GR-Bindung Judikative

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Verbraucherin V nimmt ein Baudarlehen bei der W-Bank auf. Diese vergibt horrenden Zinsen, weshalb sie auch als Wucher-Bank bekannt ist. V klagt und beruft sich u.a. auf ihre Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG). Richter R meint, mit Grundrechten hätte er hier am Amtsgericht nichts zu tun.

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Einordnung des Falls

GR-Bindung Judikative

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Judikative ist die rechtsetzende Gewalt.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Judikative ist die rechtsprechende Gewalt. Sie ist dafür zuständig, die von Legislative verabschiedeten und von der Exekutive ausgeführten Gesetze entsprechend der Rechtsordnung anzuwenden und zu überprüfen. Die rechtsprechende Gewalt entscheidet, welche Auslegung und Anwendung nach dem jeweiligen Gesetz die richtige ist und inwieweit die gesetzlichen Vorgaben oder ihre Anwendung mit höherrangigem Recht vereinbar sind. Zur Judikative gehören unabhängige Gerichte und die zu ihnen bestellten Richter an.
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2. Richter sind als Teil der Judikative an die Achtung der Grundrechte gebunden.

Ja!

Die Grundrechte binden „Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht“, so heißt es in Art. 1 Abs. 3 GG. Demnach binden die Grundrechte alle drei Gewalten des Staates, also die Legislative (Gesetzgebung), die Exekutive (vollziehende Gewalt) und die Judikative (Rechtsprechung).

3. Muss R als Zivilrichter in sein Urteil eine vollständige Grundrechtsprüfung aufnehmen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Judikative ist bei der Anwendung des Rechts zwar an die Grundrechte gebunden (Art. 1 Abs. 3 GG). Jedoch heißt dies nicht, dass Amtsrichter, die etwa im Zivilrecht urteilen, die Grundrechte der Beteiligten prüfen und in ihr Urteil aufnehmen müssen. Denn sie urteilen über Streitigkeiten zwischen Privaten, in denen die Grundrechte allenfalls mittelbar Anwendung finden. Vielmehr müssen die Grundrechte bei der Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts beachtet werden, insbesondere unter Berücksichtigung von Generalklauseln, die sog. „Einfallstore“ der Grundrechte darstellen (so etwa § 138 BGB). Zivilrichter R muss in sein Urteil keine vollständige Grundrechtsprüfung aufnehmen, sondern die Grundrechte vielmehr bei der Auslegung und Anwendung der einfachgesetzlichen Normen beachten. Für den vorliegenden Fall heißt dies, dass bei der Anwendung und Auslegung des § 138 BGB und der Frage, ob es sich bei der Zinsrate der W-Bank um ein „Wuchergeschäft“ handelt, die Grundrechte der V zu beachten sind. Amtsrichter R kann somit nicht einfach sagen, er hätte am Amtsgericht mit Grundrechten nichts zu tun.

4. Die ordnungsgemäße Beachtung der Grundrechte durch einen Richter kann vom Bürger mit der Verfassungsbeschwerde überprüft werden lassen.

Ja, in der Tat!

Grundrechte müssen von Gerichten bei der Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts beachtet werden. Dies geschieht im Verwaltungsrecht bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen und ihrer Voraussetzungen, im Strafrecht bei der Auslegung und Anwendung von Straftatbeständen und des Strafprozessrechts sowie im Zivilrecht unter Berücksichtigung zivilrechtlicher Generalklauseln, die sog. „Einfallstore“ der Grundrechte darstellen (etwa § 138 BGB oder § 242 BGB). Ob ein Fachgericht dies hinreichend getan hat, kann vom BVerfG nach Erschöpfung des Rechtswegs im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde überprüft werden (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG – sog. Urteilsverfassungsbeschwerde). Dabei prüft das BVerfG, ob der Bürger gerade durch die Entscheidung des Gerichts in einem seiner Grundrechte (oder grundrechtsgleichen Rechte) verletzt wurde.
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