Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2024
Fristsetzung auch bei kranken Tieren erforderlich
Fristsetzung auch bei kranken Tieren erforderlich
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft von V eine Katze. K und V vereinbaren, dass die Katze gesund übereignet wird. Schon am Tag nach der Übergabe zeigt die Katze Symptome einer bereits zuvor bestehenden Erkältung. K informiert V über diese. Da V nicht reagiert, bringt K die Katze direkt zum Tierarzt und fordert die Tierarztkosten von V.
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Einordnung des Falls
Fristsetzung auch bei kranken Tieren erforderlich
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K könnte gegen V einen Anspruch auf Ersatz der Tierarztkosten gemäß §§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281 BGB haben.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. War die Katze zum Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft (§ 434 BGB)?
Ja!
3. Hat K dem V eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Eine Fristsetzung kann gemäß § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich sein.
Ja, in der Tat!
5. Indem V nicht auf Ks Nachricht reagierte, verweigerte sie die Nacherfüllung. Die Fristsetzung war daher entbehrlich (§ 281 Abs. 2 Alt. 1 BGB).
Nein!
6. Weil V Ks Nachricht nicht beantwortet hat, rechnete K nicht damit, dass V auf eine Fristsetzung reagieren würde. War die Fristsetzung deswegen als bloße „Förmelei“ entbehrlich (§ 281 Abs. 2 Alt. 2 BGB?
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Die Fristsetzung war aber entbehrlich, weil die Behandlung der Katze als Notmaßnahme unverzüglich durchgeführt werden musste (§ 281 Abs. 2 Alt. 2 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
8. Weil K vor dem Arztbesuch aber nicht wissen konnte, wie schwer die Erkrankung war und ob diese bereits beim Kauf bestand, war eine Fristsetzung ausnahmsweise dennoch entbehrlich (§ 281 Abs. 2 Alt. 2 BGB).
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Daniel (blabab45)
15.4.2024, 07:19:55
Auf ich glaube dem 4. o. 5. Slide steht, dass die
Fristsetzungdem Schuldner 1. Gelegenheit zur Untersuchung des Mangels, 2. Gelegenheit zur Prüfung der eigenen Verantwortlichkeit und 3. als Hinweis auf entstehende Kosten dienen soll. Den 3. Punkte habe ich so noch nie gehört. Soll man nach dieser Ansicht dann in der
Fristsetzungauch darauf hinweisen müssen, dass man nach der Frist selbst auf Kosten des Schuldners nachbessern lässt?
Leo Lee
15.4.2024, 13:44:54
Hallo Daniel (blabab45), vielen Dank für die sehr gute Frage! In der
Tatist dein Einwand sehr berechtigt und nicht ganz von der Hand zu weisen. Allerdings ist hier der Telos weniger dahingehend zu verstehen, dass der Gläubiger explizit dem Schuldner klarmachen muss, dass er ansonsten zu zahlen hat (genauso wenig wie er explizit darauf hinweisen muss, dass er den Mangel untersuchen soll). Vielmehr soll mit der
Fristsetzungdem Schuldner vor Augen geführt werden, dass er all diese Sachen zu beachten hat (also dass er untersuchen bzw. prüfen soll und ggf. auch erkennen können soll, dass es ansonsten „teuer“ werden kann). Beachte i.Ü. noch, dass der Telos der
Fristsetzungeher dem Verständnis bei Prüfung dieses TBMs dienen soll und nicht wörtlich bei jeder Klausur fallen muss :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Rubinho
20.5.2024, 11:41:35
Wenn ich es richtig verstehe, liegt in der vorliegenden ein Fall der Selbstvornahme vor. Nach meinem Verständnis scheitert ein Anspruch aus § 280 I, III, 281 daran, dass eine Nacherfüllung durch die Handlung des Käufers vorliegend unmöglich gemacht wurde iSd § 275. § 281 I setzt aber gerade voraus, dass die Nacherfüllung noch möglich ist. Damit sollte doch ein Anspruch schon hieran scheitern. Dann wäre § 283 zu prüfen. Hier scheitert der Anspruch dann aber daran, dass der Verkäufer die
Unmöglichkeitgerade nicht zu vertreten hat.
