Öffentliches Recht

Examensrelevante Rechtsprechung ÖR

Staatsorganisationsrecht

Teilnahmeanspruch politischer Parteien an ARD-„Wahlarena 2025“? (OVG NRW, Beschl. v. 14.02.2025, 13 B 105/25)

Teilnahmeanspruch politischer Parteien an ARD-„Wahlarena 2025“? (OVG NRW, Beschl. v. 14.02.2025, 13 B 105/25)

10. Juni 2025

22 Kommentare

4,7(44.703 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Anlässlich der Bundestagswahl 2025 veranstaltet die ARD die Sendung „Wahlarena“ am 17.02.2025. Es wurden die Spitzenkandidaten von CDU/CSU, SPD, Grünen und AfD eingeladen, da diese nach Umfragen die größten Chancen auf Regierungsbeteiligung haben. Das BSW sieht sich dadurch in seiner Chancengleichheit verletzt.

Diesen Fall lösen 85,6 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Teilnahmeanspruch politischer Parteien an ARD-„Wahlarena 2025“? (OVG NRW, Beschl. v. 14.02.2025, 13 B 105/25)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 16 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) möchte gerichtlich erreichen, als politische Partei auch noch in die „Wahlarena“ am 17.02.2025 eingeladen zu werden. Ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet?

Genau, so ist das!

Ist keine aufdrängende Sonderzuweisung gegeben, ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet, wenn eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben ist und keine abdrängende Sonderzuweisung greift. Es sind keine aufdrängenden Sonderzuweisungen ersichtlich. Deshalb richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die streitentscheidenden Normen – hier Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG als Recht der Parteien auf Chancengleichheit – verpflichten einseitig Hoheitsträger und sind damit öffentlich-rechtlich. Zwar streiten die Beteiligten im Kern über materielles Verfassungsrecht; jedenfalls die ARD als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ist allerdings kein unmittelbar am Verfassungsleben Beteiligter, sodass die Streitigkeit mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit auch nichtverfassungsrechtlicher Art ist. Damit ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Das BSW möchte wenige Tage vor der Sendung die Teilnahme an der ARD-Sendung erreichen. Ist allein die Erhebung einer Klage in der Hauptsache zielführend?

Nein, das trifft nicht zu!

Endgültiger Verwaltungsrechtsschutz in der Hauptsache wird erst nach einem langwierigen, häufig mehr als einjährigen Verfahren, erreicht. Im Hinblick auf das Begehren des BSW, bereits in wenigen Tagen bei der „Wahlarena“ teilnehmen zu dürfen, käme die Entscheidung in der Hauptsache zu spät und reicht daher nicht aus. Das BSW muss daher, um sein Begehren zu verfolgen, einen Antrag im vorläufigen Rechtsschutz stellen. Vorläufige Rechtsschutzverfahren existieren in der VwGO nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO, nach § 80a VwGO, nach § 123 Abs. 1 VwGO und nach § 47 Abs. 6 VwGO.

3. Das BSW begehrt, dass die ARD sie zu der „Wahlarena“ einladen muss. Ist die einstweilige Sicherungsanordnung (§ 123 Abs. 1 S. 1 VwGO) die statthafte Antragsart?

Nein!

Die statthafte Antragsart richtet sich nach dem Begehren des Antragstellers (vgl. §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO). Die einstweilige Sicherungsanordnung (§ 123 Abs. 1 S. 1 VwGO) ist statthaft, wenn der Antragsteller die Sicherung des gegenwärtigen Zustands (status quo) begehrt. Das BSW begehrt die Einladung zu der ARD-Sendung „Wahlarena“, d.h. die Erweiterung seines Rechtskreises und gerade nicht die Sicherung des gegenwärtigen Zustandes. Statthaft ist mithin die einstweilige Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 S. 2 VwGO). Die Abgrenzung der Anträge nach §§ 80, 80a VwGO und § 123 Abs. 1 VwGO richtet sich nach § 123 Abs. 5 VwGO, wonach die §§ 80, 80a VwGO Vorrang haben und § 123 Abs. 1 VwGO subsidiär ist. Die Anträge nach §§ 80, 80a VwGO sind dann statthaft, wenn es um die Vollziehung eines Verwaltungsakts geht. Das ist regelmäßig der Fall, wenn in der Hauptsache die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft ist. Im Übrigen ist § 123 Abs. 1 VwGO statthaft. Da es sich bei der Zulassung zu der Sendung um einen Realakt handeln dürfte, wäre in der Hauptsache hier die allgemeine Leistungsklage statthaft.

4. Ist das BSW antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog)?

Genau, so ist das!

