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Teilnahmeanspruch politischer Parteien an ARD-„Wahlarena 2025“? (OVG NRW, Beschl. v. 14.02.2025, 13 B 105/25)
Teilnahmeanspruch politischer Parteien an ARD-„Wahlarena 2025“? (OVG NRW, Beschl. v. 14.02.2025, 13 B 105/25)
10. Juni 2025
22 Kommentare
4,7 ★ (44.703 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Anlässlich der Bundestagswahl 2025 veranstaltet die ARD die Sendung „Wahlarena“ am 17.02.2025. Es wurden die Spitzenkandidaten von CDU/CSU, SPD, Grünen und AfD eingeladen, da diese nach Umfragen die größten Chancen auf Regierungsbeteiligung haben. Das BSW sieht sich dadurch in seiner Chancengleichheit verletzt.
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Einordnung des Falls
Teilnahmeanspruch politischer Parteien an ARD-„Wahlarena 2025“? (OVG NRW, Beschl. v. 14.02.2025, 13 B 105/25)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 16 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Das BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) möchte gerichtlich erreichen, als politische Partei auch noch in die „Wahlarena“ am 17.02.2025 eingeladen zu werden. Ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet?
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Das BSW möchte wenige Tage vor der Sendung die Teilnahme an der ARD-Sendung erreichen. Ist allein die Erhebung einer Klage in der Hauptsache zielführend?
Nein, das trifft nicht zu!
3. Das BSW begehrt, dass die ARD sie zu der „Wahlarena“ einladen muss. Ist die einstweilige Sicherungsanordnung (§ 123 Abs. 1 S. 1 VwGO) die statthafte Antragsart?
Nein!
4. Ist das BSW antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog)?
Genau, so ist das!
5. Der Antrag des BSW ist auch im Übrigen zulässig. Bedarf es allein der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes, damit er begründet ist?
Nein, das trifft nicht zu!
6. Das BSW müsste aber auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen. Könnte ein Teilnahmeanspruch an der „Wahlarena“ sich aus Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG ergeben?
Ja!
7. Liegt in der Nichteinladung in die „Wahlarena“ durch die ARD ein Eingriff in das Recht des BSW auf Chancengleichheit (Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG)?
Genau, so ist das!
8. Gilt der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien aus Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG absolut und uneingeschränkt?
Nein, das trifft nicht zu!
9. Der Eingriff könnte also verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Kann die ARD als juristische Person des öffentlichen Rechts sich auf die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 1 GG) als widerstreitendes Grundrecht berufen?
Ja!
10. Ist Schutzbereich der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 2 GG) der ARD hier eröffnet?
Genau, so ist das!
11. Notwendig ist somit die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen Chancengleichheit des BSW und Rundfunkfreiheit der ARD. Ist es von vornherein unzulässig, dass nur ausgewählte Parteien zur Wahlarena eingeladen werden?
Nein, das trifft nicht zu!
12. In Umfragen erreicht das BSW gegenwärtig 3-5% der Stimmen, die vier zur Wahlarena eingeladenen Parteien alle deutlich zweistellige Ergebnisse. Kann deshalb von einer geringeren Bedeutung des BSW ausgegangen werden?
Ja!
13. Für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 S. 2 VwGO) bedarf es eines Anordnungsgrundes. Scheitert der Antrag bereits daran, dass es hier an einem Anordnungsgrund fehlt?
Nein, das ist nicht der Fall!
14. Das BSW wird im Übrigen in diversen Wahldebatten und Talkshow-Formaten berücksichtigt. Genügt das Sendekonzept der ARD somit den Anforderungen an den Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit?
Ja, in der Tat!
15. Ist der Antrag des BSW begründet und hat Aussicht auf Erfolg?
Nein, das ist nicht der Fall!
16. Im Rahmen des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 S. 2 VwGO) darf die Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Ist der Antrag hier deshalb unbegründet, weil durch eine Entscheidung zugunsten des BSW die Hauptsache vorweggenommen würde?
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Niro95
22.2.2025, 07:30:37
Bijo
22.2.2025, 17:38:10
Ich finde 5 I PartG ist eher eine Norm der Rechtfertigung als eine AGL

