Eingriffsverwaltung / Ordnungsverwaltung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Am Wochenende geht Lawra (L) auf eine Gegendemonstration zu einer Kundgabe der AfD auf dem Marktplatz. Weil sich Anwohnende durch die Lautsprecher gestört fühlen, schickt die Polizei alle Demonstrierenden nach Hause.

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Einordnung des Falls

Eingriffsverwaltung / Ordnungsverwaltung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Polizei ist Teil der öffentlichen Verwaltung.

Ja!

Teil der öffentlichen Verwaltung ist, wer Gesetze ausführt, also Teil der Exekutive ist, ohne zur Regierung zu gehören. Öffentliches Verwaltungshandeln dient zudem in der Regel einem öffentlichen Zweck und ist darauf gerichtet, zukünftige Verhältnisse zu regeln. Wird die Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr, nicht der Strafverfolgung, tätig, so ist dies nach sämtlichen Ansichten unproblematisch der öffentlichen Verwaltung zuzuordnen. Die Polizei wird im Rahmen der Ordnungsverwaltung tätig und führt die entsprechenden Gesetze zur Gefahrenabwehr aus. Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegt im Interesse der Allgemeinheit.
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2. Greift die Verwaltung in Rechte von Bürgern ein, spricht man von der Eingriffsverwaltung. P hat in die Rechte der Demonstrierenden eingegriffen.

Genau, so ist das!

Ein Eingriff ist nach dem sog. „modernen Eingriffsbegriff“, jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht. Die Verwaltung greift regelmäßig durch ihr Handeln in Rechte der Bürger ein, etwa indem sie Verbote ausspricht, Verpflichtungen oder sonstige Belastungen auferlegt. Beispiele hierfür sind Versammlungsverbote, Gewerbeuntersagungen, Zahlungsbescheide oder das Aufstellen von Verkehrszeichen. Ein Eingriff kann zudem auch in der Rücknahme eines zuvor gewährten Vorteils liegen. Die Auflösung der Demonstration (= Versammlung) beschränkt das Recht der Demonstrierenden aus Art. 8 Abs. 1 GG.

3. Die Verwaltung kann uneingeschränkt in die Rechte der Bürger eingreifen.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Verwaltung ist in ihrem Handeln nicht frei, sondern an die Gesetze gebunden (sog. „Vorbehalt des Gesetzes“). Das bedeutet, dass für einen Eingriff immer eine parlamentsgesetzliche Grundlage (eine sog. Ermächtigungsgrundlage) gegeben sein muss. Die Verwaltung darf nur tätig werden, wenn das Gesetz das konkrete Verwaltungshandeln gestattet (leicht verkürzt auch oft beschrieben durch den Grundsatz „Kein Handeln ohne Gesetz“). Die Ermächtigung, eine Versammlung aufzulösen, ergibt sich aus § 15 Abs. 3 VersG bzw. – soweit vorhanden – den entsprechenden Normen des anwendbaren Landesversammlungsgesetzes.

4. Wer von einem Eingriff der Verwaltung betroffen ist, kann die Rechtmäßigkeit des Eingriffs gerichtlich überprüfen lassen.

Ja!

Dass es für das Verwaltungshandeln eine Ermächtigungsgrundlage gibt, ist nicht ausreichend. Vielmehr muss der konkrete Eingriff auch (formell- und materiell) rechtmäßig sein. Ist der Betroffene des Eingriffs der Ansicht, dass dieser rechtswidrig war, so steht ihm hiergegen der Verwaltungsrechtsweg offen (Rechtswegsgarantie, Art. 19 Abs. 4 GG). L kann gegen das Handeln der Polizei Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Wonach sich die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns bestimmt, schauen wir uns in einem späteren Kapitel an.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Гизтохоп

Гизтохоп

24.5.2024, 14:30:36

Könntet ihr vielleicht eure Fälle komplett unpolitisch gestalten? Die Information, dass hier gegen die AfD demonstriert wird, fügt dem Fall absolut nichts hinzu. Sie könnte auch auf einfach irgendeine Demo gehen. Ganz egal was meine Meinung zur AfD ist, finde ich einfach nicht, dass sowas hier hingehört^^

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

27.5.2024, 12:14:36

Hallo @[Giztohop](131093), danke für Deinen Kommentar und Deine Anregung. Du hast Recht: Die Information, dass hier gegen die AfD demonstriert wird, ist für die Falllösung unerheblich. Allerdings haben wir bei Jurafuchs eine unüberschaubare Fülle von Aufgaben, die Versammlungen zum Gegenstand haben und in denen die Ziele der Versammlung sehr unterschiedlich gewählt sind – Demo für Klimaschutz, Demo gegen Klimaschutz, Demo gegen Corona, rechtswidrige Verhinderungsdemo gegen die AfD, Demo für Bienen, Demo gegen alles, Demo für Spaß. Dass in diesem bunten und aus dem Leben gewählten Reigen von Versammlungen auch eine Demo gegen die AfD vorkommt, ist deshalb in unseren Augen vollkommen unschädlich.

