Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2022
Sachschadensersatz und Grenzen des Mietgebrauchs
Sachschadensersatz und Grenzen des Mietgebrauchs
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
In der von V betriebenen Tennishalle bucht M seit Jahren wöchentlich einen Platz. Eines Tages trifft M beim Return mit dem Schläger die sich 2,50m seitlich zum Platz befindliche Fensterscheibe aus Glas, die zerbricht. V verlangt die Reparaturkosten.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Sachschadensersatz und Grenzen des Mietgebrauchs
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Stellt der Vertrag zwischen M und V zur Buchung eines Tennishallenplatzes einen Mietvertrag dar (§§ 535ff. BGB)?
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Richtet sich der Schadensersatzanspruch des Vermieters nach Beendigung des Mietverhältnisses nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB, wenn der Mieter die Mietsache in beschädigtem Zustand zurückgibt?
Nein, das trifft nicht zu!
3. Kann V nach Rechtsprechung des BGH ein vertraglicher Schadensersatzanspruch allenfalls nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zustehen?
Ja!
4. Liegt im Rahmen mietvertraglicher Schadensersatzansprüche eine Pflichtverletzung nicht vor, wenn die Schädigung durch den vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt wurde (§ 538 BGB)?
Genau, so ist das!
5. Stellt die Zerstörung der Glasscheibe beim Returnversuch noch einen vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache durch M dar?
Nein, das trifft nicht zu!
6. Müsste M die Pflichtverletzung auch zu vertreten haben? Verletzt ein Spieler im Rahmen eines sportlichen Wettkampfs einen Mitspieler, so hat er den Schaden nur zu vertreten, wenn er schuldhaft gegen die Regeln des sportlichen Wettkampfs verstoßen hat?
Ja!
7. Besteht dieses Erfordernis eines schuldhaften Verstoßes gegen die Regeln des sportlichen Wettkampfs auch im vorliegenden Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter?
Nein, das ist nicht der Fall!
8. Hat M die Pflichtverletzung in Form der Zerstörung der Glasscheibe zu vertreten (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB)?
Ja, in der Tat!
9. Könnte der Schadensersatzanspruch des V aufgrund Mitverschuldens zu mindern sein (§ 254 Abs. 1 BGB)?
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Felice
16.8.2022, 11:19:11
Ich verstehe nicht, wieso hier als Gebrauch iSd 538 auf die Beschädigung und nicht auf das Tennisspielen abgestellt wird. 538 differenziert doch ganz klar zwischen der Verschlechterung der
Mietsacheund dem Gebrauch - bspw. stellt bei WohnraummietV doch auch die Benutzung der Sache (zB Begehen des Parketts) und nicht die Abnutzung selbst (Kratzer im Parkett) den Gebrauch dar, der vom Vertragszweck umfasst sein muss. Oder hab ich einen Denkfehler? 🤔
Nora Mommsen
16.8.2022, 17:36:23
Hallo Felice, der Unterschied zwischen dem Kratzer im Parkett und der Zerstörung der Fensterscheibe ist folgender: Das Parkett ist Teil der
Mietsache, sodass das Begehen und ggfs. dadurch verursachte Kratzer vertragsgemäßen Gebrauch darstellen. M hat den Platz gemietet, aber die Fensterscheibe zerstört. Dieses ist nicht die
Mietsachesondern nur in ihrem Einwirkungsbereich und daher stellt die Zerstörung auch keinen vertragsgemäßer Gebrauch dar. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Juranzig
25.8.2022, 15:01:44
Das würde dann ja bedeuten, dass wenn der M die ganze Halle gemietet hätte, es sich um einen vertragsgemäßen Gebrauch und damit keine Pflichtverletzung bei der Beschädigung der Fensterscheibe gehandelt hätte oder? Bzw. wenn er wie im Ausgangsfall statt der Glasscheibe das Netz zerstört hätte, ebenfalls ein vertragsgemäßer Gebrauch vorgelegen hätte, weil das Netz Teil der
Mietsacheist?
