Referendariat

Die zivilrechtliche Urteilsklausur

Streitgenossenschaft

Materiell-rechtlich notwendige Streitgenossenschaft – Unzulässigkeit einer der Klagen führt zur Unzulässigkeit aller Klagen

Materiell-rechtlich notwendige Streitgenossenschaft – Unzulässigkeit einer der Klagen führt zur Unzulässigkeit aller Klagen

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

C und D leben im Güterstand der Gütergemeinschaft (§§ 1415ff. BGB) mit gemeinschaftlicher Vermögensverwaltung (§ 1421 BGB). Da ihr Haus unbehebbare Baumängel aufweist, erheben sie gemeinsam Schadensersatzklage gegen B, der es ihnen verkauft hat. C ist jedoch seit einiger Zeit unerkannt geisteskrank. ‌

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Einordnung des Falls

Materiell-rechtlich notwendige Streitgenossenschaft – Unzulässigkeit einer der Klagen führt zur Unzulässigkeit aller Klagen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. C und D sind materiell-rechtlich notwendige Streitgenossen.

Ja!

Eine materiell-rechtlich notwendige Streitgenossenschaft nach § 61 Abs. 1 Alt. 2 ZPO liegt vor, wenn ein materielles Recht nur von oder gegenüber mehreren ausgeübt werden kann. Wird bei ehelicher Gütergemeinschaft das Gesamtgut gemeinschaftlich verwaltet, so sind die Ehegatten nur gemeinschaftlich berechtigt, über das Gesamtgut zu verfügen und Rechtsstreitigkeiten zu führen, die sich auf das Gesamtgut beziehen (§ 1450 Abs. 1 S. 1 BGB). E und F leben im Güterstand der Gütergemeinschaft mit gemeinschaftlicher Vermögensverwaltung. Sie können nur gemeinsam Rechtsstreitigkeiten führen, die sich auf das Gesamtgut beziehen und sind daher materiell-rechtlich notwendige Streitgenossen.
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2. Könnten C oder D jeweils alleine gegen B Klage erheben?

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei einer notwendigen Streitgenossenschaft muss aus prozessrechtlichen (§ 62 Abs. 1 Alt. 1 ZPO) oder materiell-rechtlichen Gründen (§ 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO) eine einheitliche Entscheidung ergehen. Bei einer prozessrechtlich notwendigen Streitgenossenschaft ist eine Einzelklage bzw. das Verklagen eines Einzelnen zulässig. Bei einer materiell-rechtlich notwendigen Streitgenossenschaft ist dagegen auch die Herbeiführung einer Streitgenossenschaft notwendig (Verbot der Einzelklage). C und D sind materiell-rechtlich notwendige Streitgenossen und müssen daher gemeinsam klagen. Eine Einzelklage wäre mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig.

3. C ist prozessunfähig.

Ja, in der Tat!

Nach §§ 51 Abs. 1, 52 ZPO ist eine Person prozessfähig, wenn sie geschäftsfähig ist. Nach § 104 BGB fehlt die Geschäftsfähigkeit bei einer Person, die sich sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet. C ist geisteskrank. Daher ist er geschäfts- und prozessunfähig.

4. Ist Cs Klage trotz Prozessunfähigkeit zulässig?

Nein!

Die Prozessfähigkeit ist eine persönliche Sachurteilsvoraussetzung, deren Fehlen zur Unzulässigkeit der Klage führt. C ist unerkannt geisteskrank und damit prozessunfähig. Daher ist seine Klage unzulässig und durch Prozessurteil abzuweisen.

5. Ds Klage bleibt dagegen weiterhin zulässig.

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei einer materiell-rechtlich notwendigen Streitgenossenschaft ist neben einer einheitlichen Sachentscheidung auch die Herbeiführung einer Streitgenossenschaft bzw. die Beteiligung aller Streitgenossen an der Sachentscheidung erforderlich. Eine Sachentscheidung kann folglich nur ergehen, wenn alle Streitgenossen klagen und jede Klage zulässig ist. Die Unzulässigkeit der Klage eines Streitgenossen führt in diesem Fall zugleich zur Unzulässigkeit der übrigen Klagen. Denn den übrigen Streitgenossen fehlt dann die notwendige Prozessführungsbefugnis. Die Unzulässigkeit von Cs Klage führt zur Unzulässigkeit von Ds Klage. Auch gegen D ergeht somit ein klageabweisendes Prozessurteil. Bei einer bloß prozessrechtlich notwendigen Streitgenossenschaft wäre dagegen keine Beteiligung aller Streitgenossen an der einheitlichen Sachentscheidung erforderlich. Dort kann eine einzelne Klage als unzulässig abgewiesen werden, während über die übrigen Klagen eine Sachentscheidung ergeht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SARA

Sarah

25.11.2023, 11:12:28

Hallo, ich verstehe nicht ganz, wieso der zweite Streitgenosse den

unerkannt geisteskrank

en Streitgenossen nicht vertreten kann (§62 I ZPO). Vermutlich einfach aus dem Grund, weil die Klage des C bereits unzulässig ist und die

Prozessfähigkeit

keine „vertretungsfähige“ Prozesshandlung ist?

EN

Entenpulli

6.5.2024, 16:31:27

Ich würde sagen, dass bereits der

Wortlaut

des § 62 I ZPO dafür spricht, dass er nicht anwendbar ist, da die Anwendung auf "ein Termin oder eine Frist" beschränkt ist. Die

Prozessfähigkeit

ist gar keine Handlung, sondern eine Eigenschaft. Davon abgesehen erfordert die Vertretung auch eine Vertretungsmacht, die mangels Geschäftsfähigkeit nicht erteilt werden konnte.

iudexaquo

iudexaquo

2.12.2023, 14:25:43

Welche Möglichkeiten hätte D, um eine erneute zulässige Klage erheben zu können? Wäre es nur dann möglich, wenn dem C ein gesetzlicher Betreuer gestellt wird?

EN

Entenpulli

6.5.2024, 16:26:18

Genau für solche Handlungen wäre eine Betreuung notwendig, ja. Alle anderen "Tricks", wie zB die Umwandlung der Eheform würden nämlich ebenfalls eine Betreuung erfordern. Optionen ohne Betreuung fallen mir nicht ein.

PI

Pit

28.7.2024, 14:33:06

Sofern die Krankheit nur vorübergehend ist käme außerdem die Einstweilige Verfügung zur Prozessführung in Betracht.D könnte beim Familiengericht eine einstweilige Verfügung beantragen, die ihm vorläufig das alleinige Recht zur Prozessführung einräumt (§ 1365 Abs. 2 BGB analog). Dies wäre eine schnelle, aber nur vorübergehende Lösung. Und sonst bleibt in dringenden Fällen die Notgeschäftsführung. In Ausnahmefällen könnte D auch auf die Grundsätze der Notgeschäftsführung (§§ 1454, 1455 BGB) zurückgreifen, um die Klage allein zu erheben oder fortzuführen. Das sind aber beides keine Lösungen für den "Normalfall".


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