Öffentliches Recht

Grundrechte

Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)

Keine Beschränkung des Schutzbereichs auf strafrechtlich nicht verbotenes Verhalten - Cannabis-Urteil

Keine Beschränkung des Schutzbereichs auf strafrechtlich nicht verbotenes Verhalten - Cannabis-Urteil

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der in Berlin lebende Student S trifft sich gelegentlich am Abend mit seinem besten Freund zum gemeinsamen Konsum von Cannabis. S meint, das strafbewehrte Verbot von Cannabisprodukten beeinträchtige ihn in seinen Grundrechten.

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Einordnung des Falls

Keine Beschränkung des Schutzbereichs auf strafrechtlich nicht verbotenes Verhalten - Cannabis-Urteil

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG umfasst jedes beliebige menschliche Tun und Lassen. Ist strafbares Verhalten des S auch von Art. 2 Abs. 1 GG geschützt?

Ja!

Der Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit ist aufgrund ihrer Funktion als Auffanggrundrecht und umfassende Freiheitsgarantie im weitesten Sinne und thematisch universal auszulegen. Somit sind auch potenziell gesundheits- und sozialschädliche Handlungen Ausdruck der allgemeinen Handlungsfreiheit. Der Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG umfasst damit auch strafbares Verhalten. Jedes beliebige Tun und Lassen erfasst alle Handlungen des S. Damit werden auch Handlungen des S, die gesundheits- und sozialschädlich und daher strafbar sind, durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Vereinzelte Ansichten wollen solche Handlungen bereits aus dem Schutzbereich des Grundrechts ausschließen. Dies lässt sich nur schwer mit Wortlaut und Telos der allgemeinen Handlungsfreiheit als eines Auffanggrundrechts vereinbaren, das sämtliche Räume der menschlichen Betätigung schützt, die nicht unter den Schutzbereich eines spezielleren Grundrechts fallen.
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2. Diese weite Auslegung des Schutzbereichs der allgemeinen Handlungsfreiheit muss bei strafbarem Verhalten eingeschränkt werden, um eine Einbeziehung von Straftaten, wie Diebstahl und Mord, zu verhindern.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach der Leitentscheidung des BVerfG in der Causa Reiten im Walde existiert unter dem Grundgesetz kein Lebensbereich, der nicht vom grundrechtlichen Schutz erfasst wäre. Der allgemeinen Handlungsfreiheit kommt als Auffanggrundrecht die Funktion eines freiheitssichernden Grundrechtes dar. Jede Einschränkung des Schutzbereichs würde daher zu Lücken im Freiheitsraum der Bürger führen. Daher wird selbst bei strafbarem Verhalten der Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit nicht eingeschränkt. Dass der Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit ebenfalls strafbares Verhalten umfasst bedeutet nicht, dass dieses auch zulässig ist. Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit sind unter relativ geringen Voraussetzungen möglich. Dies ist aber eine Frage der Rechtfertigung. Dazu später mehr.

3. Ist S durch das strafbewehrte Verbot des Besitzes und Konsums von Cannabisprodukten in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG betroffen?

Ja, in der Tat!

Als Auffanggrundrecht schützt die allgemeine Handlungsfreiheit jedes beliebige menschliche Tun und Lassen. Cannabis zu besitzen und zu konsumieren stellt ein menschliches Tun von S dar. Es fällt somit – auch als strafbares Verhalten – in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG. S ist damit in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit betroffen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DDoubleYou

DDoubleYou

14.5.2024, 14:32:27

Liebes Jurafuchs-Team, mittlerweile ist der Konsum von Cannabis erlaubt (vgl. CanG), weshalb vielleicht ein Hinweis aufgenommen werden sollte. Viele Grüße

LAWF

lawfox99

15.5.2024, 22:44:35

*Der Besitz ;) der Konsum war schon vorher nicht strafbar


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