Simon
26.10.2023, 22:56:57
Ich würde eher darauf abstellen was die Parteien als vertragsgemäßen Gebrauch vereinbart haben. Durch Auslegung nach dem obj.
Empfängerhorizont(§§ 133, 157) ergibt sich mE, dass darunter grundsätzlich solche Verschlechterungen der
Mietsachefallen, die sich fast zwangsläufig aus ihrem Gebrauch ergeben und nicht mit verhältnismäßigen Aufwand durch den Mieter verhindert werden können. Dabei dürfte auch das Ausmaß der Abnutzung relevant sein, da der Vermieter mit geringen Abnutzungen wohl eher einverstanden sein wird und diese sich meist nicht vermeiden lassen. Hätte der Vermieter den Gegenstand selber genutzt, wäre die Verschlechterung genauso eingetreten. Das soll er nicht einfach auf den Mieter abwälzen können (er erhält ja schon die Miete!). Bei einem Kratzer im Parkett handelt es sich daher um eine Verschlechterung, die aus dem vertragsgemäßen Gebrauch resultiert. Bei der Zerstörung eines Spiegels durch einen Tennisschläger hingegen ist das anders. Nur weil die Beschädigung bei Gelegenheit des Gebrauchs der
Mietsacheauftritt, heißt das nicht, das die Beschädigungshandlung selbst einen solchen Gebrauch darstellt. Der Spieler kann idR solche Schäden vermeiden, die auch nicht ganz unerheblich sind. Anders wäre dies bei einer Abnutzung des Fußbodens bspw. Mangels anderer Anhaltspunkte, die auf einen abweichenden Parteiwillen schließen lassen, würde ich den vertragsgemäßen Gebrauch hier also verneinen.
Basti :)
26.8.2022, 14:14:34
Lief heute in Hessen
Lukas_Mengestu
26.8.2022, 16:43:01
Super, vielen Dank für den Hinweis! Das nehmen wir direkt mit auf :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
L123
26.8.2022, 14:25:21
Lief heute in SA
Lukas_Mengestu
26.8.2022, 16:42:42
Super, vielen Dank für den Hinweis! Das nehmen wir direkt mit auf :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Dodomi78
26.8.2022, 14:56:02
Lief heute auch als eine der Aufgaben in Bremen.
Lukas_Mengestu
26.8.2022, 16:42:21
Super, vielen Dank für den Hinweis! Das nehmen wir direkt mit auf :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Dodomi78
26.8.2022, 16:51:56
Wobei schon hinzuweisen ist, dass der Sachverhalt leicht abgewandelt war und nicht exakt dem entspricht, was hier im Fall abgefragt war
Bella
26.8.2022, 15:37:30
Der Fall lief heute im Examen in LSA (:
Lukas_Mengestu
26.8.2022, 16:42:11
Super, vielen Dank für den Hinweis! Das nehmen wir direkt mit auf :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Flo123
3.9.2022, 00:22:44
Der Fall lief auch am letzten Freitag in Thüringen im Examen
Nora Mommsen
4.9.2022, 11:42:14
Hallo Flo123, danke dir für die Info! Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
annika_rd
13.11.2022, 08:58:17
Lief auch im August in NRW!
cemawo
6.9.2022, 06:32:31
Schreibe heute Examen in Baden-Württemberg, wenn das jetzt auch noch hier geprüft wird schreie ich.
antoniasophie
6.9.2022, 22:13:56
Und was kam dran? 😋
karllarenz
21.9.2022, 08:22:29
Wieso würde es bei Abgrenzung der Anspruchsgrundlagen vom Zeitpunkt der Geltendmachung (!) des Schadensersatzanspruchs abhängen, ob 280 I, 241 II oder 280 I, III, 281 einschlägig sind? Nach meinen Verständnis würde es dann vielmehr auf den Zeitpunkt der Pflichtverletzung (!) ankommen (mit der Folge, dass bei einer Pflichtverletzung während der Mietdauer immer 280 I, 241 II anwendbar wären, da noch keine
Rückgabepflichtaus 545 besteht).
