+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A hat einen Anwohnerinnen-Parkausweis der Stadt S. Bisher musste A hierfür € 30 im Jahr zahlen. S erlässt eine neue Rechtsverordnung, wonach der Ausweis € 240 im Jahr kostet.
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Einordnung des Falls
Eilrechtsschutz nach § 47 Abs. 6 VwGO (Statthaftigkeit)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A will zum einen erreichen, dass die Rechtsverordnung für ungültig erklärt wird. Ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft?
Nein, das trifft nicht zu!
Die statthafte Klage- oder Antragsart richtet sich nach dem Begehren der Rechtsschutzsuchenden (vgl. § 88 VwGO). Die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn die Klägerin die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt. Dagegen ist ein Normkontrollantrag statthaft, wenn die Rechtsschutzsuchende die Erklärung der Ungültigkeit von
(1) Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen wurden, sowie gegen Rechtsverordnungen aufgrund des § 246 Abs. 2 BauGB(§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) oder
(2) andere im Rang unter den Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO),
erreichen will. A möchte erreichen, dass eine Rechtsverordnung (= eine „andere unter den Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift“) für ungültig erklärt wird. Statthaft ist ein Normenkontrollantrag, sofern das einschlägige Landesrecht dies vorsieht.
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2. Die Stadt S liegt in Baden-Württemberg. Ist die Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 AGVwGO BW statthaft?
Ja!
Liegt kein Fall des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO vor, so ist die Normenkontrolle nur statthaft, wenn dies das Landesrecht vorsieht (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Nach § 4 AGVwGO BW entscheidet der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit über die Gültigkeit von Satzungen und Rechtsverordnungen der in § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO genannten Art sowie von anderen im Range unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften. Die Normenkontrolle ist statthaft nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGo i.V.m. § 4 AGVwGO. In anderen Bundesländern finden sich ähnliche Vorschriften, z.B. in Art. 4 S. 1 BayAGVwGO, § 15 HessAGVwGO, § 75 NJG, § 109a JustG NRW.
3. A will zudem eine vorläufige Regelung für sich erreichen. Sieht § 47 VwGO auch ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren vor?
Genau, so ist das!
Auch im Rahmen der Normenkontrolle sind Fälle denkbar, in denen aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) eine vorläufige Anordnung des Gerichts notwendig ist.
Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist statthaft, wenn ein Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 VwGO statthaft wäre. Zudem muss die betreffende Norm grundsätzlich bereits erlassen worden sein. Wie bereits festgestellt, wäre die Normenkontrolle hier statthaft. Zudem ist die Rechtsverordnung bereits erlassen worden. A kann nach § 47 Abs. 6 VwGO einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellen. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO ist in der Praxis viel seltener (erfolgreich), als bei konkret-individuellen Maßnahmen der Verwaltung. Dennoch solltest Du das Eilverfahren auf dem Schirm haben, da dies ein beliebter Prüfungsgegenstand ist.
4. Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen des Eilantrags ergeben sich allein aus § 47 Abs. 6 VwGO.
Nein, das trifft nicht zu!
Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergibt sich grundsätzlich aus § 47 Abs. 6 VwGO. Diese Vorschrift ist allerdings unvollständig. Systematisch müssen daher auch die Voraussetzungen des „regulären“ Verfahrens aus § 47 Abs. 1 - 4 VwGO vorliegen. Ergänzend sind die allgemeinen Grundsätze zum einstweiligen Rechtsschutz heranzuziehen, die auch im Rahmen der Verfahren nach §§ 80, 123 VwGO gelten. Der Erlass einer Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO ist begründet, wenn diese zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen Gründen dringend geboten ist. Das schauen wir uns später genauer an!
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