Ende des Bebauungszusammenhangs: Grundfall

12. Februar 2025

8 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Matilda (M) möchte auf ihrem Grundstück in der kleinen ländlichen Gemeinde G (10.000 Einwohner) ein Wohnhaus errichten. Ein Bebauungsplan besteht nicht. Die nähere Umgebung stellt einen Ortsteil i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB dar. Zwischen Ms Grundstück und dem zuletzt mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück liegt eine unbebaute Parzelle. ‌

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Einordnung des Falls

Ende des Bebauungszusammenhangs: Grundfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ms Grundstück muss sich in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB befinden. Setzt dies voraus, dass sich ihr Grundstück innerhalb eines Bebauungszusammenhangs befindet?

Genau, so ist das!

§ 34 Abs. 1 BauGB erfordert, dass sich das betreffende Grundstück in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil befindet. Der im Zusammenhang bebaute Ortsteil setzt sich aus den beiden Merkmalen Ortsteil und Bebauungszusammenhang zusammen, die kumulativ gegeben sein müssen. Ein Bebauungszusammenhang ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz eventuell vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Gefordert wird eine tatsächlich aufeinanderfolgende, eben zusammenhängende Bebauung. - Dabei muss es sich um bauliche Anlagen handeln, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie ein Gebiet prägen können („maßstabsbildende Kraft“). Für den Bebauungszusammenhang sind nur diejenigen baulichen Anlagen zu berücksichtigen, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. - Von einem Bebauungszusammenhang kann solange gesprochen werden, wie die aufeinanderfolgende Bebauung nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Zusammengehörigkeit bzw. Geschlossenheit vermittelt. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Damit sich Ms Grundstück innerhalb eines Im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB befindet, muss es sich innerhalb eines Bebauungszusammenhangs befinden. Ms Grundstück muss sich dafür als Teil einer zusammenhängenden Bebauung darstellen, die den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt.
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2. M befürchtet, dass der Bebauungszusammenhang für unbebaute Grundstücke unmittelbar am vorletzten Baukörper endet. Ist ihre Befürchtung zutreffend?

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Bebauungszusammenhang ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz eventuell vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Gefordert wird eine tatsächlich aufeinanderfolgende, eben zusammenhängende Bebauung. Regelmäßig endet der Bebauungszusammenhang unmittelbar am letzten Baukörper. Liegt ein Grundstück am Ortsrand, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass es keinen Teil des Bebauungszusammenhangs mehr darstellt. Im Gegensatz zu einem unbebauten Grundstück, ist ein an den Bebauungszusammenhang unmittelbar angrenzendes bebautes Grundstück regelmäßig Teil des Bebauungszusammenhangs.

3. Kommt es für die Lage in einem Bebauungszusammenhang i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB auf die Grundstücksgrenzen an?

Nein!

Es ist für die Lage in einem Bebauungszusammenhang nicht maßgeblich auf die ausschließlich formellen Grundstücksgrenzen abzustellen. Die Bebaubarkeit eines Grundstücks i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB wird durch die Teilung eines Grundstücks weder begründet noch beeinträchtigt. Demnach kann z.B. auch nur ein Teil des Grundstücks in den Bebauungszusammenhang einbezogen sein. Liegt das maßgebliche Grundstück am Ortsrand, so endet der Bebauungszusammenhang unabhängig vom Verlauf von Grundstücksgrenzen grundsätzlich am letzten mit den übrigen Häusern in Bebauungszusammenhang stehenden Baukörper.

4. Befindet sich Ms Grundstück innerhalb eines Bebauungszusammenhangs i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Bebauungszusammenhang ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz eventuell vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Befindet sich das maßgebliche Grundstück am Ortsrand, so endet der Bebauungszusammenhang unabhängig vom Verlauf von Grundstücksgrenzen grundsätzlich am letzten mit den übrigen Häusern in Bebauungszusammenhang stehenden Baukörper. Grenzt dieses Grundstück auf der einen Seite an den Bebauungszusammenhang und auf der anderen Seite an die freie - unbebaute - Landschaft, so ist es regelmäßig nicht mehr Teil des Bebauungszusammenhangs, sondern vielmehr dem Außenbereich zuzurechnen. Allerdings kann die Zurechnung zum Bebauungszusammenhang dann angenommen werden, wenn das Grundstück durch eine sog. topografische Zäsur dem Bebauungszusammenhang zuzurechnen wäre. Von einer sog. topografischen Zäsur kann dann ausgegangen werden, wenn sich an das Grundstück eine natürliche oder sonstige Grenze des Bebauungszusammenhangs anschließt, so dass ein Hineinwachsen des Bebauungszusammenhangs in den Außenbereich ausgeschlossen ist. Beispiele hierfür sind ein Gewässer, ein Geländeeinschnitt oder eine Straße. Ms unbebautes Grundstück befindet sich am Ortsrand und grenzt an die freie Landschaft an. Das Grundstück wäre somit lediglich dann nicht dem Außenbereich zuzuordnen, wenn eine sog. topografische Zäsur bestünde. An das Grundstück schließen sich weder Gewässer, Straßen oder Geländeeinschnitte an. Somit besteht keine - den Bebauungszusammenhang ausdehnende - natürliche oder sonstige Grenze. Mithin liegt keine sog. topografische Zäsur vor. Damit ist das Grundstück dem Außenbereich zuzuordnen und es besteht kein Bebauungszusammenhang i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB. Auf die Frage, ob es sich bei dem Bebauungskomplex der Gemeinde G überhaupt um einen Ortsteil gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB handelt, kommt es folglich gar nicht mehr an.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Irina95