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

27.5.2024, 12:16:30

Noch ein Nachtrag @[Giztohop](131093): Wir sind nicht unpolitisch: Jura ist genuin politisch, es ist der rechtliche Rahmen für die politische Ordnung unseres Gemeinwesens. Deshalb ist es uns ein Grundanliegen, juristische Bildung am plastischen Fallbeispiel zu betreiben, um die gesellschaftliche Relevanz von Rechtsfragen zu verdeutlichen. Unser Ziel ist eine möglichst gute juristische Bildung, damit der juristische Nachwuchs – die Verteidigerinnen und Verteidiger des Rechtsstaats von morgen – das notwendige Handwerkszeug erlernen. Dabei sind wir meinungsneutral. Hoffe das hilft! Beste Grüße – Wendelin für das Jurafuchs-Team

JI

Jimmy105

29.6.2024, 19:11:37

Das hier ist der LOL-Button. 😂

MWA

mwally

10.7.2024, 10:07:04

Dass ihr meinungsneutral seid ist eine gewagte These. In welcher Ecke ihr steht wird sehr deutlich klar. Das ist keine Kritik an der Ecke oder der generellen Tatsache, dass ihr bestimmte Meinungen offensichtlich vertretet. Nur etwas Ehrlichkeit und Selbstreflexion wäre angebracht.

BigLebowski

BigLebowski

31.7.2024, 16:34:20

"In welcher Ecke ihr steht" - du meinst auf dem Boden des Grundgesetzes? Ist 'ne gute "Ecke", nur zu empfehlen.

MWA

mwally

31.7.2024, 17:50:18

Das ist nicht der Punkt. Es ging lediglich um die Behauptung, meinungsneutral zu sein. Dem ist hier offensichtlich nicht som Zu der Exke an sich habe ich mich inhaltlich gar nicht geäußert. Ich weiß, dass der Schnappmechanismus bei vielen Menschen sehr ausgeprägt ist, aber gerade in der juristischen Diskussion hilft es, erst zu verstehen, was eigentlich gesagt wird, bevor man zuschnappt.

BigLebowski

BigLebowski

31.7.2024, 19:00:53

Aha, dann geht's also weiter um den heißen Brei. Was genau meinst du damit, sie seien nicht "meinungsneutral"? Und in welcher "Ecke" steht denn nun Jurafuchs deiner Meinung nach? Was ist deiner Meinung nach daran schlecht und warum? Meinst du nicht, dass es durchaus lebensnah ist, bspw. als Richterin oder Richter über die Rechtmäßigkeit eines Demo-Verbots genau einer solchen Gegen-Demo zu entscheiden? Wenn du Fachwissen abstrakt-grau und lebensfern vermittelt bekommen willst, a la auf einer Demo X, ja, dann wirst du hier nicht glücklich. Darauf ist die App aber auch offensichtlich nicht ausgelegt. Gerade lebensnahe und vielleicht auch reale (!) Elemente erleichtern das Lernen abstrakter Materie(n). Im übrigen ja, ich habe zugeschnappt.

MWA

mwally

31.7.2024, 19:32:45

Lies bitte noch einmal, was ich geschrieben habe. Wo steht, da, dass es schlecht ist, dass auch politische Ansichten einfließen, dass diese Ansichten schlecht sind, dass ich diese Ansichten nicht teile oder dass Jurafuchs andere Ansichten vertreten soll?

MWA

mwally

31.7.2024, 19:35:44

Es sging lediglich um die unreflektierte Aussage, JuraFuchs sei meinungsneutral. Das sind sie nicht. Müssen sie auch nicht sein.

Wendelin Neubert

Wendelin Neubert

17.8.2024, 10:13:51

Hallo @[mwally](225215), könntest du bitte einmal erläutern, inwiefern wir als Lernplattform nicht meinungsneutral sind? Das scheint mir angebracht, wenn du uns vorwirfst, dass wir unreflektiert behaupteten, wir seien meinungsneutral. Freue mich auf deine Antwort. Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team


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