Öffentliches Recht

VwGO

Vorläufiger Rechtsschutz (§§ 80, 80a VwGO)

Vorheriges Aussetzungsverfahren bei Behörde nötig?

Vorheriges Aussetzungsverfahren bei Behörde nötig?

22. Februar 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Behörde B ordnet an, dass Restaurantbetreiberin G ihr Restaurant schließen muss und erklärt die Maßnahme für sofort vollziehbar. Ohne vorher mit der Behörde Kontakt aufzunehmen, wendet sich R an das Verwaltungsgericht.

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Einordnung des Falls

Vorheriges Aussetzungsverfahren bei Behörde nötig?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B begehrt vorläufigen Rechtsschutz. Ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO statthaft?

Nein!

Die statthafte Antragsart im einstweiligen Rechtsschutz richtet sich nach dem Begehren des Antragstellers (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO). Es kommt darauf an, welche Klageart in der Hauptsache einschlägig ist. §§ 80, 80a VwGO greift ein, wenn in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft ist. Der Bescheid der B ist ein Verwaltungsakt. Diesen Verwaltungsakt will G aufheben lassen, weswegen die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft ist. Der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz richtet sich somit nach § 80 VwGO. Hier hat die Behörde nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet. Gs Antrag ist damit auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtet (§ 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO).
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2. Das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers entfällt grundsätzlich, wenn eine einfachere (außergerichtliche) Möglichkeit besteht, sein Ziel zu erreichen.

Genau, so ist das!

Das Rechtsschutzbedürfnis besagt, dass die Inanspruchnahme der Gerichte nur zulässig ist, wenn der Kläger bzw. Antragsteller ein von der Rechtsordnung anerkanntes („rechtsschutzwürdiges”) Interesse an der gerichtlichen Klärung des Sachverhalts hat. Es kann insbesondere fehlen, wenn der Kläger bzw. Antragsteller nicht eine einfachere oder schnellere außergerichtliche Möglichkeit genutzt hat, um sein Ziel zu erreichen. G hätte, bevor sie das Verwaltungsgericht mit der Sache befasst, Kontakt mit der Behörde aufnehmen und eine Klärung des Problems herbeiführen können. Dies hat sie vorliegend unterlassen, was dafür sprechen könnte, dass ihr das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Das Rechtsschutzbedürfnis ist ein eigener Prüfungspunkt im Rahmen der Zulässigkeit. Weil es sich um ein „Korrektiv” handelt, solltest Du zuvor alle anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen geprüft haben.

3. § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO verlangt, dass der Antragsteller sich in bestimmten Fällen zuerst an die Behörde wenden muss, bevor er beim Gericht ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz stellen kann.

Ja, in der Tat!

§ 80 Abs. 6 S. 1 VwGO verlangt, dass der Antragsteller in den Fällen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO (Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten) ein Aussetzungsverfahren bei der Behörde anstrengt, bevor er sich an das Gericht wenden kann. Ansonsten ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (§ 80 Abs. 5 VwGO)unzulässig.

4. § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO verweist nur auf § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO. Spricht dies dafür, dass in den anderen Fällen von § 80 Abs. 2 VwGO ein vorheriger Antrag bei der Behörde nicht erforderlich ist?

Ja!

§ 80 Abs. 6 S. 1 VwGO verweist nur auf § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO. Aus einem Umkehrschluss lässt sich ableiten, dass ein vorheriger Antrag bei der Behörde in den restlichen Fällen des § 80 Abs. 2 VwGO nicht erforderlich ist. Diese Ausführungen sind ein echter Klausurklassiker. Du musst hier keine ausufernden Begründungen bringen, solltest aber zumindest in einem Satz erwähnen, dass § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO nicht einschlägig ist. So zeigst Du, dass Du das „Problem“ kennst und nicht einfach übersehen hast.

5. Die Zulässigkeit von Gs Antrag scheitert an dem fehlenden Antrag bei der Behörde nach § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO.

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 80 Abs. 6 S. 1 VwGO verlangt, dass der Antragsteller in den Fällen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO ein Aussetzungsverfahren bei der Behörde anstrengt, bevor er sich an das Gericht wendet. Ansonsten ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (§ 80 Abs. 5 VwGO)unzulässig. Die Behörde hat die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO angeordnet. Diesen Fall erfasst § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO nicht, sodass G nicht vorher bei der Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen musste. Mit Blick auf das Rechtsschutzbedürfnis zu fordern, dass G einen vorherigen Antrag bei der Behörde hätte stellen müssen, läuft dem klaren Wortlaut des § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO zuwider. Gs Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben. § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO stellt eine gesetzlich normierte Ausnahme von den Grundsätzen des Rechtsschutzbedürfnisses dar.
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