Öffentliches Recht

Grundrechte

Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)

Objektiv berufsregelnde Tendenz: Eingriffsschwelle

Objektiv berufsregelnde Tendenz: Eingriffsschwelle

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Landtag L beschließt ein umfassendes Tabak-Werbeverbot für Printmedien, TV, Plakatwerbung und Rundfunk. Des Verbot soll die Gesundheit der Bürger, insbesondere Minderjähriger, schützen. Tabak-Hersteller T sieht sich in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt.

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Einordnung des Falls

Objektiv berufsregelnde Tendenz: Eingriffsschwelle

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine staatliche Maßnahme, die zwar nicht zielgerichtet, jedoch mittelbare oder tatsächliche Folgen für einen Beruf herbeiführt, greift in die Berufsfreiheit ein.

Ja, in der Tat!

Art. 12 Abs. 1 GG schützt berufs- und ausbildungsspezifische Handlungen. Deshalb stellen nicht nur diejenigen staatlichen Handlungen oder Maßnahmen Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG dar, die auf die Regelung von Berufen abzielen (subjektiv berufsregelnde Tendenz). Auch diejenigen staatlichen Handlungen oder Maßnahmen, die zwar eine berufsneutrale Zielsetzung verfolgen, sich jedoch de facto mittelbar auf die berufliche Tätigkeit auswirken (objektiv berufsregelnde Tendenz), stellen Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG dar.
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2. Maßnahmen mit subjektiv berufsregelnder Tendenz stellen immer einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG dar. Gilt dies auch für Maßnahmen mit objektiv berufsregelnder Tendenz?

Nein!

Nahezu jede gesetzliche Regelung betrifft mittelbar die berufliche Tätigkeit. Um den Eingriffsbegriff insoweit einzuhegen, wird die berufsregelnde Tendenz einer Maßnahme vorausgesetzt. Damit nicht jede irgendwie geartete, weit entfernte Folge einer staatlichen Maßnahme einen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellt, schränkt das BVerfG ein: Eine Maßnahme weist nur dann eine objektiv berufsregelnde Tendenz auf, wenn die berufliche Tätigkeit durch die Maßnahme „nennenswert behindert“ wird, also die Maßnahme in ihrer Zielsetzung und Wirkung einer zielgerichteten Maßnahme gleichkommt. Wegen dieser unterschiedlichen Anforderungen kann es in Deiner Klausur wichtig sein, dass Du auf Eingriffsebene danach differenzierst, ob die staatliche Maßnahme subjektiv berufsregelnde Tendenz oder objektiv berufsregelnde Tendenz aufweist.

3. Das Tabak-Werbeverbot hat eine objektiv berufsregelnde Tendenz und behindert die berufliche Tätigkeit des T nennenswert.

Genau, so ist das!

Bei einer Maßnahme mit objektiv berufsregelnder Tendenz ist nur dann ein Eingriff anzunehmen (Eingriffsschwelle), wenn die berufliche Tätigkeit durch die Maßnahme „nennenswert behindert“ wird. Die Maßnahme muss also in ihrer Zielsetzung und Wirkung einer zielgerichteten Maßnahme gleichkommen. Das Tabak-Werbeverbot kann in seiner Intensität als funktionales Äquivalent zu einer zielgerichtet berufseinschränkenden Maßnahme gesehen werden. Denn es ist davon auszugehen, dass ein flächendeckendes Werbeverbot sich erheblich auf die Berufsausübung von Tabak-Herstellern wie T auswirken wird, der mit signifikanten Umsatzeinbußen rechnen muss. Damit ist mit einer nennenswerten Behinderung der Berufsausübung für T zu rechnen. Eine objektiv berufsregelnde Tendenz – und damit ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG – liegt vor.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LawStudent

LawStudent

31.3.2024, 14:11:05

(-) nach der zweiten Frage hinter dem Fragezeichen, ist das so richtig?

BEN

benjaminmeister

2.4.2024, 11:06:24

Glaube bei der Frage/Antwort ist in der Tat etwas falsch gelaufen…

BEN

benjaminmeister

14.4.2024, 14:25:01

Kann das Team hier bitte nochmal drauf schauen? Bei der zweiten Frage ist die Antwort weiterhin nicht richtig hinterlegt.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.4.2024, 12:25:55

Vielen Danke euch für die Hinweis und eure Geduld! In der Tat ist bei der Frage etwas schief gelaufen. Das haben wir nun ausgebessert :) Viel Spaß, Nora - für das Jurafuchs-Team

Jana

Jana

28.7.2024, 18:39:32

Zwei Sachen: Müsste es nicht “das” Verbot heissen, in der Aufgabenstellung? Und zur zweiten Frage (“Maßnahmen mit subjektiv berufsregelnder Tendenz stellen immer einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG dar. Gilt dies auch für Maßnahmen mit objektiv berufsregelnder Tendenz?”): Maßnahmen mit objektiv berufsregelnder Tendenz stellen doch auch immer einen Eingriff in die Berufsfreiheit dar, allerdings liegt dieser selber nur vor wenn auch die Kriterien der Antwort erfüllt sind, oder liege ich da falsch?

G0D0FM

G0d0fMischief

3.9.2024, 09:09:11

Zu der zweiten Frage, du musst differenzieren. Wenn jede objektive Maßnahme einen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellen würde, dann würde quasi jedes staatliche Verhalten unter „Generalverdacht“ stehen einen objektiven Eingriff in die Berufsfreiheit darzustellen. Ich würden den subjektiven Eingriff in die Berufsfreiheit als „Sonderform“ des klassischen Eingriffs sehen - weil er als staatliche Maßnahme bzw. Rechtsakt final und unmittelbar grundrechtsverkürzend wirkt und notfalls mit Befehl und Zwang durchsetzbar ist. Der objektive Eingriff in die Berufsfreiheit ist entspricht eher dem modernen Eingriffsbegriff, da er mittelbare Grundrechtsverkürzungen erfasst, auch faktisch wirken kann und nicht mit Befehl und Zwang durchsetzbar sein muss. Bei dem modernen Eingriffsbegriff wirkt Grundrechtsbeeinträchtigung jedoch dann nicht als Eingriff, WENN sie die BAGATELLGRENZE nicht überschreitet, er also „nennenswert“ ist. Ich hoffe das hilft dir weiter :)

Jana

Jana

3.9.2024, 09:34:19

Danke für deine Antwort. Ich habe den Unterschied schon verstanden, allerdings hab ich es so gelernt, dass sofern die Bagatellgrenze nicht überschritten wurde, schon kein Eingriff mit objektiv berufsregelnder Tendenz vorliegt. Also erst sofern die Voraussetzungen, die in der Aufgabe beschrieben wurden, erfüllt sind, liegt ein objektiv berufsregelnder Eingriff vor, der dann auch immer einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG darstellt. Falls nicht, liegt kein Eingriff mit berufsregelnder Tendenz und damit auch keiner in Art. 12 Abs 1 GG vor.


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