassenen Aufenthaltsverbots (= Verwaltungsakt). Statthaft ist daher der Anfechtungswiderspruch (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO).
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2. X müsste bei der Einlegung des Widerspruchs die Form und Frist des § 70 Abs. 1 VwGO eingehalten haben.

Ja!

§ 70 Abs. 1 VwGO regelt Anforderungen an Form und Frist des Widerspruchs: Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts bei der Erlassbehörde oder der Widerspruchsbehörde zu erheben.

3. X hat durch seinen Widerspruch beim Grünflächenamt ordnungsgemäß Widerspruch eingelegt (§ 70 Abs. 1 VwGO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Gemäß § 70 Abs. 1 VwGO ist der Widerspruch bei der Erlass- oder der Widerspruchsbehörde einzulegen. Ist dies nicht der Fall, liegt kein ordnungsgemäßer Widerspruch vor. Ordnungsgemäß erhoben ist der Widerspruch erst, wenn er bei der zuständigen Behörde eingeht. Zwar muss die unzuständige Behörde den Widerspruch im Rahmen der Amtshilfe weiterleiten. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Widerspruch ordnungsgemäß erhoben wurde. Dies widerspräche dem Wortlaut von § 70 VwGO. Eine Verzögerung bei der Weiterleitung ist grundsätzlich kein Wiedereinsetzungsgrund nach § 70 Abs. 2 i.V.m. § 60 VwGO. Das Risiko der Verzögerung trägt also grundsätzlich der Widerspruchsführer.

4. X Widerspruch hat G erst erreicht, als die Frist aus § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO bereits abgelaufen war. Ist der Widerspruch trotzdem zulässig?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach § 70 Abs. 1 S. 1, 2 VwGO ist der Widerspruch innerhalb eines Monats bei der Erlass- oder der Widerspruchsbehörde einzulegen. Legt der Widerspruchsführer den Widerspruch bei einer unzuständigen Behörde ein, wird die Widerspruchsfrist damit nicht gewahrt. Die unzuständige Behörde muss den Widerspruch unverzüglich im normalen Geschäftsgang an die zuständige Behörde weiterleiten. Nur wenn er dort innerhalb der Widerspruchsfrist eingeht, ist diese gewahrt. Die Widerspruchsfrist endete am 01.02. um 24 Uhr (§§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Er war damit zum Zeitpunkte der Weiterleitung an die zuständige Behörde am 02.02. bereits verfristet. X Widerspruch ist unzulässig. Bei besonderen Umständen, z.B. bei Unklarheiten über die Zuständigkeit, hat die Rspr. unter Hinweis auf die Einheit der Verwaltung den bei der unzuständigen Behörde eingelegten Widerspruch als fristwahrend behandelt. Auf eine solche Ausnahme würdest Du aber i.d.R. ausdrücklich im Sachverhalt gestoßen werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

AME

Amelie7

24.3.2025, 17:09:51

Eine Wiedereinsetzung kommt hier nicht in Betracht?

AME

Amelie7

24.3.2025, 17:14:11

§ 17a Abs. 2 S. 1 GVG ist dann nur für Klagen und nicht analog für den Widerspruch anwendbar? (s. Fall unten) https://applink.jurafuchs.de/WLHRDe6a0Rb

PAUHE

Paul Hendewerk

16.4.2025, 19:04:35

Also Schenke schreibt dazu in seinem Kommentar, die Einlegung des Widerspruchs bei einer Behörde, die weder Ausgangs- noch Widerspruchsbehörde ist, wahrt die Frist nicht. Allerdings ist Behörde dazu verpflichtet, den Widerspruch weiterzuleiten. Wenn der Widerspruch jetzt der Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde vor Ablauf der Frist zugeht oder unter gewöhnlichen Umständen mit fristwahrender Weiterleitung hätte gerechnet werden können, ist die

Widerspruchsfrist

gewahrt.

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

17.4.2025, 21:53:19

Hallo @[Amelie7](262107) und @[Paul Hendewerk](274540), ich würde vorliegend auch eine analoge Anwendbarkeit verneinen. Einerseits handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, auf die explizit und nur hinsichtlich der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit (der Gerichte) verwiesen wird, um ihre Anwendbarkeit zu begründen. Andererseits liegt auch keine vergleichbare Interessenlage vor, da die Gerichte eben grundsätzlich anders strukturiert sind als die Behörden. Um nur einen wesentlichen Unterschied aufzuzählen: Für die Verweisung muss nach den §§ 17 ff. GVG ein

Beschluss

erlassen werden, was Behörden nicht können. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team


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