Öffentliches Recht
Grundrechte
Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)
Objektiv berufsregelnde Tendenz: Eingriffsschwelle
Objektiv berufsregelnde Tendenz: Eingriffsschwelle
3. Juli 2025
18 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Landtag L beschließt ein umfassendes Tabak-Werbeverbot für Printmedien, TV, Plakatwerbung und Rundfunk. Des Verbot soll die Gesundheit der Bürger, insbesondere Minderjähriger, schützen. Tabak-Hersteller T sieht sich in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt.
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Einordnung des Falls
Objektiv berufsregelnde Tendenz: Eingriffsschwelle
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Eine staatliche Maßnahme, die zwar nicht zielgerichtet, jedoch mittelbare oder tatsächliche Folgen für einen Beruf herbeiführt, greift in die Berufsfreiheit ein.
Ja, in der Tat!
2. Maßnahmen mit subjektiv berufsregelnder Tendenz stellen immer einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG dar. Gilt dies auch für alle sonstigen Maßnahmen, die die Berufsfreiheit nur mittelbar beeinträchtigen?
Nein!
3. Das Tabak-Werbeverbot hat eine objektiv berufsregelnde Tendenz und behindert die berufliche Tätigkeit des T nennenswert.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jana
28.7.2024, 18:39:32
Zwei Sachen: Müsste es nicht “das” Verbot heissen, in der Aufgabenstellung? Und zur zweiten Frage (“Maßnahmen mit subjektiv berufsregelnder Tendenz stellen immer einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG dar. Gilt dies auch für Maßnahmen mit objektiv berufsregelnder Tendenz?”): Maßnahmen mit objektiv berufsregelnder Tendenz stellen doch auch immer einen Eingriff in die Berufsfreiheit dar, allerdings liegt dieser selber nur vor wenn auch die Kriterien der Antwort erfüllt sind, oder liege ich da falsch?

G0d0fMischief
3.9.2024, 09:09:11
Zu der zweiten Frage, du musst differenzieren. Wenn jede objektive Maßnahme einen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellen würde, dann würde quasi jedes staatliche Verhalten unter „Generalverdacht“ stehen einen objektiven Eingriff in die Berufsfreiheit darzustellen. Ich würden den subjektiven Eingriff in die Berufsfreiheit als „Sonderform“ des klassischen Eingriffs sehen - weil er als staatliche Maßnahme bzw. Rechtsakt final und unmittelbar grundrechtsverkürzend wirkt und notfalls mit Befehl und Zwang durchsetzbar ist. Der objektive Eingriff in die Berufsfreiheit ist entspricht eher dem modernen Eingriffsbegriff, da er mittelbare Grundrechtsverkürzungen erfasst, auch faktisch wirken kann und nicht mit Befehl und Zwang durchsetzbar sein muss. Bei dem modernen Eingriffsbegriff wirkt Grundrechtsbeeinträchtigung jedoch dann nicht als Eingriff, WENN sie die BAGATELLGRENZE nicht überschreitet, er also „nennenswert“ ist. Ich hoffe das hilft dir weiter :)

Jana
3.9.2024, 09:34:19
Danke für deine Antwort. Ich habe den Unterschied schon verstanden, allerdings hab ich es so gelernt, dass sofern die Bagatellgrenze nicht überschritten wurde, schon kein Eingriff mit objektiv berufsregelnder Tendenz vorliegt. Also erst sofern die Voraussetzungen, die in der Aufgabe beschrieben wurden, erfüllt sind, liegt ein objektiv berufsregelnder Eingriff vor, der dann auch immer einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG darstellt. Falls nicht, liegt kein Eingriff mit berufsregelnder Tendenz und damit auch keiner in Art. 12 Abs 1 GG vor.
L.Goldstyn
13.1.2025, 12:20:12
Hallo @[Jana](118808), volle Zustimmung! Aus meiner Sicht liegt hier bei der zweiten Frage ein Fehler von Jurafuchs vor, jedenfalls passt aber die Erklärung nicht zur vorgegebenen Antwort.
Birdnerd
2.4.2025, 21:59:34
Ich glaube auch, dass hier ein Fehler vorliegt. Wäre ansonsten toll, wenn hier jemand aus dem Jurafuchs-Team antworten würde :-)
Amelie7
7.11.2024, 13:15:10
Die Voraussetzungen liegen ja schon an das Vorliegen einer objektiv berufsregelende Tendenz vor "Eine Maßnahme weist nur dann eine
objektiv berufsregelnde Tendenzauf, wenn..", müsste dann nicht immer wenn diese Voraussetzungen vorliegen und eine
objektiv berufsregelnde Tendenzgegeben ist auch ein Eingriff bejaht werden?
simon175
11.11.2024, 11:15:44
Es wäre sehr hilfreich, wenn in den Quellen die erwähnte BVerfG Entscheidung verlinkt wäre, danke :)

