Öffentliches Recht

Grundrechte

Allgemeine Grundrechtslehren

Fall mit ausländischem Unternehmen, das 100% ausländischem Staat gehört (Vattenfall)

Fall mit ausländischem Unternehmen, das 100% ausländischem Staat gehört (Vattenfall)

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Atomkraftwerk AG (A) liegt zu 50 % in der Hand des französischen Staates. Der Rest der Anteile steht in privatem Eigentum. Klima-Aktivist K reicht beim BVerfG eine Verfassungsbeschwerde gegen die Atomkraft-Nutzung durch A ein und rügt die Verletzung seines Rechts auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG).

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Einordnung des Falls

Fall mit ausländischem Unternehmen, das 100% ausländischem Staat gehört (Vattenfall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Unternehmen, an denen der Staat 50% der Anteile oder weniger hält, sind nicht grundrechtsverpflichtet.

Ja, in der Tat!

Bedient sich der Staat zur Erledigung seiner Aufgaben einer juristischen Person des Privatrechts bzw. hält deren Anteile vollständig oder mehrheitlich (also mit über 50%), ist er grundrechtsverpflichtet und nicht grundrechtsberechtigt. Denn hier hat der Staat die Möglichkeit, entscheidenden Einfluss auf die juristische Person auszuüben und darf dabei seiner Grundrechtsverpflichtung nicht entgehen. Hält der Staat 50% der Anteile oder weniger gilt dieses Argument nicht mehr und es besteht keine Grundrechtsverpflichtung.
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2. A ist nicht grundrechtsverpflichtet, da der staatliche Anteil an der AG lediglich bei 50% liegt.

Ja!

Bedient sich der Staat zur Erledigung seiner Aufgaben einer juristischen Person des Privatrechts bzw. hält deren Anteile vollständig oder mehrheitlich (also mit über 50%), ist er grundrechtsverpflichtet und nicht grundrechtsberechtigt. Denn hier hat der Staat die Möglichkeit, entscheidenden Einfluss auf die juristische Person auszuüben darf dabei seiner Grundrechtsverpflichtung nicht entgehen. Hält der Staat 50% der Anteile oder weniger gilt dieses Argument nicht mehr und es besteht keine Grundrechtsverpflichtung. Der staatliche Anteil an der A liegt bei 50% und damit unter 51% der Gesamtanteile, sodass keine Grundrechtsverpflichtung besteht. K kann sich gegenüber der A also nicht auf seine Grundrechte berufen.

3. A ist unabhängig von der Höhe der staatlichen Beteiligung nicht grundrechtsverpflichtet, da nicht der deutsche Staat, sondern ein ausländischer Staat beteiligt ist.

Genau, so ist das!

Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich laut BVerfG grundsätzlich nicht auf die Grundrechte berufen, sie sind an diese gebunden (Konfusionsargument). Bedient sich der Staat zur Erledigung seiner Aufgaben einer juristischen Person des Privatrechts bzw. hält deren Anteile vollständig oder mehrheitlich (also mit über 50%), gilt das Gleiche. Handelt es sich um einen ausländischen Staat der die Anteile hält, ist das Konfusionsargument nicht anwendbar. Denn die Grundrechtsbindung nach Art. 1 Abs. 3 GG gilt nur für den deutschen Staat, nicht für Träger ausländischer Staatsgewalt, der in Deutschland keinerlei Machtbefugnisse inne hat. A ist damit unabhängig von der Höhe der staatlichen Beteiligung nicht grundrechtsverpflichtet. Denn bei der Beteiligung an der AG handelt es sich um eine ausländische Beteiligung Frankreichs. Für Träger ausländischer Staatsgewalt gilt das Konfusionsargument nicht. Zu den europarechtlichen Besonderheiten des falls findest Du weitere Infos in den Vertiefungshinweisen!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DAN

Daniel

1.4.2024, 16:16:28

Die Frage, ob das Unternehmen aufgrund des staatlichen Anteils von (nicht mehr als) 50% nicht grundrechtsverpflichtet ist, wäre meinem Verständnis nach richtigerweise zu verneinen. Da es sich um einen ausländischen Staat handelt, ist eine Grundrechtdverpflichtung nämlich unabhängig von der Höhe der Beteiligung ausgeschlossen, worauf die letzte Frage und Antwort dann richtigerweise auch hinweist.

Dogu

Dogu

3.4.2024, 12:07:11

Meines Erachtens liegen hier zwei kumulative Voraussetzungen (Mehrheitsbeherrschung und GG-Verpflichteter) vor. Daher ist es richtig, dass die erste Frage zu bejahen ist. Denn wäre der deutsche Staat zu 50% beteiligt, würde es ja gerade nur an diesem Merkmal scheitern. Es gibt ja auch eine Vielzahl von Gesellschaften, an denen es keinen Mehrheitsbeteiligten gibt. Da betrachte ich doch schon gar nicht mehr, wer im Einzelnen beteiligt ist.

Juraganter

Juraganter

20.7.2024, 12:58:32

Dem widerspräche ich wegen der Tatsache, dass hier häufiger derartige Fragen gestellt werden, bei denen man genau die Hintergründe bedenkt. Ich finde das sehr irritierend, dass es so inkonsistent gehandhabt wird. Entweder man richtet die Fragen stur nach dem Wortlaut, oder man erwartet, dass man sofort Zusammenhänge gedanklich abruft und darauf stützend die Entscheidung trifft.

M0NAC0

M0NAC0

27.10.2024, 12:53:49

Ich bin auch der Ansicht, dass die Frage nach den 50% zu verneinen ist, es kommt hier überhaupt nicht auf die Prozente an, die der französische Staat an dem Unternehmen hält, da auch bei 100% keine GR-Bindung vorläge. Die bejahende Antwort ist auch einfach falsch, weil diese mittelbar voraussetzt, dass der französische Staat in der Lage wäre bei höheren Prozenten Grundrechtsgebunden zu sein.

AME

Amelie7

27.10.2024, 14:49:21

Wie würde man dann bei einem Fall wie diesem vorgehen, bei dem der Eingriff von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts eines ausländischen Staates vorliegt?


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