Unzulässiger Vorhalt einer Urkunde

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A wird wegen Untreue verurteilt. Laut Protokoll werden im Prozess 30 Leitz-Ordner voll mit Kontoauszügen „mit A erörtert und in Augenschein genommen”, nicht aber als Urkunden verlesen. A bestätigt den Inhalt der Urkunden. Später rüft er, sie seien nicht ordnungsgemäß eingeführt worden.

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Einordnung des Falls

Unzulässiger Vorhalt einer Urkunde

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Um den Inhalt der Bankauszüge im Urteil zu verwerten, genügte es, dass das Gericht sie ausweislich des Protokolls in Augenschein nahm (§ 86 StPO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Inaugenscheinnahme einer Urkunde beinhaltet nur dann eine zureichende Beweiserhebung, wenn es nicht auf ihren Inhalt, sondern auf ihr Vorhandensein oder ihren Zustand ankommt (§ 86 StPO). Um über den Inhalt einer Urkunde Beweis zu erheben, muss diese gemäß § 249 Abs. 1 StPO verlesen werden. Bei den Kontoauszügen handelt es sich um Urkunden im strafprozessualen Sinne (§ 249 Abs. 1 StPO), da sie einen verlesbaren Gedankeninhalt verkörpern, der geeignet ist, Beweis über Tatsachen zu erbringen. Die Urkunde wurde nicht nach § 249 StPO in den Prozess eingeführt. Die reine Inaugenscheinnahme konnte höchstens über die bloße Existenz der Unterlagen Beweis erbringen.
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2. Zumindest die Reaktion des A auf den Inhalt der Kontoauszüge kann im Urteil verwertet werden, wenn ihm die Bankauszüge ordnungsgemäß vorgehalten wurden.

Ja, in der Tat!

Urkunden können dem Angeklagten auch ohne förmliche Verlesung im Sinne des § 249 Abs. 1 StPO vorgehalten werden. Beweisgrundlage ist dann aber nicht der Vorhalt selbst, sondern die bestätigende Erklärung desjenigen, dem der Vorhalt gemacht wurde. Der Einführung einer Urkunde mittels Vorhalt sind deshalb Grenzen gesetzt. Insbesondere wenn es sich um längere oder sehr komplexe Ausführungen handelt, besteht die Gefahr, dass die Auskunftsperson den Sinn der schriftlichen Erklärung auf den bloßen inhaltlichen Vorhalt hin nicht richtig oder nur unvollständig erfasst oder sich an den genauen Wortlaut eines Schriftstücks nicht zuverlässig erinnern kann.

3. Wenn der Vorhalt der Urkunden unzulässig war, hätte das Gericht As Reaktion nicht im Urteil verwerten dürfen (§ 261 StPO). Hat das Gericht die Grenzen des Vorhalts eingehalten?

Nein!

Der Einführung einer Urkunde mittels Vorhalt sind Grenzen gesetzt. Insbesondere wenn es sich um längere oder sehr komplexe Ausführungen handelt, besteht die Gefahr, dass die Auskunftsperson den Sinn der schriftlichen Erklärung auf den bloßen inhaltlichen Vorhalt hin nicht richtig oder nur unvollständig erfasst oder sich an den genauen Wortlaut eines Schriftstücks nicht zuverlässig erinnern kann.Angesichts der hohen Anzahl der vom Gericht verwerteten Kontoauszüge und Einzelbuchungen ist auszuschließen, dass der A das entsprechende Zahlenwerk aus eigener Erinnerung heraus im Einzelnen bestätigen konnte. Damit war der Vorhalt unzulässig und die Reaktion des A auf den Vorhalt durfte im Urteil nicht verwertet werden (§ 261 StPO).

4. A kann erfolgreich in Revision gehen (§ 337 StPO).

Genau, so ist das!

Weder der Urkundeninhalt, noch die Reaktion des A auf die Kontoauszüge durfte zulässigerweise im Urteil verwertet werden. Es ist auch nicht auszuschließen, dass das Urteil ohne diese Kontoauszüge, die im Untreue-Prozess zentrale Beweismittel darstellten, anders ausgefallen wäre. A ist auch in seinen Rechten betroffen, also beschwert.
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