Lorena.Giacco
24.2.2025, 09:25:10
Hallo @[Niro95](239383), Danke für die gute Frage! Die einfachgesetzliche Regelung des § 5 Abs. 1 S. 1 PartG setzt voraus, dass ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien „öffentliche Leistungen“ gewährt. Unter öffentliche Leistungen versteht man eine bewusste und
zweckgerichtete Gewährung wettbewerbserheblicher Vorteile an die teilnehmenden Parteien. Bei redaktionell gestalteten Sendungen und Diskussionsformaten wie der „Wahlarena“ fehlt es nach der Rspr. aber an einer bewussten,
zweckgerichteten
Vorteilsgewährung(vgl. etwa OVG NRW, Beschl. v. 30.04.2012 – 13 B 528/12; VG Köln Beschl. v. 26.04.2012 – 6 L 502/12): Die ARD als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt möchte (und darf) nicht für die einzelnen Parteien werben, ihnen also Vorteile gewähren, sondern erfüllt mit der Sendung allein ihre Aufgabe, den öffentlichen Meinungsbildungsprozess zu fördern. Dass durch diese redaktionellen Sendungen mittelbar auch ein Werbeeffekt erzielt wird, ist als bloßer Nebeneffekt unbeachtlich (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.08.2002 - 2 BvR 1332/02 –, juris Rn. 4), da jedenfalls nicht gezielt geworben wird. Daher fehlt es hier (nach h.M.) an der öffentlichen Leistung und der Anspruch kann nur auf den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsanspruch aus Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG gestützt werden. Anders läge es aber bei der Bereitstellung von freien Werbeblöcken oder Sendezeiten für Wahlwerbung, die der Selbstdarstellung der Parteien dienen: Diese könnten die Parteien frei gestalten und dienen ja ganz gezielt und
zweckgerichtetder Parteiwerbung. Insoweit läge eine öffentliche Leistungsgewährung also vor und § 5 Abs. 1 S. 1 PartG könnte als AGL herangezogen werden. Ich hoffe das hilft! Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team

Lorena.Giacco
24.2.2025, 09:26:52
Hallo @[Pio](257010), Danke für Deinen Kommentar. Im Rahmen des § 5 Abs. 1 PartG muss unterschieden werden: § 5 Abs. 1 S. 1 PartG stellt tatsächlich, wie @[Niro95](239383) richtig festgestellt hat, eine Anspruchsgrundlage dar. Sie ist gerichtet auf die Gewährung öffentlicher Leistungen an politische Parteien durch Hoheitsträger. Du beziehst Dich wahrscheinlich auf § 5 Abs. 1 S. 2 PartG und hast insoweit völlig Recht, dass dieser Satz 2 die Rechtfertigungsebene betrifft, nämlich die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von Parteien nach dem Prinzip abgestufter Chancengleichheit. Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team

Amelie
22.2.2025, 18:43:09
Cool gemachtes Bild!

Linne Hempel
12.3.2025, 09:04:21
Hallo Amelie, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team

Whale
1.3.2025, 14:21:08
Hi! Wenn ich die Möglichkeit der Rechtsverletzung in der
Antragsbefugnisprüfe, prüfe ich auch den Anordnungsgrund und -anspruch, aber wie detailliert mache ich das in der Zulässigkeit, wenn dies doch erst in der
Begründetheiterst richtig geprüft wird?

