Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Verwaltungsvollstreckung

Grundfall: Vollstreckung von Geldforderungen

Grundfall: Vollstreckung von Geldforderungen

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Gemeinde G erlässt gegenüber A einen Gebührenbescheid über die monatlichen Müllgebühren, die A innerhalb von zwei Wochen zahlen soll. Nach drei Wochen hat A immer noch nichts bezahlt. Der eifrige Sachbearbeiter S will das Geld schnell „eintreiben“.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Vollstreckung von Geldforderungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S kann das Geld nach den Vorschriften der VwVG vollstrecken, sofern die Voraussetzungen der Norm vorliegen.

Ja, in der Tat!

Die Vollstreckung von Geldforderungen (= Beitreibung) richtet sich nach den §§ 1-5 VwVG. Die Vorraussetzungen für die Beitreibung sind in §§ 3 Abs. 2, Abs. 3 VwVG geregelt. Danach muss die Behörde (1) einen Leistungsbescheid erlassen haben, (2) muss die Zahlung fällig sein, (3) muss eine weitere Wochenfrist vergangen sein und (4) soll die Behörde den Adressaten gemahnt haben. S kann das Geld im für die Behörde vollstrecken, wenn die genannten Voraussetzungen vorliegen.
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2. Der Gebührenbescheid ist ein Leistungsbescheid.

Ja!

Die Behörde muss zunächst gegenüber dem Bürger einen Leistungsbescheid erlassen. Hierbei handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 VwVfG), durch den der Adressat zur Zahlung einer bestimmten Geldsumme aufgefordert wird. Der Gebührenbescheid ist ein Verwaltungsakt.

3. Vorliegend mangelt es an der Fälligkeit der Zahlung.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die durch den Leistungsbescheid geforderte Zahlung muss auch fällig sein, damit sie vollstreckt werden kann. Denn Fälligkeit beschreibt den frühesten Zeitpunkt, ab dem der Gläubiger die Leistung verlangen darf. Wenn der Gläubiger die Leistung nicht verlangen darf, ist es ganz klar, dass auch eine Vollstreckung noch nicht erfolgen kann. Wann eine Leistung fällig wird, richtet sich nach den im Einzelfall durch den Leistungsbescheid festgelegten Zahlungsfristen, nach gesetzlichen Bestimmungen oder nach dem Eintritt eines Ereignisses, welches für die Fälligkeit festgelegt wurde. Hier bestand eine Zahlungsfrist von zwei Wochen. Drei Wochen nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts ist diese Frist abgelaufen und die Zahlung damit fällig.

4. S sollte sofort mit der Vollstreckung beginnen.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach Bekanntgabe des Leistungsbescheids bzw. nach Eintritt der Fälligkeit - je nachdem, welcher Zeitpunkt später eintritt - muss die Behörde eine weitere Woche abwarten, bevor sie mit der Vollstreckung beginnen darf (§ 3 Abs. 2 VwVG). Nach Ablauf der Wochenfrist soll die Behörde den Bürger unter Setzung einer weiteren Wochenfrist gem. § 3 Abs. 3 VwVG mahnen. Bei der Mahnung handelt es sich um eine „Soll-Vorschrift”. Es sollte daher grundsätzlich gemahnt werden, sofern keine besonderen Umstände des Einzelfalles vorliegen. Die Zahlung ist hier zwei Wochen nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts fällig geworden. Danach ist bereits eine weitere Woche vergangen. S könnte zwar grundsätzlich sofort vollstrecken. Da aber keine besonderen Umstände ersichtlich ist, sollte S den A noch mahnen, bevor er die Vollstreckung beginnt. Ansonsten riskiert S, dass die Maßnahme rechtswidrig ist.

5. Nach der Mahnung muss S einen weiteren Verwaltungsakt gegenüber A erlassen.

Nein!

Sind die Voraussetzungen des §§ 3 Abs. 2, Abs. 3 VwVG erfüllt, erlässt die Behörde, die den Anspruch geltend macht (= Anordnungsbehörde) eine Vollstreckungsanordnung (§ 3 Abs. 1 Hs. 1, Abs. 4 VwVG). Diese richtet sich nicht gegen den Bürger, sondern gegen die Behörde, die die Vollstreckung durchzuführen hat (= Vollstreckungsbehörde), § 4 VwVG. Die Vollstreckungsanordnung ist kein Verwaltungsakt, da das Merkmal der „Außenwirkung” fehlt. Es handelt sich um einen verwaltungsinternen Vorgang. Das Vollstreckungsverfahren durch die Vollstreckungsbehörde richtet sich nach den Vorschriften der Abgabenordnung (§ 5 Abs. 1 VwVG). Nach erfolgter, fruchtloser Mahnung kann S das Vollstreckungsverfahren durch Erlass einer Vollstreckungsanordnung einleiten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ISAB

Isabelle.Sophie

28.12.2023, 16:33:31

Im letzten „Maßstab“-Kasten steht, dass die Vollstreckungsanordnung sich nicht gegen die Vollstreckungsbehörde richtet. In der nächsten Aufgabe ist die richtige Lösung, dass sich die Vollstreckungsanordnung gegen die Vollstreckungsbehörde richtet. Was ist richtig?

Linne_Karlotta

Linne_Karlotta

29.12.2023, 17:42:52

Hallo Isabelle.Sophie! Danke für Deine aufmerksame Anmerkung. Hier hat sich tatsächlich ein Fehler eingeschlichen. Richtig ist, dass die Vollstreckungsanordnung nicht gegenüber dem Bürger, sondern gegenüber der Vollstreckungsbehörde ergeht (vgl. hierzu auch Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17.A. 2019, RdNr. 1015). Wir haben den Fehler in dieser Aufgabe korrigiert. Viele Grüße, Linne - für das Jurafuchs-Team


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