Zivilrecht

Examensrelevante Rechtsprechung ZR

Entscheidungen von 2022

Verjährungsbeginn bei mietvertraglichen Ansprüchen

Verjährungsbeginn bei mietvertraglichen Ansprüchen

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M mietet 1981 von V eine Wohnung. 1984 verlegt M im Badezimmer Fliesen. Diese werden nicht ordnungsgemäß abgedichtet, sodass langsam Wasser in den Boden eindringt. 2016 stellt sich heraus, dass die Decke der darunter liegenden Wohnung infolgedessen einsturzgefährdet ist. V verlangt 2017 von M Schadensersatz.

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Einordnung des Falls

Verjährungsbeginn bei mietvertraglichen Ansprüchen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat V einen Anspruch gegen M aus § 536a Abs. 1 BGB?

Nein!

§ 536a BGB regelt allein die Ansprüche des Mieters gegen den Vermieter. Schadensersatzansprüche des Vermieters gegen den Mieter werden von den §§ 535 ff. BGB nicht geregelt.
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2. V könnte aber ein Schadensersatzanspruch gegen M aus § 280 Abs. 1 BGB zustehen.

Genau, so ist das!

Existiert im besonderen Teil des Schuldrechts keine vorrangige Regelung, kann auf das allgemeine Schuldrecht zurückgegriffen werden. § 280 Abs. 1 BGB ist die richtige Anspruchsgrundlage, wenn es um einen Schadensersatzanspruch neben der Leistung geht. Der Anspruch setzt voraus: (1) Schuldverhältnis, (2) Pflichtverletzung, (3) Vertretenmüssen und (4) Schaden. Bei dem Mietvertrag handelt es sich um ein Schuldverhältnis. M hat durch die mangelnde Abdichtung seine Pflicht zum ordnungsgemäßen Umgang mit der Mietsache verletzt. Ein entsprechendes Verschulden wird vermutet (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Ein kausaler Schaden im Hinblick auf den geschädigten Boden des Badezimmers bzw. die Decke der darunterlegenden Wohnung liegt ebenfalls vor. Die Anwendbarkeit des § 280 BGB auf ein Dauerschuldverhältnis, das noch vor der Schuldrechtsreform 2001 geschlossen wurde, ergibt sich aus Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB.

3. Sofern Vs Anspruch bereits verjährt ist, steht M eine dauerhafte (peremptorische) Einrede gegen den Anspruch zu.

Ja, in der Tat!

Liegen das schadensbegründende Ereignis und die Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche weit auseinander, musst Du immer an eine mögliche Verjährung denken! Die Verjährung ist als Einrede ausgestaltet. Dies hat zur Folge, dass der Schuldner sich auf die Einrede berufen muss, damit sie eine rechtliche Wirkung hat. Die Verjährung wird vom Gericht also nicht von Amts wegen geprüft. Sind im Sachverhalt keine Angaben dazu enthalten, ob der Schuldner die Einrede erhoben hat, solltest Du die Verjährung prüfen und anschließend darauf hinweisen, dass der Schuldner die Einrede noch erheben muss.

4. Da seit der fehlerhaften Verlegung der Fliesen bereits mehr als sechs Monate vergangen sind, ist Vs Anspruch nach § 548 Abs. 1 BGB verjährt.

Nein!

§ 548 Abs. 1 BGB ist eine besondere Verjährungsregel für Schadensersatzansprüche des Vermieters. Der Beginn der sechs Monate langen Frist wird an die Rückgabe der Mietsache geknüpft. § 548 BGB zwingt den Vermieter damit zu einer möglichst schnellen Klärung über bestehende Ansprüche im Zusammenhang der Mietsache. So entsteht für den Mieter schnell Rechtssicherheit. Gleichfalls muss der Vermieter sich hierfür ein umfassendes Bild von den Umständen machen können. Deshalb ist die Frist an die Rückgabe der Mietsache geknüpft. Das Mietverhältnis besteht noch und die Mietsache wurde noch nicht zurückgegeben. § 548 BGB ist damit nicht einschlägig.

5. Nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften wäre der Anspruch dagegen verjährt (§ 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Bei sehr langen Zeitspannen ist stets an Verjährungshöchstfristen (§ 199 Abs. 2-4 BGB) zu denken. § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB enthält dabei eine Verjährungshöchfrist nach der alle, nicht in § 199 Abs. 2 BGB genannten Schadensersatzansprüche, unabhängig von einer subjektiven Komponente spätestens nach 30 Jahren nach der Pflichtverletzung verjähren. Anders als bei der Regelverjährung beginnt die Berechnung der Höchstfrist nicht mit dem Ablauf des Jahres (§ 199 Abs. 1 BGB), sondern taggenau.Spätestens 30 Jahre nach dem Tag des Flieseneinbaus (also im Jahr 2014), wäre die Verjährungshöchstfrist abgelaufen und der Anspruch dann 2017 nicht mehr durchsetzbar.Zweck der Verjährungshöchstfristen sind der Schuldnerschutz, der Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit. Der Gesetzgeber hatte insbesondere im Blick, dass eine genaue Aufklärung der Umstände nach 30 Jahren kaum möglich ist.