Lorena.Giacco
3.3.2025, 14:30:21
Hallo @[Whale](252844), danke für Deine gute Frage! Genau, im Rahmen der
Antragsbefugniskommt es nach § 42 Abs. 2 VwGO (analog) darauf an, dass der Antragsteller geltend macht, in seinen Rechten verletzt zu sein. Es genügt hierfür die Möglichkeit der Rechtsverletzung (sog.
Möglichkeitstheorie). Diese ist gegeben, wenn die Rechtsverletzung nicht eindeutig und von vornherein ausgeschlossen werden kann, wenn also 1) der geltend gemachte Anspruch möglicherweise besteht und 2) die Möglichkeit eines Anordnungsgrundes gegeben ist. Im Rahmen der
Antragsbefugnisgenügen hinsichtlich des Anordnungsanspruchs und -grundes in der Klausur in der Regel kurze Ausführungen, zum Anordnungsanspruch hier etwa: „Das BSW macht die Verletzung in seinem Recht auf Chancengleichheit als politische Partei gemäß Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG geltend. Dass der Antragsteller durch die Nichteinladung zu der „ARD-Wahlarena“ in diesem Recht verletzt ist, ist nicht von vornherein ausgeschlossen und somit möglich. Mithin wurde ein Anordnungsanspruch geltend gemacht.“ Ob die Rechtsverletzung tatsächlich besteht (bzw. glaubhaft gemacht wurde), ist dann aber eine Frage der
Begründetheitund dort prüfst Du die Verletzung dann detailliert, wie Du schon richtig festgestellt hast. Der Unterschied liegt also im
Prüfungsmaßstab: Für die Zulässigkeit genügt das „geltend machen“ (§ 42 Abs. 2 VwGO), also die Behauptung der Möglichkeit, in der
Begründetheitbedarf es einer „
Glaubhaftmachung“ (§ 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2,
294 ZPO). Ich hoffe das hilft! Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team
gottloser Vernunftsjurist
14.4.2025, 21:23:13
@[Lorena Giacco](114291) Bei der
Vorwegnahme der Hauptsachewurde ja noch gesagt, die einstweile Anordnung könne im Ausnahmefall doch zulässig sein, wenn das Obsiegen überaus wahrscheinlich ist. Das klingt eigentlich so, als müsste man die
summarische Prüfungder
Begründetheitbereits an dieser Stelle vornehmen. Ist das richtig oder müsste man dann auf die
Begründetheitverweisen?

Lorena.Giacco
15.4.2025, 15:50:40
@[gottloser Vernunftsjurist](220959) Hallo und danke auch für Deine gute Frage! Ob und inwieweit im Rahmen der Zulässigkeit bereits auf die
Vorwegnahme der Hauptsacheeinzugehen ist, wird unterschiedlich gehandhabt. Empfehlenswert ist es – wenn der Sachverhalt dazu Anlass bietet – das Verbot der
Vorwegnahme der Hauptsachein der Zulässigkeit im Rahmen des
Rechtsschutzbedürfnisses (nur kurz) anzusprechen. Unzulässig ist ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO wegen einer
Vorwegnahme der Hauptsachenur dann, wenn er auf ein Begehren gerichtet ist, das von vornherein nicht nur vorläufig gewährt werden kann (z. B. dauerhafter Bezug von Sozialhilfe, vgl. Detterbeck, Rn. 1535; oder die vorläufige Ernennung als Beamter – solche Entscheidungen sind grundsätzlich nur endgültig möglich). Im Beispielsfall hier: Eine Einladung zur Wahlarena könnte auch nur vorläufig ausgesprochen und später aufgehoben werden. Das Begehren des BSW ist daher einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz generell zugänglich – der Antrag ist nicht bereits deshalb unzulässig. Den von Dir angesprochenen Punkt – die ausnahmsweise Zulässigkeit einer faktischen Vor
wegnahmeim Einzelfall – würde ich hingegen erst in der
Begründetheitansprechen, in der Regel nach der Prüfung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, unter einem gesonderten Punkt III. Wenn beides bejaht wird, spricht das regelmäßig für eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit auch in der Hauptsache und kann eine Vor
wegnahmeim Einzelfall rechtfertigen. So musst Du in der Zulässigkeit nichts vorwegnehmen. Ich hoffe, das beantwortet Deine Frage! :) Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team

julia_purpose
1.3.2025, 14:41:18
Um einfach mal was nettes zu sagen, ein riesen Lob an das Team!! Es ist nicht zu fassen, wie schnell ihr arbeitet. Für Examenskandidaten, die kurz vor der Prüfung stehen, ist es unfassbar wertvoll, wichtige Entscheidungen so schnell und qualitativ hochwertig aufbereitet zu bekommen. Ihr seid klasse. DANKE!!!
Faby
1.3.2025, 23:20:09
Da kann ich mich nur anschließen!

