Öffentliches Recht
Grundrechte
Allgemeine Grundrechtslehren
Mittelbare Drittwirkung von Grundrechte ("Bierdosenflashmob für die Freiheit")
Mittelbare Drittwirkung von Grundrechte ("Bierdosenflashmob für die Freiheit")
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A plant auf dem für den Publikumsverkehr geöffneten N-Platz einen 15-minütigen "Bierdosen-Flashmob für die Freiheit" gegen Alkoholverbote in der Öffentlichkeit. Teilnehmer sollen eine Bierdose trinken. Die private G-GmbH, Eigentümerin des N-Platzes, spricht ein Hausverbot gegen A aus.
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Einordnung des Falls
Mittelbare Drittwirkung von Grundrechte ("Bierdosenflashmob für die Freiheit")
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Bierdosen-Flashmob für die Freiheit ist eine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der G-GmbH steht ein Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) im Hinblick auf den N-Platz zu.
Ja, in der Tat!
3. A kann sich gegenüber dem Hausverbot der G-GmbH auf die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) berufen, weil die G-GmbH unmittelbar an Grundrechte gebunden ist.
Nein!
4. A's Versammlungsfreiheit ist angesichts des Hausverbots der privaten G-GmbH zu berücksichtigen, weil Grundrechte in den Rechtsbeziehungen zwischen Privaten mittelbare Wirkung entfalten.
Genau, so ist das!
5. Die Reichweite der mittelbaren Grundrechtsbindung Privater beschränkt sich auf das Mindestmaß der unmittelbaren Grundrechtsbindung, die den Staat in einer vergleichbaren Lage träfe.
Nein, das trifft nicht zu!
6. Die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) gewährt ein Recht darauf, über den Ort der Versammlung zu bestimmen.
Ja!
7. Das Recht darauf, den Ort der Versammlung zu bestimmen, verschafft ein Zutrittsrecht zu beliebigen Orten.
Nein, das ist nicht der Fall!
8. Das Recht darauf, den Ort der Versammlung zu bestimmen, erstreckt sich auf Orte, die zum allgemeinen kommunikativen Verkehr eröffnet sind.
Ja, in der Tat!
9. Zur Herstellung praktischer Konkordanz zwischen dem Eigentumsrecht der G-GmbH und der Versammlungsfreiheit des A muss vorliegend das Eigentumsrecht zurücktreten.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
🦊LEXDEROGANS
25.1.2021, 23:41:23
Was würde denn für eine un
mittelbare GrundrechtsbindungPrivater sprechen?
dC20
26.1.2021, 15:38:18
Mir fällt hierzu eigentlich nur Art. 9 III 2 GG ein. Dabei darf die Koalitionsfreiheit nicht durch Abreden von Privaten eingeschränkt werden.
Eigentum verpflichtet 🏔️
26.1.2021, 15:38:29
Hallo Lexderogans, das würde zu einer besseren Verwirklichung anderer Grundrechte als der Privatautonomie führen. Diese könnten dann nicht nur durch unbestimmte Rechtsbegriffe im Privatrechtsverkehr angewandt werden, sondern wären selbst Regeln die zwischen Privaten gelten würden. Das BAG hat diesen Ansatz (früher) vertreten: Vgl. NJW 1955, 684 (685-687) insbesondere im Hinblick auf die Tarifvertragsparteien. LG ;)
🦊LEXDEROGANS
26.1.2021, 16:08:26
@Eigentum verpflichtet, verstehe ich Sie richtig, dass ein Argument die (allg.) bessere Verwirklichung von Grundrechten ist?
🦊LEXDEROGANS
26.1.2021, 16:12:49
@dC20, m. E. erkennt auch die h. M. bei Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG eine unmittelbare Bindung Privater an.
dC20
26.1.2021, 16:24:06
Ich glaube nicht, dass das nur h. M. ist.😉 Möglicherweise habe ich auch deine Frage einfach falsch verstanden. 🤷🏼♀️
Eigentum verpflichtet 🏔️
26.1.2021, 16:35:11
Lexderogans, eine bessere Verwirklichung von Grundrechten, mit Ausnahme der Privatautonomie, zwischen Privaten. "Allgemein" würde ich nicht sagen, da sich aus der unmittelbaren Drittwirkung keine unmittelbaren Folgen für die Grundrechtsbindung des Staates ergeben (außer, dass das von den Zivilgerichten dann entsprechend zu entscheiden wäre).
Moritz Ehler
27.11.2021, 17:05:44
Die Entscheidung lief letztens in Hessen beim 1.Examen (Oktobertermin)
Lukas_Mengestu
29.11.2021, 09:42:54
Vielen Dank für den Hinweis, Moritz!
Moritz Ehler
29.11.2021, 09:45:28
Zwar in leicht abgewandelter Form (es ging glaub ich um einen Mega Park, der für vieles benutzt wurde und der öffentlich zugänglich war) aber die Grundsätze sind dennoch zu übertragen.
Patrick
22.9.2022, 12:25:45
Hier sollte noch aufgeklärt werden, über welchen unbestimmten und daher
auslegungsbedürftigen Rechtsbegriff des Privatrechts - hier - die Grundrechte Einzug in das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien finden. Ansonsten wird die Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbare Drittwirkung ausgehöhlt.
Nora Mommsen
23.9.2022, 10:57:20
Hallo Patrick, das Hausrecht beruht auf den §§ 858, 903,
1004 BGB. Maßgeblich ist vor allem §
1004 BGB, der dem Eigentümer einen Anspruch zur Abwehr von Beeinträchtigungen vermittelt. Der Anspruch ist jedoch nach § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur
Duldungverpflichtet ist. Ob eine
Duldungspflicht besteht, hängt in erster Linie davon ab, ob die Eigentumsbeeinträchtigung rechtmäßig ist. Das Merkmal der
Rechtmäßigkeitkann in Parallele zur Blinkfüer-Entscheidung als „Einbruchstelle“ für grundrechtliche Wertungen dienen. Im vorliegenden Fall stellt § 1004 Abs. 2 BGB damit das „Einfallstor“ für die mittelbare Drittwirkung der Grundrecht dar. Viele Grüße, Nora – für das Jurafuchs-Team
Dominic
17.8.2023, 14:32:35
Hallo Nora, meinst du hier wirklich den § 858 oder vielmehr den § 862 I 1 (in dessen Rahmen dann auch der § 858 relevant wird). Denn bei § 1004 geht es ja gerade nicht um Besitzbeeinträchtigungen, sodass § 858 dort eigentlich keine Rolle spielt oder?
Pilea
12.3.2023, 12:00:57
Könnte man hier eine kurze Lösungsskizze in die Lösung, zB als eigene Rubrik oder als Vertiefung mit reinnehmen? Um im Überblick zu sehen, wo die mittelbare Drittwirkung angesprochen wird, und wie die
Begründetheitaufgebaut ist.
Nora Mommsen
12.3.2023, 12:24:56
Hallo Pilea, danke dir für die Anregung, wir nehmen das mal mit auf. Zur Zeit können wir noch keine Zeichnungen oder ähnliches in Lösungen mitaufnehmen, vielleicht finden wir einen guten Weg deinen Vorschlag umzusetzen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Stella2244
6.3.2024, 17:06:08
Sie meint denke ich mit Lösungskizze keine Zeichnung sondern eine Lösung des Falls wie man ihn in der Klausur lösen würde. Beste Grüße