Observation mittels verdeckter technischer Mittel

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Erpresser E hat schon mehrmals in Supermärkten vergiftete Lebensmittel platziert. Die Polizei erhält einen Hinweis, dass E bald wieder zuschlagen will. Polizistin P fertigt heimlich Fotos von E wie er eine große Supermarktfiliale betritt.

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Einordnung des Falls

Observation mittels verdeckter technischer Mittel

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Polizeigesetze der Länder beinhalten mehrere Standardermächtigungen zur Datenerhebung.

Ja, in der Tat!

Die Polizeigesetze der Länder sehen verschiedene Standardermächtigungen zur Erhebung von Daten verschiedene Art vor. Einerseits ist zwischen offener und verdeckter Datenerhebung zu differenzieren; andererseits zwischen der Datenerhebung unter Einsatz und ohne Einsatz technischer Mittel. Nicht in allen Bundesländer sind die Befugnisse zur Datenerhebung und -verarbeitung in dem jeweiligen Polizeigesetz geregelt, sondern in speziellen Datenverarbeitungsgesetzen. In Hamburg gilt das hamPolDVG, im Saarland das SPolDVG.
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2. Die Polizeigesetze/ Datenverarbeitungsgesetze der Länder erlauben der Polizei, verdeckt Bildaufnahmen und -aufzeichnungen zu machen.

Ja!

Die Polizei ist nach den Polizeigesetzen/ Datenverarbeitungsgesetzen der Länder ermächtigt, unter Einsatz von technischen Mitteln personenbezogene Daten verdeckt zu erheben (§ 185 Abs. 1 Nr. 1 LwVG, § 33 BbgPolG, Art. 36 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG). Darunter können je anwendbarem Gesetz Bildaufnahmen und -aufzeichnungen, Aufzeichnungen vom gesprochene Wort aber auch Standortermittlung und Bewegungsprofile fallen. Technische Mittel sind beispielsweise Foto- und Videoapparate oder Richtmikrofone. Sobald die heimliche Datenerhebung in oder aus der Wohnung geschieht, sind die Standardermächtigungen zur Datenerhebung im und aus dem Wohnraum spezieller (§ 33b SOG MV, § 35a NPOG, § 35 POG RP).

3. Stellt die Maßnahme von P eine verdeckte Datenerhebung unter Einsatz von technischen Mittel dar?

Genau, so ist das!

Die Polizei ist nach den Polizeigesetzen/ Datenverarbeitungsgesetzen der Länder ermächtigt, unter Einsatz von technischen Mitteln personenbezogene Daten verdeckt zu erheben (§ 35 Abs. 1 NPOG, § 33 Abs. 1 BremPolG, § 17 Abs. 1 Nr. 2 SOG LSA). Darunter können je nach anwendbarem Gesetz Bildaufnahmen und -aufzeichnungen, Aufzeichnungen vom gesprochene Wort aber auch die Standortermittlung und Bewegungsprofile fallen. Technische Mittel sind beispielsweise Foto- und Videoapparate oder Richtmikrofone. Polizistin P fotografiert E heimlich beim Betreten des Supermarktes. P fertigt die Bildaufnahmen außerhalb der Wohnung des E an. Es liegt eine verdeckte Datenerhebung unter Einsatz von technischen Mitteln vor.

4. Es steht in Ps eigenem Ermessen, über die Anfertigung heimlicher Bild- und Tonaufnahmen (§ 38 Abs. 1 Nr. 2 SächsPolG, § 34 Abs 2 Nr. 2 PAG TH, § 35 Abs. 1 NPOG) zu entscheiden.

Nein, das trifft nicht zu!

Die formellen Hürden für die verdeckte Datenerhebung unter Einsatz technischer Mittel sind hoch: Auf formeller Ebene muss die Maßnahme entweder durch einen Behördenleiter (z.B. der Leiter des LKA, Art. 36 Abs. 4 BayPAG, oder der Polizeipräsidenten, § 25 Abs. 3 ASOG) oder bei langfristiger Überwachung richterlich angeordnet sein (§ 33 Abs. 2 S. 1 BbgPolG). Vorliegend handelte P laut Sachverhalt auf Anordnung der Behördenleitung, sodass die formelle Eingriffsvoraussetzung erfüllt ist. Hintergrund der hohen Eingriffsschwelle ist, dass es sich aufgrund der Heimlichkeit um einen besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriff handelt.

5. Darf die Polizei heimliche Bild- und Tonaufnahmen (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 ASOG, § 15 Abs. 1 HSOG, § 49 Abs. 2 Nr. 2 PolG BW) zur Abwehr irgendeiner Gefahr anfertigen?

Nein!

Auch auf materieller Ebene sind die Eingriffsvoraussetzungen hoch; sie variieren allerdings je nach anwendbarem Polizeigesetz/ Datenverarbeitungsgesetz. Teilweise ist die Datenerhebung nur zur Straftatverhütung erlaubt (§ 17 Abs. 2 SOG LSA). Andere Polizeigesetze erlauben die Maßnahme zur Abwehr einer Gefahr, wobei entweder eine Gefahr für ein bestimmtes Schutzgut (§ 35 Abs. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 NPOG) oder ein bestimmter Gefahrengrad (§ 33 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 BremPolG) erforderlich ist. Auch hier sind die hohen Eingriffsvoraussetzungen damit begründet, dass es sich aufgrund der Heimlichkeit um einen besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriff handelt.

6. Fertigt P vorliegend die Fotos von E zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer anderen Person (wie bspw. nach § 25 Abs. 2 Nr. 3 ASOG) an?

Genau, so ist das!

Auch auf materieller Ebene ist die Eingriffsschwelle hoch; die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen variieren allerdings je nach anwendbarem Polizeigesetz/ Datenverarbeitungsgesetz. Teilweise ist die Datenerhebung nur zur Straftatverhütung erlaubt (§ 17 Abs. 2 SOG LSA). Andere Polizeigesetze erlauben die Maßnahme zur Abwehr einer Gefahr, wobei entweder eine Gefahr für ein bestimmtes Schutzgut (§ 35 Abs. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 NPOG) oder ein bestimmter Gefahrengrad (§ 33 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 BremPolG) erforderlich ist. E hat in der Vergangenheit mehrmals vergiftete Lebensmittel in Supermärkten platziert und plant dies wieder zu tun. Auf Grundlage dieser Tatsachen kann die Polizei mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem alsbaldigen Schadenseintritt für die Gesundheit der Kunden ausgehen.
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