+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

S kauft von G ein Grundstück. S unterwirft sich hinsichtlich der Kaufpreiszahlung der sofortigen Zwangsvollstreckung. G will vollstrecken. S erhebt Vollstreckungsabwehrklage und legt Kontoauszüge vor, die die Überweisung des Geldes belegen sollen. G bestreitet den Zahlungseingang mit Nichtwissen.

Einordnung des Falls

Materiell-rechtliche Einwendungen / Erfüllung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Vollstreckungsabwehrklage des S (§ 767 ZPO) ist zulässig.

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Ja!

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) lauten: (1) Statthaftigkeit, (2) Zuständigkeit des Gerichts, (3) Rechtsschutzbedürfnis. S richtet sich mit dem materiell-rechtlichen Einwand, er habe bereits gezahlt und so den Anspruch erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB), gegen den titulierten Anspruch. Der Titel ist hier die notarielle Unterwerfungserklärung (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO); die Vorschrift des § 767 ZPO gilt daher nach § 795 ZPO entsprechend. Die Klage (§ 767 ZPO) ist statthaft. G will vollstrecken, sodass für S auch ein Rechtsschutzbedürfnis besteht.

2. Die Vollstreckungsabwehrklage des S ist begründet, wenn er den Kaufpreis tatsächlich überwiesen hat.

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Genau, so ist das!

Die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) ist begründet, wenn (1) die Sachbefugnis vorliegt, (2) dem Kläger eine materiell-rechtliche Einwendung gegen den titulierten Anspruch zusteht und (3) diese nicht präkludiert (§ 767 Abs. 2 ZPO) ist. S und G sind als Vollstreckungsschuldner bzw. -gläubiger sachbefugt. Die materiell-rechtliche Einwendung der Erfüllung steht dem S zu, wenn dieser tatsächlich den Kaufpreis an G gezahlt hat. In dem Fall wäre der Anspruch des G erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Eine Präklusion kommt bei einer notariellen Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) nicht in Betracht, weil sie nicht der materiellen Rechtskraft fähig ist.

3. Die Klage ist begründet, obwohl G den Zahlungseingang mit Nichtwissen bestritten hat.

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Ja, in der Tat!

Derjenige, für den die Tatsache günstig ist, ist nach den allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweispflichtig. Das Bestreiten mit Nichtwissen ist unzulässig (§ 138 Abs. 4 ZPO), wenn die behauptete Tatsache eine eigene Handlung der Partei oder Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen ist. Die Tatsache der erfolgten Banküberweisung ist für S günstig, sodass er darlegungs- und beweispflichtig ist. Seiner Darlegungslast kommt S mit der Vorlage der Kontoauszüge nach. G kann ganz einfach sein Konto auf Geldeingänge überprüfen (Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung), sodass ein Bestreiten mit Nichtwissen unzulässig ist. Das hat zur Folge, dass das auf die Erfüllung bezogene Vorbringen des S als zugestanden gilt (§ 138 Abs. 3 ZPO). Damit muss das Gericht die Zahlung als erfolgt ansehen. Die Klage des S ist begründet.

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TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

26.7.2020, 07:54:23

Hallo und danke für diesen Fall :) Zwei Anmerkungen habe ich dazu: 1. Im Sachverhalt irgendwo in der Mitte erhebt S Klage (welche ist mir nicht ganz klar) und am Ende erhebt er Vollstreckungsabwehrklage. Das klingt nach zwei Klagen, stimmt das? 2. Bei der letzten Frage würde ich mich über eine genauere Erklärung freuen, warum das Bestreiten mit Nichtwissen hier unzulässig ist. VG und vielen Dank im Voraus!

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

26.7.2020, 09:10:49

Hi, danke für Deine Anmerkungen! 1. Den Sachverhalt haben wir korrigiert. S erhebt tatsächlich nur eine Klage (Vollstreckungsabwehrklage). 2. Zum Bestreiten mit Nichtwissen werden wir den Hinweistext vertiefen. Bitte noch ein wenig Geduld. Danke!

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

26.7.2020, 10:00:03

Cool, danke! :)

Fiat Iustitia!

Fiat Iustitia!

26.5.2021, 11:51:25

Ich würde behaupten, dass das Bestreiten mit Nichtwissen gem 138 IV ZPO hier nicht nur daran scheitert, sondern auch weil das Bestreiten mit Nicht wissen ja sogar noch ein "Minus" zum einfachen Bestreiten, also dem "stimmt nicht"-Vortrag ist. Selbst einfaches Bestreiten würde hier aber m.E nicht ausreichen, da S mit den Kontoauszügen doch qualifiziert vorträgt. Die Beweiskraft der Kontoauszüge müsste G erschüttern, sonst gilt 138 III ZPO. Das für das einfache Bestreiten gesagte muss erst Recht für das Bestreiten mit Nichtwissen. lange Rede, kurzer Sinn: vllt noch aufnehmen, dass G hier mit Nicht wissen ohnehin nicht ausreichend bestreiten kann.

BB

bibu knows best

18.8.2022, 11:28:54

Müsste das Gericht dem G einen rechtlichen Hinweis erteilen, dass das bestreiten mit Nichtwissen unzulässig ist?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.9.2022, 11:02:58

Hallo bibu knows best, das unzulässige Bestreiten löst die Geständnisfunktion des § 138 Abs. 3 ZPO aus. Um also eine Überraschungsentscheidung zu vermeiden, wäre insoweit ein richterlicher Hinweis vonnöten (vgl. § 139 Abs. 2 ZPO). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

YA

Yannik

28.7.2023, 13:18:32

Für die Nichtanwendbarkeit von § 767 II ZPO könnte man hier noch den dies ausdrücklich regelnden § 797 IV ZPO zitieren, da in Klausuren §§ immer gerne gesehen sind ;)

EV

evanici

9.9.2023, 14:00:34

Also muss S nicht beweisen, dass die Erklärung mit Nichtwissen unzulässig ist i.S.d. § 138 IV, sondern dass er überwiesen hat, weil nur die Erfüllung materiell-rechtlich ist? Im Prinzip tut er ja beides mit der Vorlage der Kontoauszüge...

BE

BeepBoop

3.10.2023, 11:50:46

Man kann nicht beweisen, dass eine Erklärung mit Nichtwissen unzulässig ist. Das ist eine Rechtsfrage, die vom Gericht zu prüfen ist, und keine Tatsache. Man kann im Prozess nur dazu vortragen, dass man der Ansicht ist, dass die gegnerische Erklärung nach 138 IV unzulässig ist. Ob S Geld tatsächlich überwiesen hat, ist hingegen eine Tatsache.


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