Der Antragsteller ist im Rahmen des § 123 Abs. 1 VwGO antragsbefugt analog § 42 Abs. 2 VwGO, wenn er geltend macht, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Dazu muss er Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund geltend machen. Anordnungsanspruch meint den materiell-rechtlichen Anspruch, den der Antragsteller verfolgt, der durch den Erlass der einstweiligen Anordnung gesichert oder vorläufig gewährt werden soll. Der Anordnungsgrund betrifft das zeitliche Moment und liegt vor, wenn eine besondere Eilbedürftigkeit besteht. Im Rahmen der Regelungsanordnung besteht der Anordnungsgrund dann, wenn der Erlass der Regelungsanordnung notwendig ist, um erhebliche Nachteile abzuwenden (§ 123 Abs. 1 S. 2 VwGO). Das BSW macht eine mögliche Verletzung ihres Anspruchs auf Chancengleichheit als politische Partei Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und damit einen Anordnungsanspruch geltend. Der Anordnungsgrund besteht in der besonderen Eilbedürftigkeit, da die Sendung bereits in wenigen Tagen stattfindet. Das BSW ist somit antragsbefugt.

5. Der Antrag des BSW ist auch im Übrigen zulässig. Bedarf es allein der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes, damit er begründet ist?

Nein, das trifft nicht zu!

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen (Regelungs-)Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO ist begründet, wenn Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wurden, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO. Zudem darf die Hauptsache nicht unzulässig vorweggenommen werden. „Glaubhaftmachen“ betrifft die Frage des Beweismaßes: Während im Hauptsacheverfahren das Verwaltungsgericht den Sachverhalt bis zur Erlangung seiner Überzeugung (§ 108 Abs. 1 S. 1 VwGO) aufzuklären hat, genügt im vorläufigen Rechtsschutz, dass die tatsächlichen Umstände, aus denen sich Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ergeben, glaubhaft gemacht, d.h. überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. § 294 ZPO). Für Deine Klausur ergibt sich hieraus jedoch kein Unterschied.

6. Das BSW müsste aber auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen. Könnte ein Teilnahmeanspruch an der „Wahlarena“ sich aus Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ergeben?

Ja!

Art. 21 Abs. 1 GG garantiert politischen Parteien die Freiheit ihrer Gründung und die Möglichkeit der Mitwirkung an der politischen Willensbildung. Dies erfordert, dass diese Mitwirkung auf der Basis gleicher Rechte und gleicher Chancen erfolgt (BVerfG, 2 BvE 1/16), sog. Grundsatz der Chancengleichheit der politischen Parteien. Aus Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich daher ein Anspruch der Parteien auf Gleichbehandlung. Sie müssen danach die gleichen Möglichkeiten zur Mitwirkung am Meinungsbildungsprozess haben. Insbesondere zu Zeiten des Wahlkampfs muss die gleiche Chance im Wettbewerb gewährleistet sein. Da es hier um den Wahlkampf vor der Bundestagswahl geht, ließe sich der Anspruch auf chancengleiche Behandlung der Parteien auch aus Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl nach Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG ableiten.

7. Liegt in der Nichteinladung in die „Wahlarena“ durch die ARD ein Eingriff in das Recht des BSW auf Chancengleichheit (Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG)?

Genau, so ist das!

Der Gleichbehandlungsanspruch der Parteien aus Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG garantiert ihr Recht, die gleichen Möglichkeiten zur Mitwirkung am Meinungsbildungsprozess zu haben und in gleicher Weise im Wettbewerb, um die Wählerstimmen anzutreten. Dazu gehört es, dass öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten den politischen Parteien bei redaktionell gestalteten Sendungen grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten offenhalten (RdNr. 6). Der Teilnahme an Sendungen wie der Wahlarena wie allgemein politischen Debatten im Fernsehen kommt wegen der großen Breitenwirkung und Suggestivkraft der Medien erhebliche Bedeutung für den Wahlkampf zu. Indem das BSW aus dem Format ausgeschlossen wird, ist es ihm nicht in gleicher Weise möglich, insoweit in den Kampf um Wählerstimmen einzutreten wie die eingeladenen anderen vier Parteien. Die ARD als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt hat das BSW folglich ungleich behandelt, sodass ein Eingriff in dessen Recht aus Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG gegeben ist.

8. Gilt der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien aus Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG absolut und uneingeschränkt?

Nein, das trifft nicht zu!

Der Gleichbehandlungsanspruch bzw. Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien gilt nicht absolut und schrankenlos. Vielmehr handelt es sich um ein Prinzip der abgestuften Chancengleichheit der Parteien (RdNr. 6): Politische Parteien können je nach ihrer Bedeutung abgestuft behandelt werden. Für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten heißt das, dass sie bei der Auswahl des Teilnehmerkreises an redaktionellen Sendungen die Parteien entsprechend ihrer Bedeutung berücksichtigen müssen und insoweit ungleich behandeln können. Die Ungleichbehandlung politischer Parteien kann auch durch einen bestimmten sachlichen Grund, etwa widerstreitende Grundrechte, gerechtfertigt sein. Einfachgesetzlich kommt der Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit in § 5 Abs. 1 S. 2 PartG zum Ausdruck. Danach kann der Umfang für Gewährungen an Parteien nach ihrer Bedeutung bis zu einem erforderlichen Mindestmaß abgestuft werden.