6. Der Wortlaut der besonderen Verjährungsregel des § 548 BGB spricht nach Auffassung des BGH dafür, dass die Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB daneben anwendbar ist.

Nein, das trifft nicht zu!

BGH: Der Wortlaut des § 548 BGB enthalte keinen Anhaltspunkt dafür, dass die beiden Regelungen nebeneinander gelten. Hätte der Gesetzgeber eine Geltung der Verjährungshöchstfrist gewollt, hätte er in § 548 BGB etwa ein „spätestens“ einfügen können (RdNr. 30).

7. Für eine parallele Anwendung beider Vorschriften spricht nach Auffassung des BGH aber die gesetzliche Systematik.

Nein!

Die Gesetzessystematik spreche ebenfalls für die alleinige Geltung von § 548 BGB. Während die Verjährungshöchstfrist eine allgemeine Regel sei und vor die Klammer gezogen wurde, handele es sich bei § 548 BGB um eine spezielle Regelung für das Mietrecht. Spezielle Regelungen gingen grundsätzlich vor. (RdNr. 34-38)

8. Gegen die Anwendung der Verjährungshöchstfrist spreche weiterhin, dass der historische Gesetzgeber im Mietrecht bewusst keine Verjährungshöchstfrist eingeführt hat.

Genau, so ist das!

BGH: Bereits der historische Gesetzgeber habe sich zur Vorgängerregel des § 548 BGB (dem 558 BGB a.F.) mit der Möglichkeit einer Höchstfrist im Mietrecht auseinandergesetzt und sie mangels Relevanz nicht eingeführt. Der Gesetzgeber sei sich damit der Situation bewusst gewesen und habe dennoch keine Regelung getroffen (RdNr. 31-34).

9. Allerdings gebiete der Zweck des § 548 BGB nach Auffassung des BGH dennoch eine parallele Anwendung der Verjährungshöchstfrist und der speziellen mietvertraglichen Verjährungsregelung.

Nein, das trifft nicht zu!

BGH: Schließlich spreche auch der Zweck des § 548 BGB gegen eine Anwendung des § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB im Mietrecht. Auch wenn eine Aufklärung der Umstände nach 30 Jahren schwierig sei, sei die Anknüpfung der Frist an den Rückerhalt der Mietsache unmittelbar mit dem Gesetzeszweck des § 548 BGB verknüpft. Der Vermieter könne nur dann eine schnelle Klärung herbeiführen, wenn er sich ein umfassendes Bild von der Pflichtverletzung und dem Schaden machen könne. Dies sei aber erst nach Rückerhalt der Mietsache möglich, sodass dieser Zweck unterlaufen würde, wenn bereits zuvor Verjährung eintrete (RdNr. 39-42). § 548 BGB stellt im Mietrecht somit eine abschließende Spezialregelung dar. Der BGH wendet hier mustergültig die klassischen juristischen Auslegungsmethoden an! Es lohnt sich, die entsprechenden Stellen auch einmal im Original zu lesen!

10. Kann V seinen Schadensersatzanspruch 2017 noch durchsetzen?

Ja!

Da § 548 Abs. 1 BGB mangels Rückgabe nicht greift und § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB im mietvertraglichen Kontext nicht anwendbar ist, ist Vs Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB weiterhin durchsetzbar.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Rick-energie🦦

Rick-energie🦦

26.3.2024, 23:15:07

einige Fragen lassen sich in Ermangelung genauer Monatsangaben nur per Try&Error erraten

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.3.2024, 15:19:58

Hi Rick-Energie, vielen Dank für den Hinweis. Auf den genauen Tag des Einbaus der Fliesen kommt es hier für die Fallbearbeitung nicht an. Selbst wenn diese am 31.12.1984 eingebaut worden wären, wäre die Verjährungshöchstfrist nach § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB mit Ablauf des 31.12.2014 verstrichen und damit lange vor dem Schadensersatzverlangen im Jahr 2017. Wir haben hier deshalb auf konkrete Monatsangaben verzichtet. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

TAN

Tanksmasher69

2.10.2024, 14:18:58

Ich meine dem Kollegen geht es um die 6 Monats Frist des § 548 BGB. Bei Rückgabe der

Mietsache

am 1.1.2016 ist der Anspruch 2017 ijF verjährt.

SI

Simon

9.4.2024, 08:48:47

Schön wie hier alle Gerätschaften in der Dusche illustriert wurden :D

RICA

ricardal

13.4.2024, 11:42:21

;)))))

LELEE

Leo Lee

13.4.2024, 15:22:43

Hallo ricardal, vielen Dank für dein Feedback! Wir nehmen den „;)“ als Zeichen der Zufriedenheit mit der Zeichnung und freuen uns darüber, dass die Zeichnung dir gefällt! Wir geben weiterhin unser Bestes, um mehr tolle Zeichnungen ins Leben zu rufen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

CR7

CR7

18.8.2024, 22:50:32

😂😂😂


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