Leo Lee
21.5.2024, 09:26:13
Hallo Rubinho, genauso ist es! Vorliegend schied 281 aus aufgrund fehlender
Fristsetzung. Auch lag – wie du zu Recht anmerkst – eine Selbstvornahem vor, weshalb 283 greifen würde. Allerdings würde auch dieser Anspruch ausscheiden. Du hast es also punktgenau getroffen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
jenny24
1.7.2024, 09:39:41
gem. 475 II gilt inzwischen ein anderer Maßstab. Warum wird das nicht thematisiert? Was übersehe ich? VG
svh
2.7.2024, 18:33:00
Es liegt (so wie ich den Fall verstehe) kein b2c vor, also kein
Verbrauchsgüterkauf:). Deswegen finden die §§ 475 ff. Keine Anwendung
jenny24
2.7.2024, 18:49:43
Ja aber ist nicht klar im SV
JonasRehder
22.7.2024, 10:13:43
Ist für den Fall jetzt vlt. Klugscheißern, aber folgendes könnte helfen: § 474 BGB setzt ja voraus, dass die Unternehmereigenschaft des Verkäufers besteht. Das setzt wiederum eine Prüfung nach §§ 13, 14 BGB voraus. Hier besteht nach der Gesetzessystematik erst einmal untechnisch gesagt eine
Vermutung, dass die Person nicht in ihrer gewerblichen Tätigkeit und damit nicht als Unternehmer gehandelt hat (In der Praxis trägt nach dem Günstigkeitsprinzip hierfür der Käufer die Beweislast, da an die Unternehmerstellung für Ihn positive Folgen nach sich zieht -> Regime der §§ 474 ff. BGB bspw.). Insofern kann man, wenn der Sachverhalt nichts dazu verliert, ob eine etwaige gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird, davon ausgehen, dass der Verkäufer kein Unternehmer ist. Es müssen somit bestimmte „Buzzwords“ folgen, anhand denen man das Ganze dann überhaupt begründen kann. Bspw. „Verkauft immer mal wieder die Katzen aus seiner Zucht“ -> Hier müsste man dann diskutieren, ob das ganze schon gewerblich ist / oder noch deutlicher: „Katzenzüchter V verkauft seine Katzen regelmäßig“ Wenn solche Hinweise fehlen, auf deren Grundlage man das diskutieren kann, ist bei einem Kaufvertrag demnach erst einmal nicht von einem
Verbrauchsgüterkaufauszugehen :)
flari0n
16.9.2024, 18:56:23
Ich würde in die Abwägung nach § 281 Abs. 2 Alt. 2 BGB wahrscheinlich noch den Gedanken einfließen lassen, dass der V mit der Katze ebenfalls zum Tierarzt gegangen wäre, also genau die gleiche Maßnahme ergriffen hätte, sodass er die Kosten auch bei einer
Fristsetzungdurch K wohl kaum geringer hätte halten können. Im Übrigen dürfte K nach § 2 Nr. 1 TierSchG dazu verpflichtet sein, die Krankheit der Katze so schnell wie möglich zu erforschen und zu behandeln und nicht zugunsten eines „popeligen“ Kosteninteresses des V (der die Kosten - wahrscheinlich - sowieso nicht geringer hätte halten können) das Risiko einzugehen, dass die Katze doch schwerer erkrankt ist und länger als nötig leidet oder gar stirbt. Abgesehen davon, dass man den K so womöglich zwingen würde, sich i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 TierSchG ordnungswidrig zu verhalten. So könnte man schon auch zu einem anderen Ergebnis kommen. Nur so als Idee :)