Öffentliches Recht
Polizei- und Ordnungsrecht
Polizeiliche Standardmaßnahmen
Verdeckte Datenerhebung aus Wohnungen
Verdeckte Datenerhebung aus Wohnungen
16. Februar 2025
19 Kommentare
4,6 ★ (3.876 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Polizei hat gesicherte Erkenntnisse, dass Mitglied M eines Motorradclubs in den nächsten Tagen einen Anschlag auf den sog. Präsidenten eines verfeindeten Motorradclubs verüben will. Amtsanwärterin A bringt auf eigene Faust zur Überwachung heimlich Wanzen in Ms Wohnung an.
Diesen Fall lösen 91,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Verdeckte Datenerhebung aus Wohnungen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. In den Polizeigesetzen/ Datenverarbeitungsgesetzen der Länder besteht eine Standardermächtigung zur verdeckten Wohnraumüberwachung unter Einsatz technischer Mittel.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Durch das Verwanzen von M's Wohnung ist der sachliche Schutzbereich der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) eröffnet.
Genau, so ist das!
3. Durfte A die Wanzen aus eigenem Ermessen in Ms Wohnung anbringen?
Nein, das trifft nicht zu!
4. Die Wohnraumüberwachung ist materiell rechtmäßig, weil sie der Verhinderung eines bevorstehen Tötungsversuchs diente – vorausgesetzt der Polizei bleiben keine andere Möglichkeiten zur Verhinderung.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
jonas0108
20.9.2024, 11:43:11
Habe ich das richtig, verstanden, dass die Polizei die Wohnraumüberwachung nicht für repressive Zwecke einsetzen darf? Also, wenn beispielsweise schon ein Mord begangen wurde, aber kein weiterer zu Befürchten ist, darf die Polizei zur Sachverhaltsaufklärung keine Wohnraumüberwachung anordnen?
Leo Lee
21.9.2024, 08:17:16
Hallo jonas0108, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Hier war in der Tat die präventive Funktion betroffen. Beachte allerdings, dass auch in der StPO (hier repressiv) in 100c die
akustische Wohnraumüberwachunggegeben ist. Insofern darf die Polizei zwar nicht nach dem Polizeirecht repressiv abhören, allerdings nach der StPO sehr wohl :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
jonas0108
21.9.2024, 09:30:19
Vielen Dank für die Antwort! :)
Wysiati
20.1.2025, 14:44:40
ist die Möglichkeit, eine solche Maßnahme ohne richterliche Anordnung aus Art. 13 IV GG direkt herzuleiten, oder? Wo ist denn die dort genannte "gesetzlich bestimmte Stelle" geregelt?
Kai
28.1.2025, 21:48:27
@[Wysiati](262458) Puh, gute Frage, ich bin mir selber nicht ganz sicher. Würde aber vermuten, dass man das aus Art. 97 V 1 PAG herauslesen kann. "Wurde bei
Gefahr im Verzugmit einer Maßnahme begonnen, ohne eine vorherige richterliche Anordnung einzuholen, ist
unverzüglicheine richterliche Bestätigung der Maßnahme nachzuholen." Diese Passage setzt ja voraus, dass man auch ohne richterliche Bestätigung eine Maßnahme nach Art. 41 PAG (der wird in dem Kontext genannt, les dir am besten selbst die Norm durch :)) durchführen kann. Andernfalls wäre die Möglichkeit der nachträglichen Genehmigung ja sinnlos.
Wysiati
29.1.2025, 09:11:27
Super, danke dir. (Das scheint jetzt Art. 95 V 1 PAG zu sein). Was ist dann mit der verfassungsrechtlichen Bestimmung, dass eine andere gesetzlich bestimmte Stelle die Maßnahme anordnen muss, Art. 13 IV 1 GG?