Lorena.Giacco
3.3.2025, 14:38:48
Herzlichen Dank für Euer nettes Lob @[julia_purpose](145904) und @[Faby](34121)! Darüber freuen wir uns sehr und hoffen immer, euch bestmöglich unterstützen zu können :) Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team
Julian Ost
23.5.2025, 14:37:07
Da muss ich mich anschließen, gerade die Verbindung von Parteienrecht und Prozessrecht war hier super gut!
immoscout
1.5.2025, 13:24:55
Ist Art. 38 I 1 GG im Verhältnis zu Art. 3 I GG als spezielle Ausprägung des Gleichheitsgrundsatzes nicht spezieller im Vorfeld von Wahlen und arbeitet das OVG hier nicht streng genommen unsauber? vgl. BVerfGE 91, 262, 269.
immoscout
1.5.2025, 13:44:00
"Andere Ausnahmen, in denen
juristische Personen des Öffentlichen Rechtsgrundrechtsberechtigt sind, sind [...] öffentlich-rechtlich organisierte Religionsgemeinschaften hinsichtlich der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1, 2 GG)." Religionsgemeinschaften sind umfassend grundrechtsberechtigt und nicht nur hinsichtlich Art. 4 GG

LorenaGiacco
12.5.2025, 11:45:28
Hallo @[immoscout](301353), vielen Dank für Deinen berechtigten Einwand! Damit hast du vollkommen Recht, haben wir nun korrigiert. Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team
lcharly
7.5.2025, 12:20:37
Ihr habt geschrieben, dass in der Hauptsache die
Leistungsklagerichtige Klageart wäre. Warum nicht die
Verpflichtungsklage? Was unterscheidet den Zugang zur Wahlarena zum
Zugang zu öffentlichen Einrichtungen(zB einer Stadthalle), bei der regelmäßig eine
Verpflichtungsklagegeprüft wird?

LorenaGiacco
12.5.2025, 11:40:48
Hallo @[lcharly](300007) und danke für die gute Frage! Vorab: Weder das VG Köln, noch das OVG NRW äußerten sich zu der Frage, ob die Einladung zur Wahlarena einen Verwaltungsakt darstellt und welche Klageart demnach in der Hauptsache statthaft wäre. Auch in der sonstigen Rspr. und Literatur finden sich dazu kaum Ausführungen. Diesen Hinweis haben wir also nach unserer Einschätzung selbst ergänzt und eine andere Ansicht ist sicherlich vertretbar. Die ARD als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt hat grundsätzlich die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten, sog. VA-Befugnis. Wir sind der Auffassung, dass es sich bei der hier begehrten Einladung zur Wahlarena aber um einen
Realakthandelt und daher die allg.
Leistungsklagestatthaft wäre: Ausgehend von der Definition des Verwaltungsakts in § 35 S. 1 VwVfG stehen hier die Merkmale der „
hoheitlichen Maßnahme“ bzw. „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“ infrage. Diese setzen beide voraus, dass die Maßnahme dem Öffentlichen Recht zuzurechnen ist, d.h. die streitentscheidende Norm ausschließlich einen Träger
hoheitlicher Gewalt als solchen berechtigt oder verpflichtet (
Sonderrechtslehre), bzw. sich die
Beteiligten in einem Über-/Unterordnungsverhältnis befinden (
Subordinationstheorie). Hier: Die (Nicht)Einladung zur Wahlarena auf Grundlage des Sendekonzepts wirkt programmgestaltend. Die ARD übt damit ihre Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 2 GG) in Form ihrer Programmfreiheit aus. Sie wird in dieser Funktion also gerade nicht als Träger
hoheitlicher Gewalt, sondern als Grundrechtsträger tätig. Die Entscheidung darüber, wie das Sendeprogramm gestaltet wird, betrifft den „ureigenen Programmauftrag“ (Bethge, ZUM 2003, 253 (258)) der Rundfunkanstalt in ihrer grundrechtlich geschützten Stellung und gerade nicht als Hoheitsträger. Dies ist auch der entscheidende Unterschied zu den von Dir genannten Fällen des Zugangs zu öffentlichen Einrichtungen, etwa den Stadthallen-Fällen: Dort handelt etwa die Gemeinde bei der Vergabe in
hoheitlicher Funktion, nicht in Ausübung von Grundrechten, weshalb dort ein Verwaltungsakt gegeben ist. Die politische Partei und die ARD stehen sich hier also auf der Ebene der Gleichordnung gegenüber. Dies spricht gegen eine „
hoheitliche Maßnahme“ i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG, sodass wir einen Verwaltungsakt ablehnen würden und die allg.
Leistungsklagefür die richtige
statthafte Klagearthalten. Ich hoffe, das hilft! Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team

