Zivilrechtliche Nebengebiete

Handelsrecht

Allgemeine Regeln für Handelsgeschäfte (§§ 343-372 HGB)

Folgeproblem: Kondiktionsfestigkeit bei gutgläubigem Erwerb (§ 366 Abs. 1 HGB)

Folgeproblem: Kondiktionsfestigkeit bei gutgläubigem Erwerb (§ 366 Abs. 1 HGB)

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V repariert und verkauft Autos. Das im Eigentum der E stehende Auto wurde von V repariert und steht abholbereit im Vorraum. K sucht bei V nach einem Auto ist sofort von Es Auto begeistert. V veräußert es im Namen der E an K. K denkt, V sei hierzu bevollmächtigt. E will ihr Auto zurück.

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Einordnung des Falls

Folgeproblem: Kondiktionsfestigkeit bei gutgläubigem Erwerb (§ 366 Abs. 1 HGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. E könnte gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Autos gem. § 985 BGB haben.

Ja, in der Tat!

Der Anspruch auf Herausgabe des Eigentums setzt Folgendes voraus: (1) Anspruchssteller ist Eigentümer. (2) Anspruchsgegner ist Besitzer und (3) hat kein Recht zum Besitz. ‌
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2. Der Herausgabeanspruch scheitert, wenn E ihr Eigentum an K verloren hat. Hat K Eigentum nach §§ 929 S. 1 BGB erworben?

Nein!

Eine Eigentumsübertragung nach § 929 S. 1 BGB setzt (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe und (4) Verfügungsbefugnis voraus.E hat selbst keine auf die Übertragung des Eigentums an K gerichtete Erklärung abgegeben. Auch hatte E der V keine Vertretungsmacht eingeräumt, sodass es schon an einer dinglichen Einigung fehlt. Ein Eigentumserwerb nach § 929 S. 1 BGB scheidet damit aus.

3. Ist K nach § 929 S. 1 BGB iVm 366 Abs. 1 HGB analog Eigentümer des Autos geworden?

Genau, so ist das!

Nach herrschender Meinung wird über § 366 Abs. 1 HGB analog auch der gute Glaube an die Vertretungsmacht geschützt. Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs sind: (1) Der Veräußerer ist Kaufmann. (2) Es wird eine bewegliche Sache (3) im Betrieb eines Handelsgewerbes veräußert. (4) Der Erwerber ist in gutem Glauben an die Vertretungsmacht des Kaufmanns. (5) Die Sache ist nicht abhandengekommen (§ 935 BGB). Guter Glaube liegt vor, wenn dem Erwerber nicht bekannt oder grob fahrlässig unbekannt ist, dass der Veräußerer keine Vertretungsmacht hat (§ 932 Abs. 2 BGB, § 366 Abs. 1 HGB analog). Für E erklärte V die Einigung. K ging bei der Einigung davon aus, dass V als Vertreterin berechtigt ist und war damit gutgläubig hinsichtlich der Vertretungsmacht der V. Das Auto wurde übergeben. E als Eigentümerin war auch verfügungsbefugt. Der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB scheitert somit aufgrund des Eigentumserwerbs des K.

4. Hat E an K geleistet i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB?

Ja, in der Tat!

Leistung ist die bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Ob eine Leistung vorliegt, ist im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) aus der Sicht eines objektiven Dritten (nach wohl h.M. aus der Sicht des Empfängers) zu beurteilen. Für den objektiven Dritten K erschien es, als würde V für E das Auto übereignen, mithin Ks Vermögen mehren. Eine Leistung des V kommt nicht in Betracht. V hat schließlich so getan, als würde er für E handeln und nicht in eigenem Namen.

5. Ist zwischen E und K ein Kaufvertrag zustande gekommen, der einen Rechtsgrund § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB darstellt?

Nein!

E hat selbst keine auf Abschluss eines Vertrags mit K gerichtete Willenserklärung abgegeben. Auch hat E V keine Vertretungsmacht (hierfür) erteilt. § 366 HGB findet lediglich auf das Verfügungsgeschäft Anwendung („veräußert oder verpfändet“), sodass das Verpflichtungsgeschäft unberührt blelibt. V handelte also als Vertreter ohne Vertretungsmacht (vgl. § 177 BGB). Die Wirksamkeit des Vertrags hängt also von der Genehmigung des E ab. Spätestens in dem Herausgabeverlangen des E an K ist allerdings eine konkludente Ablehnung der Genehmigung zu sehen. Es besteht also kein wirksamer Kaufvertrag zwischen E und K. Hier ist klar zwischen dem aufgrund § 366 Abs. 1 HGB wirksamen Verfügungsgeschäft und dem unwirksamen Verpflichtungsgeschäft zu unterscheiden. Stichwort: Abstraktions- und Trennungsprinzip!

6. Nach hM stellt § 366 Abs. 1 HGB selbst aber einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der gutgläubig erworbenen Sache dar.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach h.M. stellt § 366 Abs. 1 HGB gerade keinen Rechtsgrund dar, welcher den Erwerber vor einem Kondiktionsanspruch des früheren Eigentümers schütze. § 366 Abs. 1 HGB könne im Fall der fehlenden Vertretungsbefugnis in analoger Anwendung nur die fehlende Verfügungsbefugnis überwinden, nicht jedoch die Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts. Es besteht also kein Rechtsgrund für den Erwerb des Eigentums durch K. K hat das Auto an E herauszugeben. Eine andere Ansicht spricht sich dagegen dafür aus, dass § 366 Abs. 1 HGB zu einem kondiktionsfesten Eigentumserwerb führt und somit als Rechtsgrund herangezogen wird. Hierfür spreche, dass § 366 HGB sonst leer liefe.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

w.laura.l

w.laura.l

2.2.2024, 09:22:32

In der Aufgabe wird gefragt, ob §

366 HGB

analog Anwendung findet. Könnt ihr nochmal kurz erklären, weshalb nicht direkt?

