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Vollstreckungserinnerung, § 766 ZPO

Verstoß gegen allgemeine Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (Heilung)

Verstoß gegen allgemeine Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (Heilung)

17. Juli 2025

9 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G hat eine titulierte Forderung gegen S. Auf Gs Antrag hin begibt sich der Gerichtsvollzieher zu S und pfändet dessen Münzsammlung. Da S der Titel nicht zuvor oder zeitgleich zugestellt worden ist, legt er Vollstreckungserinnerung ein. Kurz darauf erfolgt die Zustellung. ‌

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Einordnung des Falls

Verstoß gegen allgemeine Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (Heilung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Vollstreckungserinnerung ist statthaft (§ 766 ZPO).

Ja, in der Tat!

Eine Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO ist statthaft, wenn der Erinnerungsführer gegen eine Vollstreckungsmaßnahme mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts vorgeht. S stützt seine Vollstreckungserinnerung auf die fehlende Zustellung des Titels. § 750 Abs. 1 ZPO, der die Zustellung des Titels anordnet, ist formelles Recht. S rügt somit die Verletzung formellen Rechts, sodass eine Vollstreckungserinnerung statthaft ist.
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2. Die Vollstreckungserinnerung ist aber mangels Erinnerungsbefugnis des S unzulässig.

Nein!

Eine Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) ist zulässig, wenn(1) Statthaftigkeit,(2) Erinnerungsbefugnis,(3) Zuständigkeit und(4) Rechtsschutzbedürfnis gegeben sind. Der Vollstreckungsschuldner ist erinnerungsbefugt, wenn das formelle Recht, dessen Verletzung er behauptet, nicht nur drittschützend ist. Zuständiges Vollstreckungsgericht (§ 766 Abs. 1 ZPO) ist bei Sachpfändungen das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung erfolgt (§ 764 Abs. 2 ZPO). Das Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn die Zwangsvollstreckung unmittelbar bevorsteht oder bereits begonnen hat und die angegriffene Vollstreckungsmaßnahme noch nicht vollständig beendet ist. S rügt die fehlende Titelzustellung, also eine Verletzung von § 750 Abs. 1 ZPO. Diese Norm bezweckt den Schutz des Vollstreckungsschuldners. S ist somit erinnerungsbefugt. Mangels anderer Angaben ist davon auszugehen, dass das angerufene Gericht zuständig ist und das Rechtsschutzbedürfnis besteht.

3. Eine Vollstreckungserinnerung ist begründet, wenn nicht alle Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen.

Genau, so ist das!

Eine Vollstreckungserinnerung des Vollstreckungsschuldners ist begründet, wenn die angegriffene Vollstreckungsmaßnahme nicht zulässig ist. Dies ist der Fall, wenn bei der Vollstreckungsmaßnahme(1) die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen der Zwangsvollstreckung,(2) die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung oder(3) die besonderen Voraussetzungen der Art der Zwangsvollstreckung verletzt wurden. ‌

4. Die Zustellung des Titels ist eine allgemeine Voraussetzung der Zwangsvollstreckung.

Ja, in der Tat!

Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gehören:(1) der Titel (§ 750 Abs. 1 ZPO)(2) die Klausel (§§ 724, 725 ZPO)(3) die Zustellung (§ 750 Abs. 1 ZPO) und(4) der Antrag (§§ 753, 754 ZPO) Die Zustellung des Titels wird von § 750 Abs. 1 ZPO angeordnet und gehört zu den allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung.

5. Eine Vollstreckungserinnerung des Vollstreckungsschuldners ist begründet, wenn die angegriffene Vollstreckungsmaßnahme nicht zulässig ist. Ist hierbei der Zeitpunkt der Vollstreckungshandlung entscheidend?

Nein!

Eine Vollstreckungserinnerung des Vollstreckungsschuldners ist begründet, wenn die angegriffene Vollstreckungsmaßnahme nicht zulässig, also die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nicht vorliegen. Maßgeblich hierfür ist jedoch nicht der Zeitpunkt der Vollstreckungshandlung, sondern der Zeitpunkt der Beschlussfassung, da formelle Verstöße bei der Zwangsvollstreckung auch geheilt werden können. Entscheidend ist also, ob die angegriffene Vollstreckungsmaßnahme zum Zeitpunkt der Beschlussfassung zulässig ist, also ob zu diesem Zeitpunkt die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen. ‌