DDoubleYou
3.6.2025, 11:45:38
Liebe @[LorenaGiacco](300080), vielen Dank für deine guten Ausführungen! Bedeutet deine Subsumtion bzgl. der Verwaltungsaktqualität nicht, dass der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I 1 VwGO gar nicht eröffnet ist? Dann müsste der Zivilrechtsweg eröffnet sein (§ 13 GVG)? Davon ging das VG Köln und das OVG Münster aber anscheinend nicht aus (sonst hätten sie wohl nicht entschieden oder lag ein Fall von § 17a V GVG vor?) Vielen Dank! :)

LorenaGiacco
3.6.2025, 15:06:26
Lieber @[DDoubleYou](155636), vielen Dank für die Nachfrage und gut, dass du nochmal nachhakst! Gehen wir es einmal kleinschrittig durch. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, sofern keine abdrängende Sonderzuweisung greift. Öffentlich-rechtlich ist die Streitigkeit, wenn die streitentscheidende Norm (= die Norm, um deren unmittelbare Rechtsfolge gestritten wird) dem Öffentlichen Recht angehört. Hier wird ja darüber gestritten, ob dem BSW ein Anspruch auf Zulassung zur Wahlarena aus Art. 21 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG zusteht. Diese verfassungsrechtlichen Normen – das Recht auf Chancengleichheit politischer Parteien bzw. die Pflicht zur Gleichbehandlung politischer Parteien – verpflichten einseitig Hoheitsträger. Nach der modifizierten Subjekttheorie gehören die Normen also dem Öffentlichen Recht an und die Streitigkeit ist somit öffentlich-rechtlicher Natur. Zudem ist sie auch nichtverfassungsrechtlicher Art, da die ARD als Rundfunkanstalt kein unmittelbar am Verfassungsleben
Beteiligter ist. Auch greift keine abdrängende Sonderzuweisung. Also: Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet. Auch wenn es auf den ersten Blick nach dem Beitrag oben zur VA-Qualität ggf. seltsam erscheint, passt beides zusammen: Zwar handelt die ARD hier – wie oben erläutert – nicht
hoheitlich, sondern im Rahmen ihrer Programmfreiheit als Grundrechtsträgerin, sodass kein Verwaltungsakt vorliegt. Die Streitigkeit ist aber mit obiger Begründung dennoch öffentlich-rechtlich. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs hat nicht zur Voraussetzung, dass ein VA vorliegen muss, auch ein
Realaktist eine öffentlich-rechtliche Handlungsform. (Übrigens war das früher anders – vor Erlass der VwGO 1960 war der Verwaltungsrechtsschutz tatsächlich nur gegen Verwaltungsakte eröffnet.) Anders sähe es aus, würde das BSW sich nicht gegen eine öffentlich-rechtliche, sondern eine privatrechtliche Rundfunkanstalt (zB RTL) richten. Dann hättest Du Recht, dass der Zivilrechtsweg eröffnet wäre. Gegenüber dem privaten Sender könnte die Partei sich ja nicht (unmittelbar) auf eine Verletzung von Art. 21 iVm 3 GG berufen (dort dann allenfalls mittelbare Drittwirkung etwa über eine Generalklausel). Die streitentscheidenden Normen dort wären also keine des Öffentlichen Rechts und die Streitigkeit nicht öffentlich-rechtlihc. Ich hoffe, das beantwortet Deine Frage und hilft! :) Beste Grüße, Lorena – für das Jurafuchs-Team

DDoubleYou
3.6.2025, 15:12:22
Vielen Dank für die Klarstellung und super Erklärung! Ja, es hat mir sehr geholfen :) Beste Grüße