9. Der Eingriff könnte also verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Kann die ARD als juristische Person des öffentlichen Rechts sich auf die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 1 GG) als widerstreitendes Grundrecht berufen?

Ja!

Im Grundsatz gilt, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts, d.h. Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, grundrechtsgebunden sind (Art. 1 Abs. 3 GG) und dementsprechend selbst nicht grundrechtsberechtigt sind (sog. Konfusionsargument). Eine Ausnahme gilt hinsichtlich öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten: Diese sind bezüglich der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 2 GG) grundrechtsberechtigt, da insoweit eine grundrechtstypische Gefährdungslage vorliegt. Die Rundfunkfreiheit der ARD kommt hier daher als Schranke von Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht. Andere Ausnahmen, in denen juristische Personen des Öffentlichen Rechts grundrechtsberechtigt sind, sind Universitäten hinsichtlich der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 2-4 GG) und öffentlich-rechtlich organisierte Religionsgemeinschaften, die umfassend grundrechtsberechtigt sind.

10. Ist Schutzbereich der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 2 GG) der ARD hier eröffnet?

Genau, so ist das!

In sachlicher Hinsicht schützt Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 2 GG die Freiheit des Rundfunks. Rundfunk meint jede an eine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtete drahtlose oder drahtgebundene Übertragung von Gedankeninhalten durch elektromagnetische Wellen. Geschützt sind sämtliche mit der Veranstaltung von Rundfunk verbundenen Tätigkeiten, von der Informationsbeschaffung bis zur Informationsverbreitung. Dazu gehört insbesondere auch die Programmfreiheit. Bei der ARD-„Wahlarena“ handelt es sich um eine Fernsehsendung, also eine an die Allgemeinheit gerichtete Übertragung durch elektromagnetische Wellen und somit Rundfunk. Die Entscheidung, wie die Sendung gestaltet wird und welche Teilnehmer eingeladen werden, betrifft die Programmfreiheit der Rundfunkanstalt. Somit ist der Schutzbereich der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 2 GG) eröffnet. Die Grenze der Programmfreiheit der Rundfunkanstalten wiederum ergibt sich aus deren Programmgrundsätzen bzw. deren Auftrag. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ergibt der Auftrag sich aus § 26 MStV. Danach müssen die ÖRR-Anstalten den Prozess freier Meinungsbildung fördern. Erforderlich ist dafür, dass ihr Programm alle Parteien ausgeglichen berücksichtigt.

11. Notwendig ist somit die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Chancengleichheit des BSW und Rundfunkfreiheit der ARD. Ist es von vornherein unzulässig, dass nur ausgewählte Parteien zur Wahlarena eingeladen werden?

Nein, das trifft nicht zu!

Die ARD hat als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 2 GG ein Recht auf Programmfreiheit. Deshalb ist das Konzept einer redaktionellen Sendung unter Berücksichtigung der Bedeutung der Parteien grundsätzlich ein tragfähiges Differenzierungskriterium, soweit das Sendekonzept bei Gesamtbetrachtung ausgewogen ist und alle Parteien im Gesamtprogramm, nicht notwendigerweise in der konkreten Sendung, angemessen berücksichtigt werden (RdNr. 6; VG Köln, RdNr. 25). VG Köln: Das redaktionelle Konzept der Wahlarena ist ein „Townhall-Meeting“-Format. Die Spitzenkandidaten von Parteien, die die reale Chance haben, an der nächsten Regierung beteiligt zu sein und den Kanzler zu stellen, treffen nacheinander auf das Publikum und stellen sich seinen Fragen. Das Sendeziel ist, dass der Bürger sich über die Parteien ein aussagekräftiges Bild verschaffen kann (VG Köln, RdNr. 29ff.) Aus diesem Grund wurden nur CDU, SPD, Grüne und AfD eingeladen, die sich in aktuellen Umfragen „konstant und deutlich“ von anderen Parteien abheben und reelle Chancen darauf haben, stärkste Kraft in der nächsten Bundesregierung zu werden (VG Köln, RdNr. 34). Die Notwendigkeit der Begrenzung der Zahl eingeladener Parteien ergibt sich auch aus der begrenzten Sendezeit (RdNr. 11, 33). Müsste diese auf noch mehr Parteien verteilt werden, wäre dies dem Sendeziel abträglich (VG Köln, RdNr. 57ff.) und würde die Rundfunkanstalt zwingen, erheblich von ihrem Sendekonzept abzuweichen.