6. Die Vollstreckungserinnerung des S ist begründet.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Vollstreckungserinnerung des Vollstreckungsschuldners ist begründet, wenn die angegriffene Maßnahme zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht zulässig ist. Der Titel war S zunächst nicht zugestellt worden, sodass ein Verstoß gegen § 750 Abs. 1 ZPO vorlag. Kurz nachdem S Vollstreckungserinnerung eingelegt hatte, wurde die Zustellung jedoch nachgeholt und damit geheilt (§ 189 ZPO). Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung ist das Erfordernis der Titelzustellung also erfüllt und die Vollstreckungserinnerung daher unbegründet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SAR84

sar84

2.9.2024, 13:10:49

Wenn es auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung ankommt, dann brauche ich als Gläubiger doch faktisch nie warten bis zugestellt würde und Vollstrecke sofort, weil der Titel (per Post) ja dann irgendwann in den nächsten Tagen eintreffen wird. Bis aber das Vollstreckungsgericht seine Entscheidung getroffen hat, vergehen doch Monate (oder sind die schneller unterwegs?). Was soll dann die Zustellung noch schützen?

EN

Entenpulli

3.10.2024, 11:10:15

Es besteht trotzdem ein Unterschied zwischen einer Vollstreckung mit und einer ohne Zustellung. Sinn und Zweck einer Heilung ist ja, dass es eine unnötige Förmelei wäre, die Handlung (hier die Vollstreckung) abzulehnen, nur damit die identische Handlung (im konkreten Fall: Nun nach erfolgter Zustellung) direkt im Anschluss daran erneut durchgeführt wird. Nicht anders wäre es hier.

Daniel G

Daniel G

5.4.2025, 18:13:58

brauch ich wirklich Heilung nach 189zpo? also die voraussetzung zustellung ist „geheilt“ weil es auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Erinnerung ankommt, aber ich dachte 189 bezieht sich nur auf einen verfahrensfehler der 160ff zpo

FL

Florian

14.7.2025, 16:43:43

Nein, §189 ZPO ist über §191 ZPO auch auf Zustellungen im Parteibetrieb anwendbar.

Daniel G

Daniel G

14.7.2025, 17:18:42

Ok nice to know. Ob eine Zustellung durch die Partei oder von amts wegen hier durchgeführt wurde sollte aber letztendlich nicht meine Frage sein. Vielmehr ob es nicht eine autonome Heilung ist, weil man den Beschlusszeitpunkt als maßgebend ansieht.. wir haben ja einen Mangel in 750 zpo und nicht in der Art der Zustellung Außerdem wären Verfahrensfehler der Zustellung schon über die 160ff zu prüfen. 191 verweist ja nur auf diese.

FL

Florian

15.7.2025, 00:18:57

Okay, hab jetzt verstanden, was du meinst. Du meinst den Aspekt, ob man denn wirklich die erste Zustellung heilen muss oder einfach direkt auf die zweite Zustellung abstellen kann, weil der maßgebliche ZP der ZP der gerichtlichen Beschlussfassung ist, oder? Der Mangel bei §750 ZPO betrifft ja die fehlende Zustellung und die Zustellung betrifft immer (entweder direkt oder wie in unserem Fall mittelbar) §§166ff. ZPO aus dem allgemeinen Teil der ZPO, also sind diese letztlich maßgeblich. Ob man dann aber ohne Heilung (direkt) auf die zweite Zustellung abstellt oder auf §189 ZPO und damit die Heilung der ersten Zustellung ist m.E. prinzipiell ein akademischer Streit ohne Praxisrelevanz. Im konkreten Fall würde ich eher (mit deiner Ansicht) dazu tendieren, dass es hier um die zweite Zustellung geht, weil beim ersten Mal schon gar keine Zustellung erfolgt ist und gerade nicht eine fehlerhafte (die dann geheilt werden würde). Wenn eine fehlerhafte Zustellung erfolgt wäre (die dann aber geheilt würde) und zusätzlich noch eine zweite Zustellung, dann wäre es m.E. aber komplett egal, auf welche man abstellt...

MO

Moritz94

7.7.2025, 15:04:06

S ist laut Illustration weiblich. Dies könntet Ihr im Aufgabentext sowie den Teilaufgaben berücksichtigen. :)

MO

Moritz94

10.7.2025, 14:41:26

Damit dieser Thread schnell gelöscht werden kann, markiere ich mal @[Tim Gottschalk](287974). :-)

Simon172

Simon172

12.7.2025, 14:13:00

Danke für den kleinen Lacher!


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