+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft von V eine Katze. K und V vereinbaren, dass die Katze gesund übereignet wird. Schon am Tag nach der Übergabe zeigt die Katze Symptome einer bereits zuvor bestehenden Erkältung. K informiert V über diese. Da V nicht reagiert, bringt K die Katze direkt zum Tierarzt und fordert die Tierarztkosten von V.

Einordnung des Falls

Fristsetzung auch bei kranken Tieren erforderlich

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K könnte gegen V einen Anspruch auf Ersatz der Tierarztkosten gemäß §§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281 BGB haben.

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Ja, in der Tat!

Haben die Parteien (1) einen Kaufvertrag über eine Sache geschlossen (§ 433 BGB) und ist die Sache (2) mangelhaft (§§ 434, 435 BGB), so ist der Anwendungsbereich der kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte (§ 437 BGB) eröffnet. Der Käufer kann z.B. unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 280, 281 BGB vom Verkäufer Ersatz für den Schaden verlangen, der dadurch entstanden ist, dass der Verkäufer pflichtwidrig eine mangelhafte Sache übereignet hat (§ 437 Nr. 3 BGB). K und V haben einen Kaufvertrag über die Katze geschlossen. V hat sich damit gegenüber K verpflichtet, ihr eine mangelfreie Katze zu übereignen. Tiere sind keine Sachen im Sinne von § 90 BGB, sie werden aber rechtlich als solche behandelt (§ 90a BGB).

2. War die Katze zum Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft (§ 434 BGB)?

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Ja!

Der Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281 BGB setzt zunächst voraus, dass die übereignete Sache mangelhaft (§§ 434, 435 BGB) ist. Eine Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang (§ 446 BGB) den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen entspricht (§ 434 Abs. 1 BGB). Die Sache entspricht jedenfalls nicht den subjektiven Anforderungen, wenn sie nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat (§ 434 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Zeigt sich der Mangel erst später, reicht es aus, dass er im Zeitpunkt des Gefahrenübergangs bereits angelegt war. V und K haben sich ausdrücklich dahingehend geeinigt, dass die Katze bei der Übergabe (= Gefahrübergang) gesund sein soll. Da sie sich schon zu diesem Zeitpunkt angesteckt hatte, entsprach sie nicht den subjektiven Anforderungen.

3. Hat K dem V eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB)?

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Nein, das ist nicht der Fall!

Grundsätzlich setzt der Anspruch des Käufers auf Schadensersatz gemäß §§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281 BGB voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Fristsetzung muss das Nacherfüllungsverlangen bis zu einem bestimmten oder bestimmbar Zeiptunkt zum Ausdruck bringen. K hat die V lediglich über die Krankheit der Katze informiert. Dann ist K direkt zum Tierarzt gegangen, um den Mangel beseitigen zu lassen. Die reine Information über die Erkrankung ist keine Fristsetzung.

4. Eine Fristsetzung kann gemäß § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich sein.

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Ja, in der Tat!

Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen (§ 281 Abs. 2 BGB).Im Kaufrecht ist eine Fristsetzung zudem auch unter den Voraussetzungen des § 440 BGB entbehrlich.

5. Indem V nicht auf Ks Nachricht reagierte, verweigerte sie die Nacherfüllung. Die Fristsetzung war daher entbehrlich (§ 281 Abs. 2 Alt. 1 BGB).

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Nein!

Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 281 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Eine Leistungsverweigerung liegt nur dann vor, wenn der Schuldner durch sein Verhalten unmissverständlich zum Ausdruck bringt, nicht mehr leisten zu werden. V hat hier lediglich nicht auf Ks Mitteilung reagiert. Damit hat V nicht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, den Mangel endgültig nicht beheben zu wollen.

6. Weil V Ks Nachricht nicht beantwortet hat, rechnete K nicht damit, dass V auf eine Fristsetzung reagieren würde. War die Fristsetzung deswegen als bloße „Förmelei“ entbehrlich (§ 281 Abs. 2 Alt. 2 BGB?

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Nein, das ist nicht der Fall!

Die Fristsetzung soll dem Schuldner ermöglichen, zu überprüfen, ob der Mangel tatsächlich besteht und ob er verantwortlich für den Mangel ist. Außerdem soll der Schuldner darauf hingewiesen werden, dass Kosten entstehen. Dem Schuldner soll die Möglichkeit gegeben werden, durch eigenes Tätigwerden den Schaden so gering wie möglich zu halten. Diese Funktionen der Fristsetzung bestehen unabhängig davon, ob der Gläubiger eine Reaktion des Schuldners erwartet. Ob V auf eine Fristsetzung reagieren würde, ist grundsätzlich unerheblich. Dass V nicht auf Ks Nachricht reagierte begründet damit auch keinen besonderen Umstand im Sinne von § 281 Abs. 2 BGB. § 281 Abs. 2 Alt. 2 BGB ist als „Generalklausel“ eher restriktiv auszulegen.

7. Die Fristsetzung war aber entbehrlich, weil die Behandlung der Katze als Notmaßnahme unverzüglich durchgeführt werden musste (§ 281 Abs. 2 Alt. 2 BGB).

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Nein, das trifft nicht zu!

Die Fristsetzung ist unter anderem entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen (§ 281 Abs. 2 BGB). Beim Kauf eines Tieres ist dies der Fall, wenn der Zustand des Tieres eine unverzügliche tierärztliche Behandlung als Notmaßnahme erforderlich erscheinen lässt, die von der Verkäuferin nicht rechtzeitig veranlasst werden könnte. Die Katze litt hier „nur“ unter einer Erkältung. Es ist nicht ersichtlich, dass eine unverzügliche Notbehandlung nötig gewesen wäre, die von V nicht hätte veranlasst werden können.

8. Weil K vor dem Arztbesuch aber nicht wissen konnte, wie schwer die Erkrankung war und ob diese bereits beim Kauf bestand, war eine Fristsetzung ausnahmsweise dennoch entbehrlich (§ 281 Abs. 2 Alt. 2 BGB).

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Nein!

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass allein die Tatsache, dass der Käufer einer Sache vor dem Aufsuchen von z.B. einer Werkstatt oder einer Arztpraxis nicht wissen kann, ob ein Mangel im Rechtssinne vorliegt, den Käufer nicht von der Pflicht befreit, den Verkäufer auf den (vermuteten) Mangel hinzuweisen und diesem eine angemessene Frist zur Überprüfung und ggf. Beseitigung des Mangels zu setzen. Die Fristsetzung war nicht entbehrlich. Weil K der V keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat, hat K keinen Anspruch auf Ersatz der Arztkosten aus §§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281 BGB. Weitere Ansprüche, z.B. aus GoA, scheiden wegen des Vorrangs der kaufrechtlichen Gewährleistung ebenfalls aus.

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