Lukas_Mengestu
17.11.2022, 17:28:25
Hallo karllarenz, vielen Dank für die Nachfrage. Gemeint war tatsächlich der Zeitpunkt der Geltendmachung des Schadens. Wenn man aus
§ 546 BGBdie Verpflichtung zur mangelfreien Rückgabe ziehen, so liegen letztlich zwei Pflichtverletzungen vor: a) die
Beschädigung der Mietsache(während des Mietverhältnisses) und damit eine Nebenpflichtverletzung (§ 241 Abs. 2 BGB) und b) eine Verletzung der
Rückgabepflichtals Haupt
leistungspflicht. Während die Pflichtverletzung sofort geltend gemacht werden kann, müsste der Vermieter hinsichtlich der
Rückgabepflichtzunächst eine Frist setzen, bevor er hier einen Schaden geltend machen könnte. Dies wird in der Rechtsprechung abgelehnt und der Anspruch einheitlich auf §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB gestützt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Saufen_Fetzt
18.10.2022, 11:22:53
Bei der Abgrenzung finde ich das Argument der „Benachteiligung des Vermieters“ schwierig. Wenn die unbeschädigte Rückgabe eine Hauptpflicht wäre, könnte der Vermieter die Rücknahme einer mangelhaften Wohnung verweigern, was (zumindest rechtlich) ein Vorteil ist. Besser fände ich hier das (mE einzig überzeugende) Wortlautargument (das auch der BGH nutzt), dass § 546 keine Vorgaben zum Zustand der
Mietsacheenthält.
Jurastudent Joop
18.1.2023, 23:27:02
Wo würde man in der Fallprüfung einbauen, dass man sich für 241 entscheidet und 281 ablehnt?
Saufen_Fetzt
18.1.2023, 23:30:23
ME im ersten Satz.
Lukas_Mengestu
23.1.2023, 18:56:44
Hallo Jurastudent Joop, das könntest Du zB im Rahmen der Pflichtverletzung einbauen, wo Du eben darauf abstellst, dass es nicht um eine Verletzung der
Rückgabepflichtaus
§ 546 BGB, sondern die Verletzung der Schutzpflicht geht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Jurastudent Joop
23.1.2023, 19:33:32
Vielen Dank für die Antwort! In der Überschrift würd ich dann aber die richtige zitieren
Lukas_Mengestu
23.1.2023, 20:52:55
Genau :-)
samale
5.5.2023, 10:15:04
Der Fall lief in NRW im August 2022
Nora Mommsen
5.5.2023, 13:21:02
Hallo samale! Danke dir für die Info, das haben wir direkt getaggt. :) Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Skinnynorris
27.10.2024, 18:18:06
Hallo, habe ich das so richtig verstanden, dass sich der SchE-Anspr. des Vermieters vor Rückgabe der
Mietsache(d.h. grundsätzlich immer, egal ob vor oder nach Rückgabe der
Mietsache) dann nach 280 I, 241 II richtet?
Leo Lee
16.11.2024, 09:36:04
Hallo Skinnynorris, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Genauso ist es. Nach dem BGH wird streng anhand des sehr rigiden Kriteriums der Unerheblichkeit des Zustandes bei Rückgabe abgegrenzt. D.h., dass die Schäden, die bereits VOR Rückgabe eingetreten sind, wie du völlig zurecht anmerkst, sich gewissermaßen "erst recht" nach den 280 I, 241 II richten würden. Allerdings gibt es auch Stimmen in der Literatur, die auf die Rückgabe in einem bestimmten Zustand abstellen. Hierzu kann ich etwa die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Bieber § 546 Rn. 10 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo