Reichweite des Zeugnisverweigerungsrechts

25. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen A wegen Betruges und gegen T wegen Beihilfe. Das Verfahren gegen T wird nach § 153 StPO eingestellt, A wird angeklagt. Im Prozess sagt Ts Bruder B aus und A wird verurteilt. Über ein Zeugnisverweigerungsrecht wird B nicht belehrt.

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Einordnung des Falls

Reichweite des Zeugnisverweigerungsrechts

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Zeugnisverweigerungsrecht eines Angehörigen besteht nur in Bezug auf den angehörigen Beschuldigten, nicht auf dessen Mitangeklagten (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO).

Nein!

Im Verfahren gegen mehrere Beschuldigte kann der Angehörige das Zeugnis in vollem Umfang verweigern, wenn diese Aussage auch seinen Angehörigen betrifft, da er sonst Gefahr läuft, diesen zumindest mittelbar zu belasten. Dabei ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass in irgendeinem Verfahrensabschnitt gegen die Beschuldigten ein zusammenhängendes einheitliches Verfahren bezüglich desselben historischen Geschehens anhängig war. Die bloße Gleichzeitigkeit der Ermittlungen genügt dagegen nicht.
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2. Ein Zeugnisverweigerungsrecht des B scheidet hier jedoch aus, da das Verfahren gegen T bereits nach § 153 StPO eingestellt war.

Nein, das ist nicht der Fall!

Vorliegend wurde gegen A und T bis zur Einstellung des Verfahrens gegen T (§ 153 StPO) gemeinsam ermittelt. Das Weigerungsrecht besteht auch hinsichtlich A, wenn die Aussage auch T betrifft. Das Recht erlischt nur, wenn der Angehörige mittlerweile verstorben oder das Verfahren gegen ihn rechtskräftig abgeschlossen ist, da dann die Gefahr, den Angehörigen zu belasten, nicht mehr besteht.Durch die Einstellung nach § 153 StPO wird das Verfahren gegen T nicht rechtskräftig beendet. Gerade, wenn durch neue Tatsachen und Beweismittel eine schärfere rechtliche Beurteilung des Handelns des T angezeigt ist, kann das Verfahren gegen ihn jederzeit wieder aufgenommen werden. B hatte deshalb weiterhin ein Zeugnisverweigerungsrecht.

3. Kann A somit erfolgreich in Revision gehen (§ 52 Abs. 3 S. 1 StPO, § 337 Abs. 1 StPO)?

Nein, das trifft nicht zu!

B wurde zwar nicht über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt (§ 52 Abs. 3 S. 1 StPO). Das Zeugnisverweigerungsrecht schützt aber nur B und T in Bezug auf ihr Verwandtschaftsverhältnis, nicht den A. Dieser kann nur reflexhaft davon profitieren, wenn der B das Zeugnis verweigert. In seinem Rechtskreis betroffen und damit beschwert ist er allerdings nicht. Er kann eine Revision somit nicht auf diesen Verfahrensverstoß stützen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Johaennzen

Johaennzen

24.9.2024, 17:03:20

In M-G/S § 52 StPO Rn. 34 heißt es jedoch, dass das Unterlassen der Belehrung nach III S. 1 nach der Rspr. "außer dem Angeklagten auch Mitangeklagte rügen können, zu deren Ungunsten die Aussage verwertet worden ist". Die Lösung verneint ein Beruhen jedoch vor dem Hintergrund, dass nicht in den Rechtskreis eingegriffen wurde. Stimmt das?

Mathis

Mathis

17.11.2024, 13:53:56

Der 5. StS hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 (NStZ 2012, 221, 222) in einem obiter dictum angedeutet, dass er der in der Aufgabe dargestellten Lösung zuneigt: "Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob in den genannten Fällen – entgegen der dargestellten überkommenen Rechtsprechung – das Zeugnisverweigerungsrecht nur so lange Bestand haben kann, wie sich das Verfahren im Zeitpunkt der Entscheidung über das Verweigerungsrecht noch gegen einen angehörigen Angekl. richtet und nicht – davon gelöst – lediglich als Rechtsreflex auch Nichtangehörige begünstigt..." Dem folgend wollen jetzt u.a. MG/S § 52 Rn. 12 und KK-StPO/Bader § 52 Rn. 46 dem nicht angehörigen Mitbeschuldigten das Rügerecht versagen. Eine tragende Entscheidung des BGH gibt es dazu aber wohl noch nicht. Daher würde ich in der Klausur weiterhin von den in MG/S § 52 Rn. 34 dargestellten Grundsätzen ausgehen.


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