+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K bucht bei B Flug und Hotel für eine einwöchige Reise. Am Pool gibt es 500 Liegen. Trotz Verbotsschild werden alle Liegen von Gästen mit Handtüchern ganztägig „geblockt“. Das Hotel duldet dies, obwohl K darauf bereits am dritten Tag hinweist. K will Geld zurück, weil er keine Liege abbekommt.
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Einordnung des Falls
Die besetzte Poolliege als Reisemangel?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat mit B einen Reisevertrag nach § 651a Abs. 2 BGB geschlossen.
Genau, so ist das!
Unter einem Pauschalreisevertrag versteht man die entgeltliche Verpflichtung eines Reiseveranstalters, mindestens zwei verschiedene Arten von Reiseleistungen (also z.B. Transport und Unterkunft) für den Zweck derselben Reise (Pauschalreise) einem Reisenden zu verschaffen, das heißt in eigener Verantwortung zu erbringen. Der Vertragsschluss richtet sich nach den §§ 145ff. BGB und ist formlos möglich.
Ks Reise hat mit Flug und Hotel die Beförderung sowie die Beherbergung und somit mehrere Reiseleistungen zum Inhalt. K und B haben einen Reisevertrag nach § 651a Abs. 2 BGB geschlossen.
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2. Bei Vorhandensein eines Reisemangels tritt die Minderung kraft Gesetzes ein.
Ja, in der Tat!
Nach § 651m Abs. 1 BGB mindert sich der Reisepreis für die Dauer eines Reisemangels. Die Minderung tritt dabei kraft Gesetzes ein (kein Gestaltungsrecht!). Voraussetzung ist lediglich das Vorhandensein eines Mangels. Sie hängt nicht von einem Verschulden des Reiseveranstalters ab.
3. Ein Mangel der Reiseleistung kann nur bestehen, wenn die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung abgeschlossen haben (§ 651i Abs. 2 BGB).
Nein!
Gemäß § 651i Abs. 2 BGB ist die Pauschalreise frei von Reisemängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat (S. 1). Fehlt eine Beschaffenheitsvereinbarung ist auf den vorausgesetzten Nutzen abzustellen (S. 2 Nr. 1). Ansonsten kommt es auf die Eignung für den gewöhnlichen Nutzen und auf die übliche Beschaffenheit an (S. 2 Nr. 2).
4. Bei Vorhandensein von Sonnenliegen ist der Reiseveranstalter auch ohne Beschaffenheitsvereinbarung verpflichtet, jedem Reisenden jederzeit eine Liege zur Verfügung zu stellen.
Nein, das ist nicht der Fall!
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Reiseveranstalter bei Fehlen einer Beschaffenheitsvereinbarung nicht verpflichtet ist, jedem Reisenden zu jeder Zeit eine Sonnen-/Poolliege zur Verfügung zu stellen. Denn in aller Regel ist davon auszugehen, dass nicht alle Gäste gleichzeitig sonnenbaden oder am Pool liegen wollen, sondern sie im Urlaub auch anderen Aktivitäten nachgehen. Es liegt daher nicht bereits ein Reisemangel vor, nur weil die Zahl der vorhandenen Liegen kleiner ist als die Zahl der Gäste. Die Zahl der vorgehaltenen Liegen muss bloß in einem angemessenen Verhältnis zu den Gästen stehen (bereits ab Anteil von 20% anzunehmen).
5. Ein Reisemangel liegt aber vor, da aufgrund der ausgelegten Handtücher sämtliche Liegen faktisch nicht nutzbar waren (§ 651i Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB).
Ja, in der Tat!
Grundsätzlich ist es ausreichend, wenn die Zahl der vorgehaltenen Liegen in einem angemessenen Verhältnis zu den Hotelgästen steht. Etwas anderes kann gelten, wenn die tatsächlich nutzbare Anzahl der zur Verfügung gestellten Liegen faktisch unterhalb des angemessenen Verhältnisses sinkt, etwa weil die Liegen defekt oder nicht hinreichend gesäubert sind. AG Hannover: Auch wenn die Liegen faktisch nicht nutzbar sind, weil andere Gäste sie entgegen den Verhaltensregeln mit Handtüchern reservieren, ohne sie zu nutzen, ist der Reiseveranstalter zum Einschreiten verpflichtet.
K konnte faktisch keine Liegen nutzen, weil die anderen Gäste die Verbotsschilder missachteten und die Liegen mit Handtüchern reservierten. Das Hotel duldete dies. Ein Reisemangel liegt vor.
Das AG Hannover betont insbesondere, dass K auch nicht selbst für Abhilfe sorgen musste (z.B. andere Handtücher entfernen o.Ä.).
6. Da K die ganze Woche keine Liege abbekommen hat, wird der Reisepreis für die ganze Woche gemindert.
Nein!
Die Minderung ist ausgeschlossen, wenn der Reisende den Mangel schuldhaft nicht unverzüglich angezeigt hat (§ 651o Abs. 2 Nr. 1 BGB). Zweck der Anzeige ist es, dem Reiseveranstalter die Möglichkeit zu geben, Abhilfe zu schaffen und damit den Umfang der Minderung möglichst gering zu halten.
Der Mangel ist behebbar. Minderung tritt deshalb erst ab dem Zeitpunkt der ersten Mangelanzeige am dritten Tag ein, da K dem B erst ab der Anzeige eine konkrete Abhilfemöglichkeit gab.
7. K steht ein Anspruch auf Erstattung des über den geminderten Reisepreis hinaus gezahlten Betrags nach § 651m Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB zu.
Genau, so ist das!
Aus der Minderung ergeben sich verschiedene Rechte - je nachdem, ob der Reisepreis bereits beglichen wurde oder nicht. Während die Rechtsfolge des § 651m Abs. 1 S. 1 BGB das Erlöschen des Zahlungsanspruches des Reiseveranstalters gegen den Reisenden ist, dient § 651m Abs. 2 BGB dem Anspruch auf Rückzahlung des zu viel gezahlten Reisepreises. Grund dafür ist, dass der Reisende häufig schon im Voraus zu zahlen hat. Für die Höhe der Minderung gelten die § 651m Abs. 1 S. 2, § 651m Abs. 1 S. 3 BGB.
Das Gericht veranschlagte im Originalfall für den vorliegenden Reisemangel 15% Minderung des jeweiligen Tagesreisepreises.