Öffentliches Recht
Staatsorganisations-Recht
Die Bundesregierung
Vertrauensfrage (Art. 68 GG) – Folgen, wenn Mehrheit nicht erreicht
Vertrauensfrage (Art. 68 GG) – Folgen, wenn Mehrheit nicht erreicht
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Bundeskanzler O hat dem Parlament die Vertrauensfrage nach Art. 68 GG gestellt. Nach dem Ergebnis der Abstimmung, hat O die erforderliche Mehrheit nicht erreicht. O fragt sich, was jetzt passiert.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Vertrauensfrage (Art. 68 GG) – Folgen, wenn Mehrheit nicht erreicht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Muss O den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen (Art. 68 Abs. 1 S. 1 GG)?
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Wenn O den Bundespräsidenten bittet, den Bundestag aufzulösen, so muss der Bundespräsident dies auch tun (Art. 68 Abs. 1 S. 1 GG).
Nein!
3. In der Weimarer Republik wurde das Parlament sehr oft aufgelöst, was zur Destabiliserung der politischen Verhältnisse beigetragen hat. Könnte dies dafür sprechen, die heutige Möglichkeit der Auflösung aus Art. 68 GG eng zu begrenzen?
Genau, so ist das!
4. Löst der Bundespräsident den Bundestag nicht auf, so kann er auf Antrag der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates den Gesetzgebungsnotstand erklären (Art. 81 Abs. 1 GG).
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
erikxxx
15.11.2024, 11:47:56
Hallo liebes Jurafuchs-Team, durch die Bearbeitung eurer Aufgaben habe ich den Unterschied zwischen Art. 63 Abs. 4 Satz 4 GG (Bundespräsident muss den
Bundestag auflösen) und Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG (Bundespräsident kann den
Bundestag auflösen) besser verstanden. Auch wenn diese Unterscheidung vielleicht nicht zentral ist, zeigt sie den gesetzgeberischen Willen und war für mein Verständnis sehr hilfreich – vielen Dank dafür! Eine Anschlussfrage habe ich dazu noch: Wenn der Bundespräsident im Falle des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 GG den Bundestag nicht auflöst, kann nach Art. 81 GG ein Gesetzgebungsnotstand erklärt werden. Dabei steht im Grundgesetz, dass dies nur für eine Gesetzesvorlage (für eine Gesetzesvorlage) gilt und der Bundesrat zustimmen muss. Muss dieser Prozess für jede weitere Vorlage erneut durchlaufen werden? Das könnte vor allem in politisch instabilen Situationen problematisch sein, da der Gesetzgebungsnotstand wiederholt festgestellt werden müsste, was den politischen Entscheidungsprozess zusätzlich erschwert. Vielen Dank im Voraus für eure Einschätzung!
Linne_Karlotta_
19.11.2024, 17:58:17
Hey @[erikxxx](229912), danke für dein Lob & deine Nachfrage. Der in Art. 81 Abs. 1 S. 1 GG normierte Prozess muss in der Tat für jedes einzelne Gesetzgebungsverfahren durchlaufen werden. Darin wird der Ausnahmecharakter des Gesetzgebungsnotstands deutlich: Es soll – selbst in einer Krisensituation – nicht die Regel sein, dass Gesetze ohne Mitwirkung des Parlaments erlassen werden. Die vielen Voraussetzung des Art. 81 Abs. 1 S. 1 GG sind ein Kontrollmechanismus, der gerade verhindern soll, dass die Regierung dauerhaft mit Notstandsrechten regiert. Es geht also nicht darum, der Regierung möglichst viel Handlungsspielraum – trotz Minderheitenregierung – zu geben, sondern eher, ihr nur das absolut notwendigste zu eröffnen. Dass unter diesen Umständen politische Entscheidungsprozesse erheblich erschwert sind, liegt bereits in der Natur der Sache einer Minderheitenregierung. Dies kann und soll auch nicht über Art. 81 Abs. 1 S. 1 GG behoben werden. Wir haben auch neue Aufgaben zu Art. 81 Abs. 1 S. 1 GG für euch geschrieben, du findest sie hier: https://applink.jurafuchs.de/IEkootqKEOb Ich hoffe, ich konnte dir damit weiterhelfen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs–Team
erikxxx
20.11.2024, 08:49:21
Liebe @[Linne_Karlotta_](243622) vielen Dank für die Antwort! Ich vermute, dass der Gesetzgebungsnotstand so stark reglementiert ist, basiert auf den Erfahrungen aus der Weimarer Republik und dem Präsidialkabinett. Damals stützte Reichspräsident von Hindenburg die Reichsregierung, indem er eine Art Gesetzgebungsnotstand verfügte, der dem Kanzler erlaubte, Verordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen. Daraus wurde offenbar die Lehre gezogen, den Gesetzgebungsnotstand im Grundgesetz auf einzelne Gesetzesvorlagen zu beschränken.
Linne_Karlotta_
20.11.2024, 10:07:50
Hey @[erikxxx](229912), ganz genau ;) Wie auch bei den Regelungen zur
Auflösung des Bundestagsund der Regierung selbst, hat man auch bzgl. des Notstandsrecht Lehren aus der Geschichte gezogen. Dazu findest Du auch Ausführungen in unseren Aufgaben bzw. werden wir hier zeitnah auch noch zusätzliche Lerneinheiten ergänzen, die sich konkreter mit den einschlägigen historischen Ereignissen beschäftigen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team