Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Täterschaft und Teilnahme

Abgrenzung sukzessive Beihilfe/Begünstigung

Abgrenzung sukzessive Beihilfe/Begünstigung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

T hat einen Kiosk überfallen (§ 249 StGB) und die Tageseinnahmen mitgenommen. Diese versteckt sie in Tatortnähe in einem Gebüsch. T bittet ihren in alles eingeweihten Bruder B, die Beute zu holen und sicher bei sich zu verstecken. B tut dies, weil er T helfen will.

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Einordnung des Falls

Abgrenzung sukzessive Beihilfe/Begünstigung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. War Ts Tat bereits beendet, als B die Beute geholt und versteckt hat?

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Straftat ist beendet, wenn die Rechtsgutsverletzung materiell abgeschlossen ist, mithin das strafbare Unrecht seinen Abschluss gefunden hat. Bei einem Raub tritt Beendigung erst ein, wenn der neue Gewahrsam gesichert ist und der vorherige Gewahrsamsinhaber keine Möglichkeit mehr hat, sich die Sache unmittelbar nach der Tat wieder zu verschaffen.T hatte den Kiosk bereits überfallen und damit den objektiven wie subjektiven Tatbestand des Raubes erfüllt. Damit ist ihre Tat vollendet. Jedoch lag die Beute noch im Gebüsch in Tatortnähe. Der neue Gewahrsam an den Tageseinnahmen war damit noch nicht gesichert. Der Raub war deswegen materiell noch nicht beendet.
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2. Ist Beihilfe im Stadium zwischen Vollendung und Beendigung (sog. sukzessive Beihilfe) unstrittig möglich?

Nein!

Nach Ansicht der Rspr. ist auch eine sukzessive Beihilfe möglich. Auch im Stadium zwischen Vollendung und Beendigung der Haupttat könne diese noch durch einen Gehilfen gefördert werden. Ein Teil der Literatur lehnt die Möglichkeit einer sukzessiven Beihilfe hingegen ab. Sie stelle eine gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoßende und damit unzulässige Ausdehnung der Strafbarkeit dar.Kommen die beiden Ansichten - wie hier - zu unterschiedlichen Ergebnissen, so ist ein Streitentscheid zu führen. Folgt man im Ergebnis der Ansicht von Teilen der Literatur, ist die Prüfung der Beihilfestrafbarkeit an dieser Stelle beendet.

3. Bejaht man mit der Rspr. und einem Teil der Literatur die sukzessive Beihilfe, können Beihilfe und Begünstigung unstrittig nebeneinander zur Anwendung kommen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Auch die Begünstigung (§ 257 StGB) stellt ein Hilfeleisten unter Strafe. In vielen Konstellationen ist deswegen eine Strafbarkeit wegen Beihilfe und/oder Begünstigung denkbar. Nach Ansicht der Rspr. stehen die Delikte im Verhältnis tatbestandlicher Exklusivität. Es kann also nur Beihilfe oder Begünstigung vorliegen. Eine Abgrenzung ist erforderlich. Nach einem Teil der Literatur kommen Beihilfe und Begünstigung hingegen parallel zur Anwendung.

4. Die Rspr. grenzt Beihilfe und Begünstigung nach der inneren Willensrichtung ab.

Ja, in der Tat!

Ob Beihilfe zur Haupttat oder Begünstigung vorliegt, ist nach der h.M. nach der inneren Willensrichtung des Hilfeleistenden zu bestimmen. Möchte der Beteiligte lediglich dabei helfen, die Haupttat zu beenden, so sei eine Beihilfestrafbarkeit gegeben. Zielt das Verhalten des Beteiligten hingegen darauf ab, dem Täter die Vorteile der Tat zu sichern, so sei er wegen Begünstigung strafbar.B ging es darum, seiner Schwester T zu helfen. Nach seiner inneren Willenrichtung zielte er damit mehr auf die Vorteilssicherung, als auf die Hilfe zur Beendigung des Raubes ab. Dadurch ergäbe sich für B eine Strafbarkeit nach § 257 Abs. 1 StGB, nicht jedoch nach §§ 249 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB.

5. Nach einer in Teilen der Literatur vertretenen Ansicht, geht die Strafbarkeit wegen Beihilfe stets der Begünstigung vor.

Ja!

Die Teile der Literatur, die Beihilfe und Begünstigung parallel nebeneinander anwenden wollen, lassen stets die Beihilfe vorgehen. Die Begünstigung tritt dann in Anlehnung an § 257 Abs. 3 S. 1 StGB als mitbestrafte Nachtat zurück.B hat Ts Beute gesichert und damit ihren Raub gefördert. Dies tat er mit doppeltem Gehilfenvorsatz. B ist damit wegen Beihilfe zum Raub strafbar, §§ 249 Abs. 1, 27 Abs. 1 StGB. Eine Strafbarkeit wegen Begünstigung ist parallel dazu möglich, tritt aber als mitbestrafte Nachtat zurück.

6. Die Ansichten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Damit ist ein Streitentscheid nötig.

Genau, so ist das!

Für ein Exklusivitätsverhältnis zwischen Beihilfe und Begünstigung spricht, dass der Strafrahmen zwischen den Delikten mitunter enorm variieren kann. Nur eine klare Abgrenzung wird den unterschiedlichen Strafandrohungen gerecht. Für eine parallele Anwendbarkeit von Beihilfe und § 257 StGB spricht, dass (1) die Ermittlung der inneren Willensrichtung und damit eine präzise Abgrenzung der Delikte mit erheblichen Beweisschwierigkeiten verbunden ist. (2) Zudem solle der Hilfeleistende nicht vor der mitunter strengeren Haftung verschont bleiben, nur, weil er eine Vorteilssicherung angestrebt hat.Zur Variation der Strafrahmen kommt es wegen des akzessorischen Strafrahmens der Beihilfe. Dieser richtet sich gem. § 27 Abs. 2 StGB nach der Strafdrohung für den Täter, ist aber nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern. Bei einer Beihilfe zum Raub ergibt sich daraus etwa eine Höchstmaß von zehn Jahren Freiheitsstrafe für den Gehilfen. § 257 StGB sieht hingegen eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren - und damit lediglich die Hälfte des maximalen Strafrahmens - vor.
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