12. In Umfragen erreicht das BSW gegenwärtig 3-5% der Stimmen, die vier zur Wahlarena eingeladenen Parteien alle deutlich zweistellige Ergebnisse. Kann deshalb von einer geringeren Bedeutung des BSW ausgegangen werden?

Ja!

Zur Ermittlung der gegenwärtigen Bedeutung der politischen Parteien bedarf es einer Würdigung der konkreten Gesamtsituation. Indizien sind das vorhergehende Wahlergebnis, aktuelle Umfrageergebnisse, die Kontinuität der Partei, ihre Mitgliederzahl, Umfang und Ausbau ihres Organisationsnetzes sowie ihre Vertretung im Parlament und Beteiligung an Bundes- und Landesregierungen (VG Köln, RdNr. 32). VG Köln: Hier ergibt sich die geringere Bedeutung des BSW gegenüber anderen Parteien, insbesondere aus den aktuellen Umfrageergebnissen. Daraus ergibt sich, dass keine reale Chance auf eine Regierungsbeteiligung oder gar Kanzlerschaft besteht, das BSW vielmehr um den Einzug in das Parlament kämpft (VG Köln, RdNr. 42). Zwar ist es dem BSW in kurzer Zeit gelungen, eine gefestigte Organisationsstruktur aufzubauen und eine nicht unerhebliche Wählerschaft zu erreichen. Allerdings hat sie gegenüber den anderen Parteien geringere Mitgliederanzahl sowie an Mandaten im Bundestag sowie Landtagen (VG Köln, RdNr. 47ff.). Auch daraus ergibt sich ihre geringere Bedeutung, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigt.

13. Für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 S. 2 VwGO) bedarf es eines Anordnungsgrundes. Scheitert der Antrag bereits daran, dass es hier an einem Anordnungsgrund fehlt?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Anordnungsgrund für eine einstweilige Regelungsanordnung liegt vor, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 S. 2 VwGO). Das BSW begehrt wenige Tage vor der Wahlarena die Teilnahme, sodass eine besondere Eilbedürftigkeit besteht. Da die Nichteinladung einen (nicht unerheblichen) Eingriff in den Gleichbehandlungsanspruch des BSW begründen könnte, der sich nachträglich nicht beseitigen lässt, ist ein Anordnungsgrund zu bejahen. Typischerweise prüfst Du in Deiner Klausur zunächst den Anspruchsanspruch und danach den Anordnungsgrund, aber dies ist nicht zwingend. Im Prüfungsaufbau hast Du gewisse Freiheit. Sollte die Begründetheit des Antrags am fehlenden Anordnungsanspruch scheitern, müsstest Du den Anordnungsgrund entweder vorziehen oder hilfsgutachterlich prüfen.

14. Das BSW wird im Übrigen in diversen Wahldebatten und Talkshow-Formaten berücksichtigt. Genügt das Sendekonzept der ARD somit den Anforderungen an den Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit?

Ja, in der Tat!

Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten müssen die politischen Parteien im Grundsatz – wegen Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG – gleich behandeln. Möglich ist aber die Abstufung nach der Bedeutung der jeweiligen Partei durch das Sendekonzept, soweit dieses ausgewogen ist und alle Parteien im Gesamtprogramm, nicht notwendigerweise in der konkreten Sendung, angemessen berücksichtigt werden. OVG Münster: Gemessen an der Bedeutung des BSW wird ihrem Anspruch auf Chancengleichheit durch die Berichterstattung im Gesamtprogramm Genüge getan (VG Köln, RdNr. 51). Das BSW und ihre Spitzenkandidatin werden in diversen anderen Wahldebatten, Dokumentationen, Interviews und Talkshow-Formaten berücksichtigt, ebenso etwa direkt im Anschluss an die Wahlarena am Abend des 17.02.2025 (RdNr. 28ff.). Somit wird der Gleichbehandlungsanspruch des BSW durch das Gesamtprogramm der ARD gewahrt. Die Nichteinladung des BSW zu der Wahlarena ist somit durch das Sendekonzept gerechtfertigt und eine Verletzung des BSW in Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG besteht nicht; ein Anordnungsanspruch wurde somit nicht glaubhaft gemacht. In einem ähnlich gelagerten Fall entschied der VGH Mannheim (Beschl. v. 05.02.2025, Az. 1 S 164/25) zur Wahlarena-Sendung des SWR, dass das BSW unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit eingeladen werden musste, da dort auch die FDP mit ähnlichen Umfrageergebnissen eingeladen wurde. Das redaktionelle Konzept rechtfertigte es dort also nicht, anders als im hiesigen Fall, das BSW auszuschließen.

15. Ist der Antrag des BSW begründet und hat Aussicht auf Erfolg?

Nein, das ist nicht der Fall!

Wiederholung: Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen (Regelungs-)Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO ist begründet, wenn Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wurden, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO. Zudem darf die Hauptsache nicht unzulässig vorweggenommen werden. Mangels Verletzung des Rechts des BSW als politische Partei auf Chancengleichheit (Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) fehlt es hier an einem Anordnungsanspruch. Der Antrag ist daher unbegründet und hat keinen Erfolg. Das BSW hat gegen diese Entscheidung des OVG NRW Verfassungsbeschwerde beim BVerfG erhoben. Das BVerfG hat diese nicht zur Entscheidung angenommen, da der Beschwerdeführer die Verletzung in Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG nicht schlüssig dargelegt hat (BVerfG Beschl. v. 15.02.2025, Az. 2 BvR 230/25).

16. Im Rahmen des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 S. 2 VwGO) darf die Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Ist der Antrag hier deshalb unbegründet, weil durch eine Entscheidung zugunsten des BSW die Hauptsache vorweggenommen würde?

Nein, das trifft nicht zu!

Grundsätzlich gilt das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache: Es dürfen keine Anordnungen ergehen, die die Hauptsache gegenstandslos machen würden, da die begehrte Rechtsposition bereits endgültig eingeräumt wird. Eine Vorwegnahme der Hauptsache kann aber ausnahmsweise wegen der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG) zulässig sein (VG Köln, RdNr. 8), wenn ein Obsiegen in Hauptsache höchstwahrscheinlich ist und ansonsten nicht mehr zu beseitigende Nachteile entstünden. Sofern Anordnungsanspruch und -grund bestünden, könnte die Vorwegnahme der Hauptsache durch Einladung des BSW zur Wahlarena hier ausnahmsweise zulässig sein. Denn der durch Nichteinladung entstehende Nachteil im Wahlkampf wäre für das BSW nachträglich nicht mehr zu beseitigen. Dies wäre mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG) nicht vereinbar.
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

NI

Niro95

22.2.2025, 07:30:37

Warum stützt man sich als AGL nicht auf 5 PartG? Wieso braucht es da Art 21 iVm

Art 3 GG

?

BI

Bijo

22.2.2025, 17:38:10

Ich finde 5 I PartG ist eher eine Norm der Rechtfertigung als eine AGL

Lorena.Giacco

Lorena.Giacco

24.2.2025, 09:25:10

Hallo @[Niro95](239383), Danke für die gute Frage! Die einfachgesetzliche Regelung des § 5 Abs. 1 S. 1 PartG setzt voraus, dass ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien „öffentliche Leistungen“ gewährt. Unter öffentliche Leistungen versteht man eine bewusste und

zweckgerichtet

e Gewährung wettbewerbserheblicher Vorteile an die teilnehmenden Parteien. Bei redaktionell gestalteten Sendungen und Diskussionsformaten wie der „Wahlarena“ fehlt es nach der Rspr. aber an einer bewussten,

zweckgerichtet

en

Vorteilsgewährung

(vgl. etwa OVG NRW, Beschl. v. 30.04.2012 – 13 B 528/12; VG Köln Beschl. v. 26.04.2012 – 6 L 502/12): Die ARD als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt möchte (und darf) nicht für die einzelnen Parteien werben, ihnen also Vorteile gewähren, sondern erfüllt mit der Sendung allein ihre Aufgabe, den öffentlichen Meinungsbildungsprozess zu fördern. Dass durch diese redaktionellen Sendungen mittelbar auch ein Werbeeffekt erzielt wird, ist als bloßer Nebeneffekt unbeachtlich (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.08.2002 - 2 BvR 1332/02 –, juris Rn. 4), da jedenfalls nicht gezielt geworben wird. Daher fehlt es hier (nach h.M.) an der öffentlichen Leistung und der Anspruch kann nur auf den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsanspruch aus Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG gestützt werden. Anders läge es aber bei der Bereitstellung von freien Werbeblöcken oder Sendezeiten für Wahlwerbung, die der Selbstdarstellung der Parteien dienen: Diese könnten die Parteien frei gestalten und dienen ja ganz gezielt und

zweckgerichtet

der Parteiwerbung. Insoweit läge eine öffentliche Leistungsgewährung also vor und § 5 Abs. 1 S. 1 PartG könnte als AGL herangezogen werden. Ich hoffe das hilft! Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team

Lorena.Giacco

Lorena.Giacco

24.2.2025, 09:26:52

Hallo @[Pio](257010), Danke für Deinen Kommentar. Im Rahmen des § 5 Abs. 1 PartG muss unterschieden werden: § 5 Abs. 1 S. 1 PartG stellt tatsächlich, wie @[Niro95](239383) richtig festgestellt hat, eine Anspruchsgrundlage dar. Sie ist gerichtet auf die Gewährung öffentlicher Leistungen an politische Parteien durch Hoheitsträger. Du beziehst Dich wahrscheinlich auf § 5 Abs. 1 S. 2 PartG und hast insoweit völlig Recht, dass dieser Satz 2 die Rechtfertigungsebene betrifft, nämlich die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von Parteien nach dem Prinzip abgestufter Chancengleichheit. Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team

Amelie

Amelie

22.2.2025, 18:43:09

Cool gemachtes Bild!

Linne Hempel

Linne Hempel

12.3.2025, 09:04:21

Hallo Amelie, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team

Whale

Whale

1.3.2025, 14:21:08

Hi! Wenn ich die Möglichkeit der Rechtsverletzung in der

Antragsbefugnis

prüfe, prüfe ich auch den Anordnungsgrund und -anspruch, aber wie detailliert mache ich das in der Zulässigkeit, wenn dies doch erst in der

Begründetheit

erst richtig geprüft wird?

Lorena.Giacco

Lorena.Giacco

3.3.2025, 14:30:21

Hallo @[Whale](252844), danke für Deine gute Frage! Genau, im Rahmen der

Antragsbefugnis

kommt es nach § 42 Abs. 2 VwGO (analog) darauf an, dass der Antragsteller geltend macht, in seinen Rechten verletzt zu sein. Es genügt hierfür die Möglichkeit der Rechtsverletzung (sog.

Möglichkeitstheorie

). Diese ist gegeben, wenn die Rechtsverletzung nicht eindeutig und von vornherein ausgeschlossen werden kann, wenn also 1) der geltend gemachte Anspruch möglicherweise besteht und 2) die Möglichkeit eines Anordnungsgrundes gegeben ist. Im Rahmen der

Antragsbefugnis

genügen hinsichtlich des Anordnungsanspruchs und -grundes in der Klausur in der Regel kurze Ausführungen, zum Anordnungsanspruch hier etwa: „Das BSW macht die Verletzung in seinem Recht auf Chancengleichheit als politische Partei gemäß Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG geltend. Dass der Antragsteller durch die Nichteinladung zu der „ARD-Wahlarena“ in diesem Recht verletzt ist, ist nicht von vornherein ausgeschlossen und somit möglich. Mithin wurde ein Anordnungsanspruch geltend gemacht.“ Ob die Rechtsverletzung tatsächlich besteht (bzw. glaubhaft gemacht wurde), ist dann aber eine Frage der

Begründetheit

und dort prüfst Du die Verletzung dann detailliert, wie Du schon richtig festgestellt hast. Der Unterschied liegt also im

Prüfungsmaßstab

: Für die Zulässigkeit genügt das „geltend machen“ (§ 42 Abs. 2 VwGO), also die Behauptung der Möglichkeit, in der

Begründetheit

bedarf es einer „

Glaubhaftmachung

“ (§ 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2,

294 ZPO

). Ich hoffe das hilft! Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team

GVE

gottloser Vernunftsjurist

14.4.2025, 21:23:13

@[Lorena Giacco](114291) Bei der

Vorwegnahme der Hauptsache

wurde ja noch gesagt, die einstweile Anordnung könne im Ausnahmefall doch zulässig sein, wenn das Obsiegen überaus wahrscheinlich ist. Das klingt eigentlich so, als müsste man die

summarische Prüfung

der

Begründetheit

bereits an dieser Stelle vornehmen. Ist das richtig oder müsste man dann auf die

Begründetheit

verweisen?

Lorena.Giacco

Lorena.Giacco

15.4.2025, 15:50:40

@[gottloser Vernunftsjurist](220959) Hallo und danke auch für Deine gute Frage! Ob und inwieweit im Rahmen der Zulässigkeit bereits auf die

Vorwegnahme der Hauptsache

einzugehen ist, wird unterschiedlich gehandhabt. Empfehlenswert ist es – wenn der Sachverhalt dazu Anlass bietet – das Verbot der

Vorwegnahme der Hauptsache

in der Zulässigkeit im Rahmen des

Rechtsschutzbedürfnis

ses (nur kurz) anzusprechen. Unzulässig ist ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO wegen einer

