Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Schadensrecht
Haftet die Betreiberin einer Waschanlage für Schäden an serienmäßigen Heckspoilern? (BGH, Urt. v. 21.11.2024 – VII ZR 39/24)
Haftet die Betreiberin einer Waschanlage für Schäden an serienmäßigen Heckspoilern? (BGH, Urt. v. 21.11.2024 – VII ZR 39/24)
19. März 2025
11 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
W betreibt eine Waschanlage. Das Auto des Kunden K ist serienmäßig mit einem hervorstehenden Heckspoiler ausgestattet. Dieser wird während des Waschvorgangs abgerissen, wodurch Schäden am Heck des Fahrzeugs entstehen.
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Einordnung des Falls
Haftet die Betreiberin einer Waschanlage für Schäden an serienmäßigen Heckspoilern? (BGH, Urt. v. 21.11.2024 – VII ZR 39/24)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 18 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K verlangt Schadensersatz von W. Könnte ihm ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zustehen?
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. K und W haben einen Dienstvertrag (§ 611 BGB) abgeschlossen, da sich W verpflichtet hat, das Auto zu waschen.
Nein!
3. K und W haben einen Werkvertrag geschlossen.
Genau, so ist das!
4. Als Pflichtverletzung kommt die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht in Betracht.
Ja, in der Tat!
5. Grundsätzlich muss der Gläubiger beweisen, dass der Schuldner eine Pflicht verletzt hat. Müsste K danach beweisen, dass W eine Pflicht verletzt hat?
Ja!
6. Die möglichen Ursachen für die Beschädigung liegen allein im Gefahrenbereich der W. Kann K die Pflichtverletzung daher ohne Weiteres beweisen??
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Die Beweislastumkehr dient der gerechten Abgrenzung von Gefahrenbereichen.
Ja, in der Tat!
8. Die konkrete Verkehrssicherungspflicht ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalls. Hat W diese Pflicht eingehalten, weil es für sie unvorhersehbar ist, welche Automodelle künftig die Waschanlage nutzen werden?
Nein!
9. W kann nicht beweisen, dass sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gewahrt hat. Hat sie die Pflichtverletzung damit grundsätzlich zu vertreten (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB)?
Genau, so ist das!
10. Der Anspruch könnte ausgeschlossen sein, wenn K und W wirksam einen Haftungsausschluss für bestimmte Schäden vereinbart haben.
Ja, in der Tat!
11. An der Seite der Waschanlage hängt ein Schild mit „AGB“ und ein weiterer Zettel (siehe Illustration). Ist für das Schild und den Zettel der Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB eröffnet?
Ja!
12. An der Seite der Waschanlage hängt ein Schild mit „AGB“ und ein weiterer Zettel (siehe Illustration). Sind der Schild und der Zettel Allgemeine Geschäftsbedingungen?
Nein, das ist nicht der Fall!
13. Das Schild und der Zettel sind aus einem Auto vor der Waschanlage nicht erkennbar. Wären Schild und Zettel wirksam in den Vertrag einbezogen, wenn es sich um AGB gehandelt hätte?
Nein, das trifft nicht zu!
14. Darüber hinaus widersprechen sich das Schild und der Zettel inhaltlich, weshalb sie keinen wirksamen Haftungsausschluss begründen.
Ja!
15. K hat einen ersatzfähigen Schaden erlitten (§ 249 BGB).
Genau, so ist das!
16. K hat einen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Kommt außerdem ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB in Betracht?
Ja, in der Tat!
17. K hat eine Rechtsgutsverletzung erlitten, die kausal auf einer Verletzungshandlung der W beruht. Zudem handelte W rechtswidrig.
Ja!
18. K muss auch i.R.v. § 823 Abs. 1 BGB Ws Verschulden nicht nachweisen, wenn hier eine Vermutung greift.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Patrycia
11.3.2025, 22:19:26
Ich dachte, dass der „Verwender“ von AGB nicht zwangsläufig auch derjenige sein muss, der die AGB stellt, da es sich auch um Mustertexte handeln kann, die W hier benutzt? Oder liegt es daran, dass explizit eine Firma sie gestellt hat, dass wir dort rausfliegen?
