Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen

Die ZVR-Klausur

Vollstreckungsabwehrklage, § 767 ZPO

Fortbestehende Sachbefugnis des Zedenten bis zur Titelumschreibung trotz Abtretung, aber fehlende Aktivlegitimation

Fortbestehende Sachbefugnis des Zedenten bis zur Titelumschreibung trotz Abtretung, aber fehlende Aktivlegitimation

28. Mai 2025

6 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B tritt seinen durch Urteil titulierten Anspruch gegen K an C ab. Noch bevor C eine Titelumschreibung erwirken kann, um gegen K zu vollstrecken, leitet B trotz der Abtretung und gegen Cs Willen die Zwangsvollstreckung ein. Daraufhin erhebt K Vollstreckungsabwehrklage gegen B und C.

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Einordnung des Falls

Fortbestehende Sachbefugnis des Zedenten bis zur Titelumschreibung trotz Abtretung, aber fehlende Aktivlegitimation

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Für beide Klagen ist das Gericht zuständig, welches den Anspruch des B gegen K tituliert hat (§ 767 Abs. 1 ZPO).

Ja, in der Tat!

Für eine Vollstreckungsabwehrklage, die sich gegen die Vollstreckung aus einem Urteil richtet, ist nach § 767 Abs. 1 ZPO ausschließlich (§ 802 ZPO) das Prozessgericht des ersten Rechtszugs zuständig. B und C betreiben die Vollstreckung aus einem Urteil. Für eine Vollstreckungsabwehrklage hiergegen ist daher das Prozessgericht des ersten Rechtszugs bzw. dasjenige Gericht zuständig, welches den Anspruch des B gegen K tituliert hat.
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2. K ist sachbefugt.

Ja!

Der Kläger einer Vollstreckungsabwehrklage ist sachbefugt, wenn der Titel, aus dem die Vollstreckung durch den Beklagten droht, ihn als Vollstreckungsschuldner benennt. Der Anspruch des B gegen K wurde durch ein Urteil tituliert. Der so entstandene Titel benennt also K als Vollstreckungsschuldner.

3. Bs Sachbefugnis ist entfallen, als er den titulierten Anspruch an C abgetreten hat.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Beklagte einer Vollstreckungsabwehrklage ist sachbefugt, wenn der Titel, aus dem die Vollstreckung durch den Beklagten droht, ihn als Vollstreckungsgläubiger benennt. Dies gilt selbst dann, wenn er den titulierten Anspruch bereits an einen Dritten abgetreten hat. Solange keine Titelumschreibung auf den Zessionar erfolgt ist (§§ 727, 731 ZPO), bleibt seine Sachbefugnis trotz fehlender Anspruchsinhaberschaft erhalten. C konnte noch keine Titelumschreibung erwirken. Folglich benennt der Titel, also das gegen K ergangene Urteil, noch B als Vollstreckungsgläubiger. B ist damit immer noch sachbefugt.

4. B ist auch nach der Abtretung noch aktivlegitimiert.

Nein, das trifft nicht zu!

Aktivlegitimiert ist grundsätzlich derjenige, der auf materiell-rechtlicher Ebene Inhaber des geltend gemachten Rechts ist. B hat seinen durch Urteil titulierten Anspruch gegen K an C abgetreten. Inhaber des Anspruchs ist somit nicht mehr B, sondern C. B ist daher nicht mehr aktivlegitimiert. Die fehlende Aktivlegitimation des B könnte nur dadurch überwunden werden, dass C ihn zu seinem Vollstreckungsstandschafter macht, indem er ihm eine materiell-rechtliche Einziehungsermächtigung nach § 185 BGB analog erteilt.

5. Die fehlende Aktivlegitimation des B stellt eine materiell-rechtliche Einwendung im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO dar.

Ja!

In einer Vollstreckungsabwehrklage können nach § 767 Abs. 1 ZPO materiell-rechtliche Einwendungen gegen den titulierten Anspruch geltend gemacht werden. Neben anderen Einwendungen und Einreden stellt auch die fehlende Aktivlegitimation (= Anspruchsinhaberschaft) eine Einwendung im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO dar. Durch die Abtretung des titulierten Anspruchs an C hat B seine Aktivlegitimation verloren. Dies stellt eine Einwendung im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO dar.

6. C ist sachbefugt, obwohl noch keine Titelumschreibung stattgefunden hat.

Genau, so ist das!