Irina95

30.11.2023, 18:19:55

Bei der letzten Frage ob sich M‘s Grundstück innerhalb eines

Bebauungszusammenhang

s befindet, ist die Antwort „nein“ und bei der Subsumtion steht dann ,,M‘s Grundstück befindet sich am Ortsrand und grenzt an die freie Landschaft an…“ Ich kann das dem Sachverhalt nicht entnehmen, vielleicht überseh ich da ja was. Ich frag mich die ganze Zeit ob man das aus den Sätzen ,, … Die nähere Umgebung stellt einen Ortsteil i.S.d § 34 Abs. 1 S.1 BauGB dar. Zwischen Ms Grundstück und dem zuletzt mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück liegt eine unbebaute Pazelle“ iwie herauslesen könnte🤔

Nora Mommsen

Nora Mommsen

30.11.2023, 18:34:27

Hallo Irina95, danke für deine Frage. An dieser Stelle wiederhole ich den Rat, den ich im Repetitorium bekommen habe: Bei Baurechtsfällen immer eine kurze Skizze anfertigen. Dann bekommt man eine bessere Vorstellung vom Fall. Aus dem Sachverhalt geht hervor, dass M in einer kleinen ländlichen Gemeinde wohnt und das nächst bebaute Haus erst nach einer unbebauten Parzelle kommt. Auf der anderen Seite grenzt es an das freie Feld. Dies entspricht den Informationen aus dem Sachverhalt. Wenn ich weiß in die eine Richtung ist ein Haus und in die andere Richtung Feld in einem ländlichen Bereich, muss es sich um den Ortsrand handeln. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Irina95

Irina95

30.11.2023, 18:39:13

Vielen Dank für die unheimlich schnelle Antwort👍🏻 ich steh leider immer noch auf dem Schlauch, so wie du es schilderst ergibt es definitiv Sinn. Allerdings steht nirgendwo im Sachverhalt (jedenfalls nicht in meinem) dass das Haus an ein freies Feld grenzt 🤔 Wo ist mein Fehler 🙈

BL

Blotgrim

12.1.2024, 09:08:20

Naja im Sachverhalt steht ja das ihr Haus auf der einen Seite (sagen wir links) mit einer leeren Parzelle dazwischen an das letzte Wohnhaus grenzt, daraus kann man meiner Meinung nach schließen, dass sich auf der anderen Seite (rechts) keine

Gebäude

mehr sind. Sonst wäre das andere

Gebäude

ja nicht das letzte. Ich hoffe das ist verständlich formuliert 😅

BL

Blotgrim

13.1.2024, 16:34:03

In einer Antwort sagt ihr ein unbebautes Grundstück am Ortsrand gehört idR nicht zum

Bebauungszusammenhang

, ein bebautes aber schon. Aber wie soll das funktionieren? Ich bekomme es ja nie bebaut, da es solange es unbebaut ja nicht zum

Bebauungszusammenhang

gehört. Habe ich da irgendwo nen Denkfehler?😅

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

4.1.2025, 15:13:28

Hallo @[Blotgrim](167544), es gibt einige ganz verschiedene Möglichkeiten, warum und wie das Grundstück dennoch bebaut werden kann. Nachfolgend nur einige Beispiele: Zunächst sorgt der Abriss eines früher auf dem Grundstück genehmigten Hauses nicht automatisch dafür, dass das Grundstück wieder aus dem

Bebauungszusammenhang

herausfällt. Dementsprechend kann dort nach einer unbebauten Phase also zukünftig ggf iRv § 34 I 1 BauGB erneut ein Haus errichtet werden (dazu Schrödter/Rieger, BauGB, 9. Aufl 2019, § 34 Rn 20 mwN). Eine nicht genehmigte Bebauung kann von den Behörden einfach in der Weise geduldet werden, dass es den Anschein erweckt, die Behörden hätten sich mit der Bebauung abgefunden. Auch dann wird man das so bebaute Grundstück ggf als Teil

Bebauungszusammenhang

s sehen können (Schrödter/Rieger, BauGB, 9. Aufl 2019, § 34 Rn 13 mwN). Zuletzt bekommen wir ein Grundstück am Ortsrand vllt nicht nach § 34 I 1 BauGB ohne Weiteres bebaut. Das heißt aber nicht, dass es in der Praxis (zu unserem Fall gleich) nicht aus anderen Gründen bebaut werden kann. Denkbar ist zB, dass ein

qualifizierter Bebauungsplan

besteht, der gerade noch das am Ortsrand gelegene Grundstück mit einschließt. Dann kann dieses Grundstück natürlich nach den Festsetzungen des Bebauungsplans bebaut werden, auch wenn es rein nach den Vorgaben des § 34 I 1 BauGB vllt nicht mehr "innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils" liegt. Nun gibt es einen solchen Bebauungsplan nach unserer Aufgabe gerade nicht. Woher die schon vorhandene Bebauung kommt, wissen wir nicht und spielt für unsere Aufgabe nicht wirklich eine Rolle. Eventuell gab es zB früher einmal einen Bebauungsplan für das Gebiet und jetzt nicht mehr. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

MAG

Magnum

30.10.2024, 15:34:13

Zwischen dem letzten

Gebäude

des

Bebauungszusammenhang

s und dem fraglichen Grundstück liegt ja eine freie Parzelle. Aber selbst wenn unser Grundstück an Stelle dieser Parzelle läge, wäre es ja außerhalb des Bebauunsgzusammenhangs, da es nur mit einer Seite daran grenzt, oder?

LELEE

Leo Lee

3.11.2024, 03:42:55

Hallo Magnum, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Richtig: Wenn Ms Grundstück nicht die gestrichelte Fläche, sondern die unbebaute Parzelle sein würde, würde - entsprechend der Vertiefung der zweiten Frage - aufgrund der Unbebautheit ebenfalls der

Bebauungszusammenhang

scheitern :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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