Referendariat

Die Revisionsklausur im Assessorexamen

Begründetheit I: Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen

Strafklageverbrauch nach Einstellung wegen geringfügiger Schuld, § 153 Abs. 2 StPO

Strafklageverbrauch nach Einstellung wegen geringfügiger Schuld, § 153 Abs. 2 StPO

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird wegen dreifachen Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) angeklagt. Das Verfahren wird vom Gericht wegen Geringfügigkeit eingestellt. Kurze Zeit später stellt sich heraus, dass A die Taten als Teil einer Bande begangen hat (§ 263 Abs. 5 StGB). Er wird erneut wegen des Betruges angeklagt und verurteilt.

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Einordnung des Falls

Strafklageverbrauch nach Einstellung wegen geringfügiger Schuld, § 153 Abs. 2 StPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Einstellung des Gerichts wegen Geringfügigkeit (§ 153 Abs. 2 StPO) führt zum Strafklageverbrauch für die betroffene prozessuale Tat.

Ja!

Anders als § 153a Abs. 1 S. 5 StPO ist bei der Einstellung des Gerichts wegen Geringfügigkeit (§ 153 Abs. 2 StPO) kein ausdrücklicher Strafklageverbrauch vorgesehen. Für einen solchen spricht aber das nach dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) geschützte Vertrauen darauf, dass die mit dem Abschluss des Verfahrens verknüpften gesetzlichen Rechtsfolgen bestehen bleiben. Auch sieht § 153 Abs. 2 S. 4 StPO die Unanfechtbarkeit der Einstellung vor. Diese Bestimmung würde ausgehöhlt, wenn man die Einstellung nicht anfechten könnte, die Staatsanwaltschaft aber auch nicht gehindert wäre, durch eine neue Anklageerhebung die Verfahrensbeendung durch die Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO zu umgehen. Die Anordnung der Unanfechtbarkeit gilt nicht für die Einstellung durch die Staatsanwaltschaft (§ 153 Abs. 1 StPO), weshalb bei dieser kein Strafklageverbrauch angenommen wird.
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2. Das Revisionsgericht hebt wegen der Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO das Urteil auf und stellt das Verfahren ein (§ 354 Abs. 1 StPO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Durch die Einstellung nach § 153 StPO tritt nach dem Rechtsgedanken des § 153a Abs. 1 S. 5 StPO nur ein partieller Strafklageverbrauch ein. Denn wenn sogar für die Einstellung unter Auflage (§ 153a StPO) die spätere Verfolgung der Tat als Verbrechen möglich ist, kann für die Einstellung nach § 153 StPO nichts anderes gelten. Das Vertrauen auf die Einstellung ist hier sogar weniger schützenswert, da dem Beschuldigten bei § 153 StPO keine Belastungen auferlegt werden. Das Verfahren kann wieder aufgegriffen werden, wenn sich die Tat später als Verbrechen darstellt. Der gewerbs- und bandenmäßige Betrug (§ 263a Abs. 5 StGB) wird mit Strafe von einem bis zu zehn Jahren bestraft. Es liegt ein Verbrechen vor (§ 12 Abs. 1 StGB). Die Strafklage ist nicht durch die Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO verbraucht.

3. Nach einer Literaturmeinung genügt für die Durchbrechung des Strafklageverbrauchs nach § 153 StPO das Vorliegen neuer Tatsachen auch dann, wenn dadurch kein Verbrechen vorliegt.

Ja, in der Tat!

Ein Teil der Literatur will eine Wiederaufnahme nach dem Rechtsgedanken des § 211 StPO immer ermöglichen, wenn neue Tatsachen hinzutreten. Der BGH lehnt dies ab. Die Ablehnung des Eröffnungsbeschlusses, die einer Wiederaufnahme nach § 211 StPO vorausgeht, unterscheide sichstrukturell von der Einstellung nach § 153 StPO. Da die Einstellung des Gerichts (§ 153 Abs. 2 StPO) regelmäßig in der Hauptverhandlung erfolge und Staatsanwaltschaft und Angeschuldigter mitwirken müssen, bestünden gegenüber dem Ablehnungsbeschluss mehr Möglichkeiten für eine sachgerechte Ermittlung der Schuld. Das Vertrauen des Angeklagten in die Einstellung sei so stärker und schützenswerter als das Vertrauen in die Ablehnung der Eröffnung.
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