Unzuständigkeit des Gerichts, § 338 Nr. 4 StPO - Präklusion nach § 6a StPO

12. April 2025

4 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird wegen Raubes mit Todesfolge (§ 251 StGB) vor der großen Strafkammer verurteilt. In der Revision macht er geltend, er habe die Unzuständigkeit der allgemeinen Strafkammer bereits zu Beginn des Prozesses gerügt. Das Protokoll schweigt hierzu.

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Einordnung des Falls

Unzuständigkeit des Gerichts, § 338 Nr. 4 StPO - Präklusion nach § 6a StPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Verfahrensfehler liegt vor, da die Verhandlung vor dem Schwurgericht stattfinden musste (§§ 74 Abs. 2, 74e GVG).

Ja!

Ein Verfahrensfehler liegt vor, wenn die vorrangige Zuständigkeit einer besonderen Strafkammer im Sinne des § 74e GVG missachtet wird.Die Schwurgerichtskammer stellt gegenüber der allgemeinen großen Strafkammer ein Gericht höherer Ordnung dar. Die allgemeine Strafkammer war funktionell nicht zuständig, da der Raub mit Todesfolge nach § 74 Abs. 2 Nr. 12 GVG zur Zuständigkeit der Schwurgerichte gehört. Ein Verfahrensfehler liegt damit vor.
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2. Voraussetzung für eine erfolgreiche Revision ist bei funktioneller Unzuständigkeit einer Strafkammer des Landgerichts (§ 74e GVG) eine erfolglose Zuständigkeitsrüge in erster Instanz (§ 6a StPO).

Genau, so ist das!

Bis zum Beginn der Hauptverhandlung (§ 243 Abs. 1 S. 1 StPO) prüft das Tatgericht die Zuständigkeit von Amts wegen (§ 6a S. 1 StPO). Danach darf es die Unzuständigkeit nur noch auf Rüge des Angeklagten feststellen. Der Angeklagte kann den Einwand nur bis zum Beginn seiner Vernehmung zur Sache geltend machen, selbst wenn die Unzuständigkeit erst später ersichtlich wird (§ 6a S. 2, 3 StPO). Rügt er zu spät, ist er in der Revision mit dem Einwand der Unzuständigkeit präkludiert. Denn Sinn und Zweck der Norm ist zu vermeiden, dass die Sache noch während des Prozesses verwiesen werden muss.Bis zum Beginn der Verhandlung ist die Zuständigkeit also eine Verfahrensvoraussetzung. Danach stellt die Unzuständigkeit einen Verfahrensfehler dar. Für die Revisionsklausur ist nur der zweite Fall wichtig.

3. A trägt vor, er habe die Rüge rechtzeitig erhoben. Hat seine Revision damit Erfolg?

Nein, das trifft nicht zu!

Sein Vortrag würde zwar, soweit er den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entspricht, die Revision tragen. Denn danach habe er die Rüge zu Prozessbeginn erhoben und die Kammer war tatsächlich nicht zuständig. Jedoch stellt die Rüge nach § 6a StPO eine wesentliche Förmlichkeit der Hauptverhandlung dar und kann damit nur durch das Protokoll bewiesen werden (§ 274 S. 1 StPO). Da die Rüge im Protokoll nicht verzeichnet ist, greift indes die negative Beweiskraft des Protokolls und A wird seine Revision nicht erfolgreich auf den Verfahrensfehler stützen können.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

sy

sy

30.1.2025, 17:50:50

cool wäre es, wenn ihr hier wenigstens einmal einen Punkt dazu machen könntet, ob ein weiterer Beweis im Freibeweis möglich wäre, und warum ein solcher dennoch erfolglos bliebe,denn soweit ich mich erinnere, konnte man die Verfahrensfehler nur mit dem Protokoll oder aber auch mal im Freibeweis darlegen.

2cool4lawschool

2cool4lawschool

13.2.2025, 18:58:37

Der Antrag nach § 6a StPO wird grundsätzlich in der Sitzungsniederschrift festgehalten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 6a Rn. 11). Fehlt der entsprechende Eintrag, entfaltet das Protokoll negative Beweiskraft nach § 274 StPO, sodass der Antrag als nicht gestellt gilt. Eine Möglichkeit, dies zu korrigieren, wäre die

Protokollberichtigung

. Wird das Protokoll tatsächlich berichtigt, verliert der berichtigte Teil seine absolute Beweiskraft. (Eine Berichtigung könnte jedoch auch zuungunsten des Beschwerdeführers erfolgen.) Falls der Beschwerdeführer weiterhin an seinem Widerspruch gegen das Protokoll festhält – etwa weil die Urkundspersonen weiterhin daran festhalten, ein Antrag nach § 6a StPO sei nicht gestellt worden –, muss das Revisionsgericht die Gründe der Berichtigungsentscheidung überprüfen. Diese Prüfung erfolgt im Freibeweisverfahren, da das Protokoll an dieser Stelle in seiner ursprünglichen Form negative Beweiskraft hatte, die durch die Berichtigung entfallen ist. Das Revisionsgericht bewertet somit, ob die

Protokollberichtigung

nachvollziehbar und überzeugend begründet wurde oder ob Zweifel an ihrer Richtigkeit bestehen. Das wäre jetzt zB eine Konstellation hier.. jdf. verstehe ich es so. @[Sebastian Schmitt](263562) wäre das korrekt?


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