Sachverhaltsquetscher
12.3.2025, 01:12:54
Es wird wohl daran liegen, dass der Hinweis explizit vom Anlagenhersteller und nicht von W stammt. Was ich hingegen nicht verstehe, ist warum die Bedingungen hier nicht gem. 310 III Nr.1 als von W gestellt gelten. Dann käme es auf die Herkunft der Vertragsbedingung eigentlich nicht an.

Tim Gottschalk
17.3.2025, 15:08:37
Hi @[Patrycia](269442), das Merkmal des "Stellens" scheitert nicht pauschal deshalb, weil ein Dritter die Bedingungen formuliert hat, sondern nach dieser Lösung, weil nicht hinreichend erkennbar ist, dass die Bedingungen überhaupt auf Veranlassung der W dort hängen. Ich muss @[Sachverhaltsquetscher](64576) aber zustimmen, dass zumindest eine Fiktion des "Stellens" nach § 310 III Nr. 1 BGB naheliegend wäre. Wir werden uns das daher noch einmal anschauen und den Fall anpassen. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
YanWing
12.3.2025, 00:30:07
Warum aufgrund der Firmenaufschrift die Verwendung als AGB nicht ersichtlich sein soll, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Der Kunde würde davon ausgehen, dass dieses Schild mit Willen des Betreibers dort hängt, vor allem wenn zusätzlich ein weiteres Schild angebracht wurde. Ebenso erschließt sich mir nicht der vom BGH angeführte Widerspruch. Es ist eben nicht der Fall, dass sich beide Hinweise ausschließen. 1. keine Haftung für Nicht-Serienfertigung 2. keine Haftung für Heckspoiler Falls es nur um nicht-serienfertigung Heckspoiler gehen würde, wäre das zusätzliche Schild ja völlig unnötig. Es sind zwei nebeneinander bestehende Haftungsausschlüsse für alle Teile aus nicht-Serienfertigung und alle Heckspoiler, auch reguläre. Außerdem wäre ebenso fraglich, ob überhaupt eine
Pflichtverletzungvorliegt, wenn der Betreiber durch einen solchen Haftungsausschluss (zumindest indirekt, aber m.E. hinreichend bestimmt) darauf hinweist, dass die Anlage nicht für Autos mit derartigen Teilen ausgelegt ist. Wenn das Schild von einem Auto nicht zu sehen ist, kommt man dennoch zu einer Haftung, da der
pflichtverletzungsverneinende Hinweis und die AGB für den Kunden ohne weiteres erkennbar sein muss.

Tim Gottschalk
17.3.2025, 14:55:38
Hallo @[YanWing](260239), 1. Man kann durchaus vertreten, dass die AGB hier vom Verwender stammen oder jedenfalls aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts als von der W gestellte Bedingungen eines dritten Urhebers gelten. Auch ich fände das überzeugender. Darüber hinaus liegt hier auch eine Anwendung von § 310 III Nr. 1 BGB nahe, die über das Erfordernis bei Verbraucherverträgen hinweghilft. Dahingehend werden wir uns die Aufgabe noch einmal anschauen und das anpassen. 2. In der Tat müssen sich die beiden Hinweise nicht zwangsläufig ausschließen. Bei ausreichend klarer Formulierung wäre ein derartiger Ausschluss auch möglich. Vorliegend wird jedoch aufgrund der Anordnung, des Erscheinungsbildes und des Inhalts nicht klar genug, dass es sich um zwei nebeneinander bestehende Ausschlusstatbestände halten soll. Vielmehr wirkt es auf den ersten Blick, als sollte der untere Zettel nur noch einmal auf den Inhalt des längeren Haftungsausschlusses oben besonders aufmerksam machen. Dann läge tatsächlich ein Widerspruch vor. Da Unklarheiten und Auslegungsschwierigkeiten zulasten des Verwenders gehen, ist er an diesem Widerspruch festzuhalten. Etwas anderes wäre es natürlich, wenn man das ganze, wie in deinem Beispiel, in der Darstellung eindeutig macht, dass 1. für Nicht-Serienfertigung und 2. unabhängig davon für Heckspoiler keine Haftung bestehen soll. 3. Du hast Recht, dass der Ausschluss von bestimmten Autos auch bereits auf Ebene der
Pflichtverletzungrelevant wird. Darauf gehen wir in Frage 8 auch ein. Hinsichtlich des vorliegenden Ausschlusses gilt jedoch das gleiche wie oben. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team