Der Beklagte einer Vollstreckungsabwehrklage ist grundsätzlich nur dann sachbefugt, wenn der Titel, aus dem die Vollstreckung durch den Beklagten droht, ihn als Vollstreckungsgläubiger benennt. Eine Ausnahme gilt bei Abtretungen. Die Sachbefugnis des Zessionars des titulierten Anspruchs wird auch ohne dessen Benennung im Titel bejaht, wenn die Voraussetzungen für eine Titelumschreibung auf ihn vorliegen (§§ 727, 731 ZPO). Denn auch dann besteht seinerseits bereits eine Vollstreckungsgefahr, die durch eine gegen ihn gerichtete Vollstreckungsabwehrklage abwendbar sein muss. Mangels Titelumschreibung benennt der Titel bzw. das gegen K ergangene Urteil noch B als Vollstreckungsgläubiger. Als Rechtsnachfolger des B kann C jedoch nach §§ 727, 731 ZPO eine Titelumschreibung erwirken. Er ist daher trotzdem sachbefugt. Die Klage gegen ihn ist aber erfolglos, da C infolge der Abtretung berechtigter Inhaber der Forderung ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SDEE

SDee

5.6.2024, 17:29:59

Gibt es einen Grund dafür, dass ihr im Fall keine volle Fundstelle angebt, sondern erst später bei den Quellen?

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

25.3.2025, 17:47:50

Hallo @[SDee](210296), danke für Deine Frage. Das basiert auf alten Darstellungen in unserer ursprünglichen App, die mit Platzgründen zu kämpfen hatte. Mittlerweile hinterlegen wir in der Datenbank auch die Art der Entscheidung (Urteil,

Beschluss

) sowie natürlich auch

das Aktenzeichen

. Das wird ggf. in Zukunft auch ganz vorne angezeigt werden, ist aber in der Umsetzung nicht prioritär. Wie Du richtig sagst, findest Du ja in jeder Entscheidung auch ganz unten in den Fundstellen die komplett zitierte Entscheidung. Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team

Katzenkönigin

Katzenkönigin

29.8.2024, 20:00:01

Hier im Bsp. fehlt die Darstellung, dass C mit der Zwangsvollstreckung droht. Laut Kaiser muss C die Rechtsnachfolgeklausel haven können UND diese nämlich androhen

Sinan

Sinan

17.10.2024, 17:05:04

Kaiser dürfte hier irren. In dem bei Kaiser angeführten Th/P § 767 Rn. 19 steht: Nach einer Forderungsabtretung kann schon vor Umschreibung gegen den tatsächlich Berechtigten geklagt werden, falls von ihm die ZwVollstr droht; diese Gefahr besteht indessen nur, sofern die (mat) Voraussetzungen der Umschreibung nach § 727 vorliegen. Damit erschöpft sich die Voraussetzung der drohenden ZwVollstr wie auch hier in dem Vorliegen der Voraussetzungen der Umschreibung, weil genau ja deshalb bereits die ZwVollstr droht. Ein Androhen ist - wie sonst auch bei § 767 - nicht notwendig.

Dolo Agate

Dolo Agate

27.2.2025, 08:51:40

Angenommen K klagt gegen beide, weil unklar ist, ob die Abtretung wirksam war (bspw irgendwelche BGB AT Probleme) und gegen den einen geht die

Vollstreckungsabwehrklage

durch, gegen den anderen nicht, aber das hätte er im Vorfeld nicht wissen können, trägt er (der Kläger) trotzdem die Prozesskosten soweit die Klage abgewiesen wird und könnte er zur Vermeidung der Kostenlast eine

Eventualklagehäufung

stellen?

PH

PhilippRhein

13.4.2025, 13:33:50

Liebe @[Dolo Agate ](209764), ja, eine Klagehäufung dürfte hier zulässig sein. Das Kostenrisiko hierbei ist aber geringer, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn beide Klagen betreffen - zumindest wenn allein über die Wirksamkeit der Abtretung gestritten wird - wohl denselben Gegenstand im Sinne des 45 Abs. 1 S. 3 GKG. Die Begrundetheit der einen

Vollstreckungsabwehrklage

ginge nämlich mit der Un

begründetheit

der anderen einher. Insofern bedürfte es keines Eventualverhältnisses der Anträge, um das Kostenrisiko zu begrenzen.


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