Vorwegnahme der Hauptsache

nur dann, wenn er auf ein Begehren gerichtet ist, das von vornherein nicht nur vorläufig gewährt werden kann (z. B. dauerhafter Bezug von Sozialhilfe, vgl. Detterbeck, Rn. 1535; oder die vorläufige Ernennung als Beamter – solche Entscheidungen sind grundsätzlich nur endgültig möglich). Im Beispielsfall hier: Eine Einladung zur Wahlarena könnte auch nur vorläufig ausgesprochen und später aufgehoben werden. Das Begehren des BSW ist daher einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz generell zugänglich – der Antrag ist nicht bereits deshalb unzulässig. Den von Dir angesprochenen Punkt – die ausnahmsweise Zulässigkeit einer faktischen Vor

wegnahme

im Einzelfall – würde ich hingegen erst in der

Begründetheit

ansprechen, in der Regel nach der Prüfung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, unter einem gesonderten Punkt III. Wenn beides bejaht wird, spricht das regelmäßig für eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit auch in der Hauptsache und kann eine Vor

wegnahme

im Einzelfall rechtfertigen. So musst Du in der Zulässigkeit nichts vorwegnehmen. Ich hoffe, das beantwortet Deine Frage! :) Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team

julia_purpose

julia_purpose

1.3.2025, 14:41:18

Um einfach mal was nettes zu sagen, ein riesen Lob an das Team!! Es ist nicht zu fassen, wie schnell ihr arbeitet. Für Examenskandidaten, die kurz vor der Prüfung stehen, ist es unfassbar wertvoll, wichtige Entscheidungen so schnell und qualitativ hochwertig aufbereitet zu bekommen. Ihr seid klasse. DANKE!!!

FABY

Faby

1.3.2025, 23:20:09

Da kann ich mich nur anschließen!

Lorena.Giacco

Lorena.Giacco

3.3.2025, 14:38:48

Herzlichen Dank für Euer nettes Lob @[julia_purpose](145904) und @[Faby](34121)! Darüber freuen wir uns sehr und hoffen immer, euch bestmöglich unterstützen zu können :) Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team

Julian Ost

Julian Ost

23.5.2025, 14:37:07

Da muss ich mich anschließen, gerade die Verbindung von Parteienrecht und Prozessrecht war hier super gut!

IM

immoscout

1.5.2025, 13:24:55

Ist Art. 38 I 1 GG im Verhältnis zu Art. 3 I GG als spezielle Ausprägung des Gleichheitsgrundsatzes nicht spezieller im Vorfeld von Wahlen und arbeitet das OVG hier nicht streng genommen unsauber? vgl. BVerfGE 91, 262, 269.

IM

immoscout

1.5.2025, 13:44:00

"Andere Ausnahmen, in denen

juristische Personen des Öffentlichen Rechts

grundrechtsberechtigt sind, sind [...] öffentlich-rechtlich organisierte Religionsgemeinschaften hinsichtlich der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1, 2 GG)." Religionsgemeinschaften sind umfassend grundrechtsberechtigt und nicht nur hinsichtlich Art. 4 GG

LorenaGiacco

LorenaGiacco

12.5.2025, 11:45:28

Hallo @[immoscout](301353), vielen Dank für Deinen berechtigten Einwand! Damit hast du vollkommen Recht, haben wir nun korrigiert. Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team

LCHA

lcharly

7.5.2025, 12:20:37

Ihr habt geschrieben, dass in der Hauptsache die

Leistungsklage

richtige Klageart wäre. Warum nicht die

Verpflichtungsklage

? Was unterscheidet den Zugang zur Wahlarena zum

Zugang zu öffentlichen Einrichtungen

(zB einer Stadthalle), bei der regelmäßig eine

Verpflichtungsklage

geprüft wird?

LorenaGiacco

LorenaGiacco

12.5.2025, 11:40:48

Hallo @[lcharly](300007) und danke für die gute Frage! Vorab: Weder das VG Köln, noch das OVG NRW äußerten sich zu der Frage, ob die Einladung zur Wahlarena einen Verwaltungsakt darstellt und welche Klageart demnach in der Hauptsache statthaft wäre. Auch in der sonstigen Rspr. und Literatur finden sich dazu kaum Ausführungen. Diesen Hinweis haben wir also nach unserer Einschätzung selbst ergänzt und eine andere Ansicht ist sicherlich vertretbar. Die ARD als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt hat grundsätzlich die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten, sog. VA-Befugnis. Wir sind der Auffassung, dass es sich bei der hier begehrten Einladung zur Wahlarena aber um einen

Realakt

handelt und daher die allg.

Leistungsklage

statthaft wäre: Ausgehend von der Definition des Verwaltungsakts in § 35 S. 1 VwVfG stehen hier die Merkmale der „

hoheitlich

en Maßnahme“ bzw. „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“ infrage. Diese setzen beide voraus, dass die Maßnahme dem Öffentlichen Recht zuzurechnen ist, d.h. die streitentscheidende Norm ausschließlich einen Träger

hoheitlich

er Gewalt als solchen berechtigt oder verpflichtet (

Sonderrechtslehre

), bzw. sich die

Beteiligte

n in einem Über-/Unterordnungsverhältnis befinden (

Subordinationstheorie

). Hier: Die (Nicht)Einladung zur Wahlarena auf Grundlage des Sendekonzepts wirkt programmgestaltend. Die ARD übt damit ihre Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 2 GG) in Form ihrer Programmfreiheit aus. Sie wird in dieser Funktion also gerade nicht als Träger