Christian Leupold-Wendling
13.11.2024, 07:40:19
Hallo simon175, vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu unsere Lerninhalte entsprechend anpassen bzw. noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Christian Leupold-Wendling, für das Jurafuchs-Team
Niklas E.
12.6.2025, 20:09:35
Handelt es sich bei einem landesweiten Tabakwerbeverbot nicht bereits nach dem klassischen Eingriffsbegriff (das Verbot erschwert final die Ausübung der Berufsfreiheit) um einen Eingriff bzw. entsprechend um eine
subjektiv berufsregelnde Tendenz? So zumindest Detterbeck/Will in JuS 2007, 153 in Verbindung gelesen mit Detterbeck, Öffentliches Recht, 12. Auflage, Rn. 468 a.E. (grauer Kasten). So auch Degenhart, Werbeverbote im Lebensmittelhandel und Verfassungsrecht - dieser sieht ebenfalls einen unmittelbaren Eingriff in Art. 12. Demnach käme man bei einem finalen Eingriff in Art. 12 gar nicht mehr zum Problem der objektiv berufsregelnden Tendenz einer. Auch wenn ggf. beide Varianten (
klassischer Eingriffsbegriff/
objektiv berufsregelnde Tendenz) als Ergebnis möglich sind, findet man vielleicht ein eindeutigeres Beispiel für eine obiektiv
berufsregelnde Tendenz.
Becca_la
23.6.2025, 17:31:33
@[Niklas E.](151101) ich vermute, dass es hier dann aber für den klassischen Begriff an dem Merkmal "zielgerichtet" scheitert, da ja gerade Ziel nicht eine Beschränkung d. Tabakindustrie ist, sondern die Gesundheit der Bevölkerung geschützt werden soll. Ähnlich wie in dem Beispiel mit der Pyrotechnik. da ging es auch vordergründig um die Gesundheit. Daher wohl eher aus meiner Sicht nur ein mittelbarer Eingriff, sodass man die
berufsregelnde Tendenzansprechen kann.
Niklas E.
23.6.2025, 18:01:29
Nun, nach der Sichtweise gäbe es ja de facto keinerlei Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit nach dem klassischen Eingriffsbegriff. Es dürfte ja praktisch nie vorkommen, dass ein Gesetz rein der Einschränkung der Berufsausübung wegen erlassen wird - vielmehr folgt aus den Voraussetzungen an die Rechtfertigung, dass jede Einschränkung einem Gemeingut (häufig Gesundheitsschutz) dienen soll. Die zitierten Stellen aus der Wissenschaft behandeln im Prinzip den gleichen Fall von Werbeverboten für Lebensmittel/Süßwaren. Das Gesetz hier bezweckt ja ausdrücklich Werbung, was anerkanntermaßen Teil der Berufsausübung von Unternehmern ist, zu verbieten, begründet durch den Schutz der Gesundheit. Viel "finaler" geht es ja im Prinzip nicht. Ähnliches gilt meiner Ansicht nach sogar auch für den vorherigen Fall des Pyroverkaufsverbots - auch hier wird ein essentieller Bestandteil der Berufsausübung, der Verkauf der hergestellten, Produkte unmittelbar und final eingeschränkt. Mittelbare Eingriffe sind nach meinem Verständnis ja wirklich Fälle, in denen die (nennenswerte) Betroffenheit der Träger der Berufsfreiheit eher Nebeneffekt einer nicht zielgerichteten Regelung ist. Wie seht ihr das, liebes Jurafuchs Team?
Becca_la
24.6.2025, 10:24:18
@[Jurafuchs](137809) könnt ihr uns erleuchten?