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Protestcamp G20 – Infrastruktur als Teil der Versammlung? (BVerwG, Urt. v. 27.11.2024 – 6 C 4.23)
Protestcamp G20 – Infrastruktur als Teil der Versammlung? (BVerwG, Urt. v. 27.11.2024 – 6 C 4.23)
14. Juli 2025
5 Kommentare
4,8 ★ (19.105 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Anlässlich des G20-Gipfels meldet A ein Protestcamp mit Kundgebungen, politischen Workshops sowie umfassender Infrastruktur wie Schlafzelte, Küchen und Duschen für bis zu 7.000 Teilnehmende als Versammlung an. Die zuständige Stadt H meint, hinsichtlich der Infrastrukturelemente läge keine Versammlung vor. H beschränkt die Bestätigung der Anmeldung jedenfalls auf 300 Schlafzelte.
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Einordnung des Falls
Protestcamp G20 – Infrastruktur als Teil der Versammlung? (BVerwG, Urt. v. 27.11.2024 – 6 C 4.23)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 14 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A erreichte im Eilverfahren, dass das Protestcamp stattfinden konnte. Im Nachgang möchte er gerichtlich feststellen lassen, dass die „Auflagen“ rechtswidrig waren. Könnte grundsätzlich die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO) statthaft sein?
Ja!
2. Soweit eine allgemeine Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) effektiveren Rechtsschutz bietet und keine Umgehung besonderer Voraussetzungen droht, ist diese anstelle der Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft.
Genau, so ist das!
3. Die Feststellungsklage kommt nur dann in Betracht, wenn keine besonderen Bestimmungen einer Gestaltungsklage umgangen werden. Droht hier eine Umgehung der Klagefrist nach § 74 VwGO als besondere Voraussetzung der Fortsetzungsfeststellungsklage?
Nein, das trifft nicht zu!
4. Im Kern begehrt A die Feststellung, dass es sich bei dem Camp um eine Versammlung handelte. Bietet die Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) im Hinblick auf dieses Begehren einen effektiveren Rechtsschutz?
Ja!
5. Somit ist hier die allgemeine Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) die statthafte Klageart.
Genau, so ist das!
6. Erforderlich ist für die Zulässigkeit der allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO ein berechtigtes Interesse an der Feststellung (sog. Feststellungsinteresse). Genügt bei vergangenen Rechtsverhältnissen jedes beliebige Feststellungsinteresse des Klägers?
Nein, das trifft nicht zu!
7. A hat ein qualifiziertes Feststellungsinteresse an der Feststellung, dass es sich bei dem Camp um eine Versammlung handelte.
Ja!
8. As Feststellungsklage ist im Übrigen zulässig. Kommt es für die Begründetheit maßgeblich darauf an, ob es sich bei dem Camp einschließlich der Infrastruktur um eine Versammlung handelt?
Genau, so ist das!
9. Unter Umständen können auch Infrastruktureinrichtungen wie Schlafzelte Elemente sein, die auf eine Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind und somit dem Schutz von Art. 8 GG unterfallen.
Ja, in der Tat!
10. In Kooperationsgesprächen konnte A keinen nachvollziehbaren inhaltlichen Bezug der Schlafzelte mit der Meinungskundgabe begründen. Spricht das dafür, dass die Zelte dem Schutz von Art. 8 GG unterfallen?
Nein!
11. Folglich sind die Schlafzelte als reine infrastrukturelle Elemente anzusehen, die versammlungsfremd sind.
Genau, so ist das!
12. Eine Veranstaltung, die sowohl Elemente enthält, die auf eine Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sind, als auch solche, die diesem Zweck nicht zuzurechnen sind, kann nie insgesamt eine Versammlung sein.
Nein, das trifft nicht zu!
13. Die geplanten Kundgebungen und Workshops waren nur für eine viel kleinere Anzahl an Teilnehmenden ausgelegt, als Schlafplätze geplant waren. Spricht das für ein Übergewicht des Beherbergungszwecks?
Ja!
14. As Feststellungsklage ist begründet.
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Iridan
20.5.2025, 07:33:56
Hallo zusammen, ich finde die Aufgabenstellung unklar. Darin wird davon gesprochen, dass die Anmeldung der Versammlung nur für 300 Schlafzelte bestätigt wurde. Von einer Beschränkung oder Teil-Untersagung der Versammlung steht da in erster Linie nichts. Das kann man vielleicht auslegen, aber auch dafür finde ich die Aufgabe relativ dünn. Zumal im wirklichen Sachverhalt es ja ausdrücklich Auflagen waren und keine bloß beschränkte Bestätigung. Ich fände es gut, wenn da der Aufgabentext überarbeitet würde.

Wendelin Neubert
20.5.2025, 19:15:43
Hallo @[Iridan](294872), danke für Deinen Hinweis. Du schreibst, von einer „Beschränkung [...] der Versammlung“ stünde im Sachverhalt nichts. Das ist nicht richtig. Im Sachverhalt steht: „H beschränkt die Bestätigung der Anmeldung jedenfalls auf 300 Schlafzelte.“ Somit ist die Beschränkung ausdrücklich im Sachverhalt benannt. Wir haben dabei diese spezielle Formulierung ausdrücklich so gewählt, weil sie von den Lernenden erfordert zu erkennen, dass in der Beschränkung der Bestätigung der Anmeldung eines versammlungsrechtliche Auflage liegt. Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team

aschoo
20.5.2025, 10:31:01
Liebes Jurafuchsteam, danke für die Aufgabe, sehr gelungen und ich habe das Gefühl, dass gerade in letzter Zeit versammlungsrechtliche Klausuren an Beliebtheit gewinnen. Mehr für mich aber vielleicht auch für die ein oder andere Person hier nochmal die für mich interessantesten und am wenigsten herleitbaren Aspekte des Falls als Gedankenstütze: Bei der Frage, ob es sich bei der Infrastruktur um einen Teil der Versammlung handelt, das ganze in dem folgenden Zweierschritt denken 1. Hat die Infrastruktur einen inhaltlichen Bezug zu der mit dem Camp bezweckten Meinungskundgabe (etwa bei Verknüpfung von Schlafzelten mit Veranstaltungsmotto ((+) zB bei Motto „Klimawandel nicht verschlafen“) oder ist die Einrichtung für das konnrete Camp logistisch erforderlich? ((-) zB bei Camp innerhalb von Großstadt(zentrum) wegen anderer Beherbergungsmöglichkeiten) 2. als „Notanker“ die nachgeschaltete Frage, sollte 1. verneint worden sein, ob bei sog. gemischten Veranstaltungen, nach dem Gesamtgepräge ein Überwiegen meinungsbildender Elemente zu erkennen ist (dann Versammlung (+)) & bei keiner klaren Tendenz in die eine oder andere Richtung ist aufgrund des hohen Rangs der Versammlungsfreiheit (konstituierend für die Demokratie und so…) die Veranstaltung trotzdem insgesamt als Versammlung einzustufen

Wendelin Neubert
20.5.2025, 19:07:39
Hallo aschoo, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Wendelin Neubert, für das Jurafuchs-Team
Karolina
4.7.2025, 13:53:35
Ich habe noch nicht ganz verstanden, warum die
Feststellungsklagestatthaft ist, im Hinblick darauf, dass sie rechtsschutzintensiver ist. Warum genau ist die rechtsschutzintensiver?