Strafrecht

Strafprozessrecht

Einführung

Rechtsquellen des formellen Strafrechts - Grundgesetz (GG)

Rechtsquellen des formellen Strafrechts - Grundgesetz (GG)

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird wegen des Mordes (§ 211 StGB) an seinem Nachbarn angeklagt. Das Gericht ist von seiner Schuld nicht überzeugt und spricht ihn frei. Staatsanwältin S lässt das keine Ruhe. Am nächsten Tag erhebt sie erneut Anklage mit demselben Inhalt gegen A.

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Einordnung des Falls

Rechtsquellen des formellen Strafrechts - Grundgesetz (GG)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Art. 103 Abs. 3 GG postuliert das sogenannte Doppelbestrafungsverbot (ne bis in idem).

Ja!

Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden (ne bis in idem, Art. 103 Abs. 1 GG). Dieser Grundsatz garantiert dem schon bestraften oder rechtskräftig freigesprochenen Täter grundsätzlich Schutz gegen erneute Verfolgung und Bestrafung wegen derselben prozessualen Tat (vgl. § 264 StPO). Zwar gebietet die materielle Gerechtigkeit eine tat- und schuldangemessene Bestrafung. Nach der Durchführung eines ordnungsgemäßen Strafverfahrens, das durch Sachurteil beendet wird, überwiegt aber regelmäßig das Interesse an der Rechtssicherheit durch endgültigen Abschluss des Verfahrens.
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2. Der Grundsatz ne bis in idem verbietet nur die erneute Bestrafung, sodass die bloße erneute Strafverfolgung sowie die Bestrafung nach erfolgten Freispruch mit Art. 103 Abs. 3 GG vereinbar ist.

Nein, das ist nicht der Fall!

Folgt man dem Wortlaut des Art. 103 Abs. 3 GG, so verbietet der Grundsatz ne bis in idem lediglich die erneute Bestrafung. Die Interessenlage ist jedoch dieselbe, wenn der Betroffene zuvor freigesprochen wurde und auch dann, wenn gegen denjenigen nur erneut ermittelt wird. In beiden Fällen geht mit dem neuen Verfahren eine hohe Belastung für den Betroffenen und auch für Geschädigte oder Zeugen einher und in beiden Fällen leidet das Vertrauen an der Bestandskräftigkeit von Entscheidungen der Justiz. Über seinen Wortlaut hinaus verbietet Art. 103 Abs. 3 GG deshalb auch die erneute Strafverfolgung nach Freispruch.

3. Vorliegend klagt S den A wegen „derselben Tat” erneut an (Art. 103 Abs. 3 GG).

Ja, in der Tat!

Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals angeklagt werden (Art. 103 Abs. 1 GG). Entscheidend ist der geschichtliche Vorgang, auf welchen Anklage und Eröffnungsbeschluss hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte als Täter oder Teilnehmer einen Straftatbestand verwirklicht haben soll.Am Inhalt der Anklage ändert sich nichts. S klagt den A wegen desselben Geschehensablaufs und damit wegen derselben Tat erneut an.Hier lernst du den sogenannten prozessualen Tatbegriff kennen. Dieser wird dir im Strafprozess immer wieder begegnen und ist streng vom materiellen Tatbegriff (vgl. §§ 52ff. StGB) zu unterscheiden.

4. Ist das Doppelbestrafungsverbot hier unmittelbar anwendbar, wäre eine erneute Anklage gegen A unzulässig.

Ja!

Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden (Art. 103 Abs. 1 GG).S klagt den A erneut wegen des Mordes an, hinsichtlich dessen A schon freigesprochen wurde. Am Inhalt der Anklage ändert sich nichts, auch das Vorliegen neuer Beweismittel oder ähnliches ist nicht ersichtlich. Der Grundsatz ne bis in idem umfasst auch das Verbot einer erneuten Strafverfolgung nach einem Freispruch in derselben Sache. Damit verböte der Grundsatz ne bis in idem hier die erneute Anklage des A.

5. S argumentiert, in der StPO sei das Doppelbestrafungsverbot - was zutrifft - nicht ausdrücklich normiert. War eine erneute Anklage gegen A damit möglich?

Nein, das ist nicht der Fall!

Es ist zwar richtig, dass der Grundsatz ne bis in idem in der StPO nicht ausdrücklich niedergeschrieben steht. Jedoch das Grundgesetz als übergeordnetes Recht und objektive Rechtsordnung nicht nur in die StPO hinein, sondern ist gegebenenfalls auch unmittelbar anwendbar. So ist es mit dem Grundsatz ne bis in idem in Art. 103 Abs. 3 GG, der hier die erneute Anklage verbietet. Verfahrensrechtlich errichtet Art. 103 Abs. 3 GG ein Prozesshindernis, das zur Einstellung des Verfahrens führt und begründet zugleich auch die Verfassungswidrigkeit einer erneuten Einleitung eines Strafverfahrens.Erkennbar ist dies auch daran, dass das Doppelbestrafungsverbot in § 362 StPO implizit vorausgesetzt wird (lesen!). Hier findet sich eine Einschränkung dieses verfassungsrechtlichen Grundsatzes.
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