Schranken des Art. 5 Abs. 3 GG - Nägeli

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Sprayer S sprüht in ganz Speyer zum Spaß Figuren und Schriftzüge an öffentliche und private Bauwerke. Deshalb wird S zu einer Geldstrafe verurteilt. Dabei berücksichtigt das Gericht auch S‘ Kunstfreiheit. S sieht sich trotzdem in seiner Kunstfreiheit verletzt. ‌

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Einordnung des Falls

Schranken des Art. 5 Abs. 3 GG - Nägeli

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Da die Inanspruchnahme des Eigentums Dritter schon nicht in den Schutzbereich der Kunstfreiheit fällt, stellt das strafrechtliche Urteil keinen Eingriff in S‘ Kunstfreiheit dar (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Kunstfreiheit schützt die die künstlerische Betätigung und damit sowohl den Prozess des Schaffens von Kunst (der sog. „Werkbereich“) sowie die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks (den „Wirkbereich“). Die Reichweite des Schutzbereiches der Kunstfreiheit erstreckt sich dabei grundsätzlich auch auf die eigenmächtige Inanspruchnahme oder Beeinträchtigung fremden Eigentums zum Zwecke der künstlerischen Entfaltung. Ob die Kunstfreiheit im Einzelfall zurücktritt, ist eine Frage der Rechtfertigung. Auch wenn S seine Graffitis auf fremden Eigentum anbringt, fällt sein Verhalten in den Anwendungsbereich der Kunstfreiheit. Durch das Urteil wird er potenziell von weiteren Sprayaktionen abgehalten, sodass die Verurteilung jedenfalls in seinen Wirkbereich eingreift.Zum Zeitpunkt der zugrundeliegenden Entscheidung hatte das BVerfG noch vertreten, dass bei Verletzungen des Eigentums Dritter bereits der Schutzbereich nicht eröffnet sei. Davon ist es mittlerweile abgerückt.
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2. Da die Kunstfreiheit schrankenlos gewährt wird (vgl. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG), ist der Eingriff in S‘ Kunstfreiheit nicht gerechtfertigt, sondern verletzt seine Kunstfreiheit.

Nein!

Die Grundrechte des GG gelten - mit Ausnahme der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) - nicht absolut. Auch vorbehaltlos gewährte Grundrechte - wie die Kunstfreiheit - unterliegen zumindest den verfassungsimmanenten Schranken kollidierenden Verfassungsrechts. Sie sind mit kollidierenden Verfassungsgütern - also mit Grundrechten Dritter sowie sonstigen Verfassungswerten - in möglichst schonenden Ausgleich zu bringen (praktische Konkordanz).  S' Kunstfreiheit steht hier im Widerspruch zum Eigentumsrecht der betroffenen Hauseigentümer. Während hier die Eigentümer einen substantiellen Vermögensschaden erleiden, geht es S allein um seinen Spaß. Seinem Hobby könnte er aber grundsätzlich auch an dafür vorgesehenen Orten nachkommen, ohne dafür fremdes Eigentum zu beschädigen. Somit verletzt die Verurteilung nicht S' Recht auf künstlerische Betätigungsfreiheit.Anders wäre dies z.B., wenn das Strafgericht bereits die Reichweite der Kunstfreiheit verkannt und schon den Schutzbereich nicht für eröffnet gehalten hätte.
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