Öffentliches Recht

Grundrechte

Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 GG)

Verwendung von Samples zur künstlerischen Gestaltung

Verwendung von Samples zur künstlerischen Gestaltung

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Da geremixte Lieder in letzter Zeit erfolgreich auf Social Media waren, will K den Trend nutzen. Dafür nimmt sie einen kurzen Abschnitt des bekannten Lieds von Musikerin M („Sample“) und gestaltet damit ein neues Lied. M verlangt Unterlassung.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Verwendung von Samples zur künstlerischen Gestaltung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Verurteilung würde K in ihrer Kunstfreiheit berühren. Würde die fortgesetzte Verwendung des Samples Grundrechte der M beeinträchtigen?

Ja, in der Tat!

Der verfassungsrechtliche Begriff des Eigentums umfasst alle vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf. Im Gegensatz zum zivilrechtlichen Eigentumsbegriff sind hiernach also neben Sacheigentum (Mobiliar- und Grundeigentum) auch private Vermögensrechte geschützt. Dazu zählt auch geistiges Eigentum. Eine Nutzung von Ausschnitten aus Ms Liedern würde Ms geistiges Eigentum in Form des Urheberrechts verletzen.
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2. Kunst, die in Rechte anderer eingreift, fällt nicht in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG.

Nein!

Jedes künstlerische Wirken fällt in den Schutzbereich der Kunstfreiheit. Diese umfasst also auch solche künstlerische Betätigung, die Rechte anderer verletzt. Kollidieren Verfassungsgüter miteinander - wie etwa vorliegend Kunstfreiheit und die Eigentumsfreiheit -, so sind die Güter und ihre jeweilige Betroffenheit im Einzelfall gegeneinander abzuwägen und möglichst schonend miteinander in Ausgleich zu bringen (praktische Konkordanz). Auch wenn Ks neu gestaltetes Lied die Eigentumsfreiheit der M verletzt (Ausbeutung ihrer Werke ohne Genehmigung zu fremden kommerziellen Zwecke), fällt es in den Schutzbereich der Kunstfreiheit. Bei der Prüfung des Anspruchs auf Unterlassung (§ 97 Abs. 1 UrhG) hat das Zivilgericht somit die Kunstfreiheit der K mit der Eigentumsfreiheit der M abzuwägen.Im zugrunde liegenden Fall überwog nach Auffassung des BVerfG die Kunstfreiheit. Durch eine Erlaubnispflicht würde die Schöpfung von Samplen stark beeinträchtigt. Wirtschaftliche Einbußen seien für die Tonträgerhersteller dagegen allenfalls in geringem Umfang zu erwarten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Snow

Snow

29.3.2024, 20:20:00

Die Verbreitung der Musik durch eine Privatperson kann doch nicht einen Eingriff in die Grundrechte darstellen? Die Privatperson ist nicht Adressat der GR und ihre Handlung selbst kein Eingriff.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

30.3.2024, 13:16:57

Hallo Snow, vielen Dank für Deine Nachfrage! Grundsätzlich ist es richtig, dass Grundrechte zunächst einmal nur den Staat verpflichten. Eine unmittelbare Bindung unter Privaten besteht nicht. In Rechtsstreitigkeiten zwischen Privatpersonen müssen Gerichte die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte berücksichtigen und dabei auch kollidierende Grundrechtspositionen in Einklang bringen. Darum ging es im konkreten Fall: "Die Zivilgerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des Urheberrechts die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung zwischen dem Eigentumsschutz der Tonträgerhersteller und den damit konkurrierenden Grundrechtspositionen nachzuvollziehen und dabei unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkungen zu vermeiden". Das BVerfG hat letztlich die Entscheidung des OLG Hamburg aufgehoben, da es nach Auffassung es BVerfG bei dieser Abwägung die Kunstfreiheit nicht ausreichend berücksichtigt hat. Ich hoffe, jetzt ist es noch etwas klarer. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Snow

Snow

30.3.2024, 14:37:16

Danke, ja bezüglich einer Verurteilung ist es mir klar, aber die erste Frage bezieht sich ja ausdrücklich auf die Verwendung, nicht die Verurteilung. Ob die Verwendung die Grundrechte ‚beeinträchtigt‘. Die Antwort sagt, die Verwendung würde das Grundrecht ‚verletzen‘.

FL

Flohm

19.4.2024, 15:06:00

Käme hier auch die Kunstfreiheit der M in Betracht? Vielleicht, dass die Musik als Kunst als Werk zu schützen ist und nicht verändert werden darf oder so? oder ist das ganz abwegig ?

Merle_Breckwoldt

Merle_Breckwoldt

23.4.2024, 15:49:40

Hallo Flohm, danke für Deine Frage, an sich ist das gar nicht abwegig und Ms Lied unterfällt als Kunstwerk zweifellos Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. In der (ausschnittweisen) bloßen Kopie (bzw. der diesbezüglichen Gestattung), dürfte allerdings keine erhebliche Beeinträchtigung von Ms Kunstwerk zu sehen sein. Das BVerfG schreibt hierzu im Ausgangsfall, dass ihr "Grundrecht aus Art. 5 III 1 GG nicht erheblich ins Gewicht [fällt]." (BeckRS 2023, 9519, Rn. 106). Diese Beeinträchtigung ist eben vielmehr nur mit Blick auf den geistigen Eigentumsschutz relevant. Viele Grüße, Merle für das Jurafuchs-Team


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