Paul

Paul

2.2.2024, 10:21:29

Hi Laura, in direkter Anwendung schützt der §

366 HGB

nach seinem Wortlaut ergänzend zu den §§

932

ff BGB den guten Glauben in die

Verfügungsbefugnis

. In der Aufgabe geht es aber um den guten Glauben in die Vertretungsmacht. Diese wird zwar nach dem Wortlaut nicht erfasst, jedoch von der hM dann analog angewendet. Ich hoffe ich konnte dir weiterhelfen.

Johannes Nebe

Johannes Nebe

23.4.2024, 21:04:44

Für die Frage, ob E an K geleistet hat, würde es nicht schaden, ein wenig mehr darauf einzugehen, dass es auf die Sicht des Empfängers der Zuwendung bei objektiver Betrachtung ankommt (wohl laut BGH). Die Vertiefung hingegen ist entbehrlich, da sie im Grunde nur die Umkehrung der Subsumtion ist.

LELEE

Leo Lee

24.4.2024, 14:14:42

Hallo Johannes Nebe, vielen Dank für den wichtigen Hinweis! In der Tat hast du Recht, dass die wohl h.M. die Leistung aus Sicht nicht nur des Dritten, sondern vielmehr aus Sicht des Empfängers bewertet. Wir haben diesen Punkt nun als Klammer ergänzt. Hinsichtlich der Subsumtion geben wir dir insofern Recht, als die Subsumtion insoweit „banal“ ist, als der Maßstab nochmal „festgestellt“ wird. Dies ist teilweise unserem didaktischen Konzept geschuldet, dass wir darauf bestehen, bei nahezu allen Aufgaben den Gutachtenstil so „schulisch“ wie möglich einzuhalten. In der Klausur würde man im verkürzten Gutachtenstil den Maßstab (also Definition) und Subsumtion zusammenfassen. Da Jurafuchs jedoch auch und allen voran auf Studienanfänger ausgerichtet ist, haben wir uns dafür entschieden, bei den allermeisten Fällen – trotz der „Banalität“ – den Gutachtenstil und insb. die Subsumtion „durchzuziehen“, wenngleich dies wiederholend sein mag und würden dich insofern um Nachsicht bitten :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Elias Kaiser

Elias Kaiser

21.6.2024, 12:36:34

Hallo zusammen, ich hätte eine kurze Frage zur Übergabe im Fall des gutgläubigen Erwerbs nach §929 S.1 BGB iVm §366 I HGB analog. Übergabe bedeutet, dass der Erwerber auf Veranlassung des Veräußerers wenigstens den mittelbaren Besitz erlangt, wobei der Veräußerer jeden Besitzrest verliert. Die Übergabe erfolgte aber grundsätzlich gerade nicht auf Veranlassung des Veräußerers (im Falle der Stellvertretung der Eigentümer), da dieser von der Weiterveräußerung durch einen Stellvertreter ohne Vertretungsmacht in seinem Namen keine Kenntnis hatte. Der Stellvertreter ist dadurch doch grundsätzlich auch keine

Geheißperson

auf Veräußererseite, da dieser mangels Kenntnis des Eigentümers auch nicht auf Geheiß tätig wird. Wie erfolgt dann in einem solchen Fall die Übergabe? Wird dann der vermeintliche Stellvertreter als "Schein

geheißperson

" tätig? Vielen Dank im Voraus:)

0815jurafuchs

0815jurafuchs

3.7.2024, 09:23:22

Hallo Elias Kaiser, der Erwerb des Eigentums von einem Kaufmann bei fehlender Berechtigung des Kaufmanns ergibt sich im Rahmen des

366 HGB

über eine analoge Anwendung von

932

II BGB. Der Unterschied besteht nur darin, dass in diesem Fall die Gutgläubigkeit des Erwerbers, die sich bei

932

II BGB auf das Eigentum des Veräußerers bezieht, sich bei dem Kaufmann als Veräußerer auf die

Verfügungsbefugnis

beziehen muss. Mit anderen Worten: glaubt der Erwerber, dass der Kaufmann zur Veräußerung befugt ist, kann der Erwerber das Eigentum an der Sache gutgläubig erwerben. Voraussetzung ist dann u.a. nur die Übergabe durch den Veräußerer/Kaufmann. Das Problem des

Scheingeheißerwerb

s stellt sich in diesem Zusammenhang nicht. Dieser ist zwar auch ein beliebtes Klausproblem, spielt aber dann eine Rolle wenn Erwerber und Veräußerer sich über den Eigentumsübergang einer Sache geeinigt haben. Diese Sache wird später durch einen Dritten geliefert wird wobei dieser 3. dann aber nicht auf Geiheiß des Veräußerers tätig wird, sondern ein eigenes Rechtsgeschäft mit dem Erwerber abwickeln wollte.

0815jurafuchs

0815jurafuchs

30.9.2024, 20:51:22

Stellt hier nicht der gutgläubige Erwerb des K einen Rechtsgrund iSv § 812 I BGB dar, so dass ein

Herausgabeanspruch

der E nur über § 816 I BGB besteht?

RYD

Ryd

17.11.2024, 23:23:30

S. o.


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