Strafrecht

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.

Schwerer Raub (§ 250 StGB)

Beisichführen eines anderen gefährlichen Werkzeuges beim Raub

Beisichführen eines anderen gefährlichen Werkzeuges beim Raub

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

T drückt Kassiererin K einen 28cm langen, spitz zulaufenden Schraubendreher an die Hüfte, um vorzutäuschen, er sei im Besitz einer Schusswaffe. Drohend fordert er Geld. Die verängstigte K bemerkt den Schraubendreher nicht, ist von Ts Auftreten aber so eingeschüchtert, dass sie T die Kasse plündern lässt.

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Einordnung des Falls

Beisichführen eines anderen gefährlichen Werkzeuges beim Raub

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat sich des Raubes strafbar gemacht, indem er K bedrohte und das Geld aus der Kasse genommen hat (§ 249 Abs. 1 StGB).

Ja!

Der Raub ist ein zweiaktiges Delikt, das alle Elemente der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) und des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) enthält. Objektiv setzt der Raub daher (1) die Wegnahme einer fremden, beweglichen Sache, (2) den Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittels und (3) einen raubspezifischen Zusammenhangs voraus. Subjektiv muss der Täter vorsätzlich und mit Zueignungsabsicht handeln.T hat das Geld aus der Kasse genommen und damit eine fremde, bewegliche Sache weggenommen. Durch sein bedrohliches Auftreten hat er K jedenfalls konkludent mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben gedroht. T handelte vorsätzlich und mit Zueignungsabsicht, sowie rechtswidrig und schuldhaft.Auf die Abgrenzung zur räuberischen Erpressung ist hier allenfalls sehr kurz einzugehen, da sowohl nach dem äußeren Erscheinungsbild (Rechtsprechung) als auch der inneren Willensrichtung des Opfers (Literatur) eine Wegnahme und damit ein Raub vorliegt.
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2. Stellt der mitgebrachte Schraubenzieher eine Waffe dar (§ 250 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 1 StGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Waffen sind solche Gegenstände, die nicht nur objektiv dazu geeignet, sondern nach ihrer Beschaffenheit und ihrem Zustand allgemein dazu bestimmt sind, Menschen erhebliche Verletzungen zuzufügen.Schraubendreher sind mechanische Werkzeuge, die dazu gedacht sind, Schrauben in Werkstoffe hineinzudrehen. Sie sind also nicht dafür bestimmt, Menschen Verletzungen zuzufügen.

3. Kann der Begriff des „gefährlichen Werkzeugs“ iSv § 250 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB identisch ausgelegt werden, wie bei der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Ein gefährliches Werkzeug nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB ist jeder körperliche, bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der konkreten Art seiner Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Maßgebliches Kriterium ist hier die konkrete Verwendung. Die Qualifikation des schweren Raubes nach § 250 Abs. 1 Nr. 1a Var. 2 StGB ist dagegen schon erfüllt, wenn der Täter das gefährliche Werkzeug bei sich führt, eine Verwendung ist gerade nicht nötig. Aus diesem Grund herrscht Einigkeit, dass das gefährliche Werkzeug hier anders zu bestimmen ist. Lerne in Zusammenhängen! Du kennst diese Problematik bereits vom Diebstahl mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1a Alt. 2 StGB).

4. Nach der von der Rspr. vertretenen rein abstrakt-objektiven Sichtweise ist der Schraubendreher ein gefährliches Werkzeug (§ 250 Abs. 1 Nr. 1a Var. 2 StGB).

Ja!

Als gefährliches Werkzeug iSv § 250 Abs. 1 Nr. 1a Var. 2 StGB ist nach der Rechtsprechung grundsätzlich jeder Gegenstand anzusehen, der im Fall seines Einsatzes gegen Personen aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit die Eignung besitzt, erhebliche Verletzungen herbeizuführen.Der Schraubendreher ist aufgrund seiner spitzen Klinge als Stechwerkzeug abstrakt geeignet, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Beachte: Während der BGH das gefährliche Werkzeug beim bloßen Beisichführen (§ 250 Abs. 1 Nr. 1a Var. 2 StGB) also abstrakt auslegt, so geht er bei der Verwendung (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 Var. 2 StGB) von einer konkreten Betrachtungsweise aus, die sich wieder an § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB orientieren soll. Das Tatbestandsmerkmal „gefährliches Werkzeug“ wird nach seiner Rechtsprechung also in derselben Norm (§ 250 StGB) auf zwei verschiedene Arten ausgelegt!

5. Ist der Schraubendreher auch nach der situationsbezogenen abstrakt-objektiven Betrachtungsweise (wohl hL) ein gefährliches Werkzeug (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 a) Var. 2 StGB)?

Genau, so ist das!

Nach der situationsbezogenen abstrakt-objektiven Betrachtungsweise ist neben der Verletzungseignung erforderlich, dass das Beisichführen des Gegenstandes in der konkreten Situation aus Sicht eines objektiven Beobachters keine andere Funktion erfüllen kann, als zu Verletzungszwecken eingesetzt zu werden (Waffenersatzfunktion).Bei dem Schraubendreher handelt es sich nicht um einen Alltagsgegenstand, den man üblicherweise mit sich herumträgt - jedenfalls solange man kein Handwerker ist. Insbesondere im Hinblick auf die lange, spitze Klinge ist aus objektiver Sicht deshalb nicht ersichtlich, dass der Schraubendreher hier zu etwas anderem eingesetzt werden soll, als dem Einsatz gegen Menschen.Anders wäre dies zB, wenn der Schraubendreher als Einbruchswerkzeug verwendet werden sollte.

6. Dagegen scheidet nach der teilweise vertretenen konkret-subjektiven Betrachtungsweise eine Einordnung des Schraubendrehers als gefährliches Werkzeug aus, sodass der Qualifikationstatbestand nicht erfüllt ist.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Teil der Literatur verlangt, dass zur objektiven Eignung noch eine subjektive Komponente hinzutreten müsse. Dabei wird teilweise darauf abgestellt, dass der Täter zwar keinen konkreten, aber zumindest einen „generellen Willen“ haben müsse, das Werkzeug auch zu Verletzungs- oder Bedrohungszwecken einzusetzen. Andere fordern eine „Widmung“ und wieder andere einen „inneren Verwendungsvorbehalt“ dahingehend, das Werkzeug „jedenfalls im Notfall“ auch einsetzen zu wollen.T wollte den Schraubendreher als Bedrohungsmitteln einsetzen. Hier hatte T also nicht nur einen generellen Willen oder entsprechenden Verwendungsvorbehalt, sondern eine konkrete Gebrauchsabsicht. Somit handelt es sich nach allen vertretenen Auffassungen um ein gefährliches Werkzeug. Ein Streitentscheid ist hier also nicht erforderlich.

7. Hat T den Schraubenzieher auch „verwendet“ und damit zusätzlich die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB verwirklicht?

Nein!

Das Verwenden einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs als Drohmittel bei § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass die Drohung von dem Bedrohten wahrgenommen wird.K hat nicht bemerkt, dass T ihr einen Schraubenzieher an die Hüfte gedrückt hat und die von dem Schraubenzieher ausgehende Drohwirkung somit nicht wahrgenommen. Im Hinblick auf diese Qualifikation liegt somit lediglich ein Versuch vor, der hinter den vollendeten schweren Raub nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB zurücktritt.
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