hoheitlich

er Gewalt, sondern als Grundrechtsträger tätig. Die Entscheidung darüber, wie das Sendeprogramm gestaltet wird, betrifft den „ureigenen Programmauftrag“ (Bethge, ZUM 2003, 253 (258)) der Rundfunkanstalt in ihrer grundrechtlich geschützten Stellung und gerade nicht als Hoheitsträger. Dies ist auch der entscheidende Unterschied zu den von Dir genannten Fällen des Zugangs zu öffentlichen Einrichtungen, etwa den Stadthallen-Fällen: Dort handelt etwa die Gemeinde bei der Vergabe in

hoheitlich

er Funktion, nicht in Ausübung von Grundrechten, weshalb dort ein Verwaltungsakt gegeben ist. Die politische Partei und die ARD stehen sich hier also auf der Ebene der Gleichordnung gegenüber. Dies spricht gegen eine „

hoheitliche Maßnahme

“ i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG, sodass wir einen Verwaltungsakt ablehnen würden und die allg.

Leistungsklage

für die richtige

statthafte Klageart

halten. Ich hoffe, das hilft! Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team

DDoubleYou

DDoubleYou

3.6.2025, 11:45:38

Liebe @[LorenaGiacco](300080), vielen Dank für deine guten Ausführungen! Bedeutet deine Subsumtion bzgl. der Verwaltungsaktqualität nicht, dass der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I 1 VwGO gar nicht eröffnet ist? Dann müsste der Zivilrechtsweg eröffnet sein (§ 13 GVG)? Davon ging das VG Köln und das OVG Münster aber anscheinend nicht aus (sonst hätten sie wohl nicht entschieden oder lag ein Fall von § 17a V GVG vor?) Vielen Dank! :)

LorenaGiacco

LorenaGiacco

3.6.2025, 15:06:26

Lieber @[DDoubleYou](155636), vielen Dank für die Nachfrage und gut, dass du nochmal nachhakst! Gehen wir es einmal kleinschrittig durch. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, sofern keine abdrängende Sonderzuweisung greift. Öffentlich-rechtlich ist die Streitigkeit, wenn die streitentscheidende Norm (= die Norm, um deren unmittelbare Rechtsfolge gestritten wird) dem Öffentlichen Recht angehört. Hier wird ja darüber gestritten, ob dem BSW ein Anspruch auf Zulassung zur Wahlarena aus Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG zusteht. Diese verfassungsrechtlichen Normen – das Recht auf Chancengleichheit politischer Parteien bzw. die Pflicht zur Gleichbehandlung politischer Parteien – verpflichten einseitig Hoheitsträger. Nach der modifizierten Subjekttheorie gehören die Normen also dem Öffentlichen Recht an und die Streitigkeit ist somit öffentlich-rechtlicher Natur. Zudem ist sie auch nichtverfassungsrechtlicher Art, da die ARD als Rundfunkanstalt kein unmittelbar am Verfassungsleben

Beteiligte

r ist. Auch greift keine abdrängende Sonderzuweisung. Also: Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet. Auch wenn es auf den ersten Blick nach dem Beitrag oben zur VA-Qualität ggf. seltsam erscheint, passt beides zusammen: Zwar handelt die ARD hier – wie oben erläutert – nicht

hoheitlich

, sondern im Rahmen ihrer Programmfreiheit als Grundrechtsträgerin, sodass kein Verwaltungsakt vorliegt. Die Streitigkeit ist aber mit obiger Begründung dennoch öffentlich-rechtlich. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs hat nicht zur Voraussetzung, dass ein VA vorliegen muss, auch ein

Realakt

ist eine öffentlich-rechtliche Handlungsform. (Übrigens war das früher anders – vor Erlass der VwGO 1960 war der Verwaltungsrechtsschutz tatsächlich nur gegen Verwaltungsakte eröffnet.) Anders sähe es aus, würde das BSW sich nicht gegen eine öffentlich-rechtliche, sondern eine privatrechtliche Rundfunkanstalt (zB RTL) richten. Dann hättest Du Recht, dass der Zivilrechtsweg eröffnet wäre. Gegenüber dem privaten Sender könnte die Partei sich ja nicht (unmittelbar) auf eine Verletzung von Art. 21 iVm 3 GG berufen (dort dann allenfalls mittelbare Drittwirkung etwa über eine Generalklausel). Die streitentscheidenden Normen dort wären also keine des Öffentlichen Rechts und die Streitigkeit nicht öffentlich-rechtlihc. Ich hoffe, das beantwortet Deine Frage und hilft! :) Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team

DDoubleYou

DDoubleYou

3.6.2025, 15:12:22

Vielen Dank für die Klarstellung und super Erklärung! Ja, es hat mir sehr geholfen :) Beste Grüße


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community