Scientology II - Irrgarten der Illusionen

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Stadt H verteilt 6000 Exemplare der Schrift „Scientology - Irrgarten der Illusionen“. Darin werden Scientology rassistische Ideen und Gehirnwäsche vorgeworfen. Der lokale Scientology-Verein widerspricht: Ziel sei die Vermittlung geistiger Freiheit und Selbstfindung. Man selbst sehe sich als „Kirche“ und gehe gegen die Verteilung der Schrift vor.

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Einordnung des Falls

Scientology II - Irrgarten der Illusionen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Zur Beurteilung, ob der lokale Scientology-Verein eine Religion oder Weltanschauung ausübt, wird dessen Selbstverständnis als eines von mehreren Kriterien herangezogen.

Genau, so ist das!

Zur Beurteilung, ob der Verein eine Religion oder Weltanschauung ausübt, wird dessen Selbstverständnis als ein Kriterium von mehreren herangezogen. Alleinig das Selbstverständnis oder die Selbstbezeugung einer Gemeinschaft, einen religiösen oder weltanschaulichen Grundauftrag zu verfolgen, reicht hingegen nicht aus, um eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft zu begründen. Vielmehr muss eine inhaltliche Auseinandersetzung in Form einer gemeinsamen Überzeugung von einer weltlichen oder religiösen Sinndeutung der Welt stattfinden.
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2. Der lokale Scientology-Verein bildet eine Religionsgemeinschaft.

Nein, das trifft nicht zu!

Art. 4 Abs. 1 und 2 GG beinhaltet ein einheitliches und umfassend zu verstehendes Grund- und Menschenrecht der Glaubensfreiheit. Religion bezeichnet dabei eine transzendental ausgerichtete, mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens. Ausschlaggebend ist somit das Vorliegen eines Transzendentalbezugs. Ein vorherrschender Transzendentalbezug ist beim lokalen Scientology-Verein nicht erkennbar. Dem Verein geht es primär um die Erreichung einer lebzeitigen Selbstfindung in Form von geistiger Freiheit. Der Scientology-Verein bildet somit keine Religionsgemeinschaft.

3. Der lokale Scientology-Verein erfüllt Merkmale einer Weltanschauungsgemeinschaft.

Ja!

Die Weltanschauung hebt sich vom Religionsbegriff durch ihre areligiöse Sinndeutung der Welt ohne außerweltliche oder überirdische Bezüge ab. Die von Scientology in H praktizierte Mischung aus Gedanken und Ideen kommt ohne außerweltliche oder überirdische Bezüge aus und praktiziert vielmehr eine areligiöse Sinndeutung der Welt. Diese verdichtet sich zu einer Lebensphilosophie. Der Verein praktiziert damit weltanschauliche Überzeugungen und erfüllt Merkmale einer Weltanschauungsgemeinschaft. So die Einschätzung des OVG Hamburg. Andere Gerichte haben die Einordnung von Scientology als Religion bzw. Weltanschauung verneint, etwa das BAG. Vertieftes Wissen wird von Dir hier nicht gefordert, sondern eine saubere Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen für die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.

4. Dient die weltanschauliche Lehre des Vereins nur als Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele, entfällt seine Qualifikation als Weltanschauungsgemeinschaft.

Genau, so ist das!

Auch die überwiegend wirtschaftliche Betätigung eines Vereins in Form von Provisionszahlungen, Bücherverkäufen und Kursangeboten steht dem Schutz durch die Weltanschauungsfreiheit nicht per se entgegen. Vielmehr müssen seine weltanschaulichen Lehren nur als Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele dienen, um die Einstufung als Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft auszuschließen und damit die Eröffnung des Schutzbereichs abzulehnen. Dient die weltanschauliche Lehre des Vereins nur als Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele, entfällt seine Qualifikation als Weltanschauungsgemeinschaft. Das OVG Hamburg hat im Originalfall keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür gesehen, dass die weltanschauliche Lehre des lokalen Vereins nur als Vorwand diene. Die Frage, ob Scientology und seine lokalen Ausformungen als Religion- bzw. Weltanschauung gelten und es sich dabei nicht lediglich um einen Vorwand für wirtschaftliche Betätigung handelt, ist seit Jahrzehnten in Rechtsprechung und Lehre streitig und abschließend weiter ungeklärt. Mit einer ausführlichen Argumentation lassen sich in der Klausur je nach Sachverhalt oft verschiedene Ansichten vertreten. Entscheidend für Dich ist eine saubere Arbeit mit dem Sachverhalt und den juristischen Maßstäben.
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