Öffentliches Recht

Grundrechte

Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)

Subsidiarität der allgemeinen Handlungsfreiheit gegenüber speziellen Freiheitsrechten (Grundfall)

Subsidiarität der allgemeinen Handlungsfreiheit gegenüber speziellen Freiheitsrechten (Grundfall)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Demonstrant D erhält auf einer Großdemonstration auf dem Rathausmarkt von der Polizei einen Platzverweis. D ist empört: Es könne doch nicht angehen, dass ihm verboten werde, auf einem öffentlichen Platz „rumzustehen“. D ist Deutscher.

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Einordnung des Falls

Subsidiarität der allgemeinen Handlungsfreiheit gegenüber speziellen Freiheitsrechten (Grundfall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG vermittelt D das - einschränkbare - Recht, überall „rumstehen“, wo er will.

Ja!

Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die allgemeine Handlungsfreiheit. Der Schutzbereich ist im weitesten Sinne auszulegen. Er umfasst jedes beliebige menschliche Tun und Lassen. Mit „Rumstehen“ meint D das Verweilen an einem öffentlichen Ort. Dieses stellt ein menschliches Tun dar. Es fällt somit in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit. Grundsätzlich ist dem D beliebiges Rumstehen auf dem Rathausmarkt damit nach Art. 2 Abs. 1 GG erlaubt.
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2. Das Verweilen des D auf der Großdemonstration ist durch die Versammlungsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 1 GG geschützt.

Genau, so ist das!

Das Verweilen an einem Ort ist von Art. 8 Abs. 1 GG geschützt, wenn es im Rahmen einer Versammlung stattfindet. Nach dem engen Versammlungsbegriff ist eine Versammlung (1) eine örtliche Zusammenkunft (2) mehrerer Personen (3) zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Kundgebung. Eine Demonstration stellt eine auf Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtete Kundgebung dar. Sie findet sich örtlich auf dem Rathausmarkt und als Großdemo mit mehreren Personen zusammen. Sie stellt somit eine Versammlung i.S.d. Art. 8 Abs. 1 GG dar. Auf dieser will D verweilen. Dieses Verhalten ist somit durch Art. 8 Abs. 1 GG geschützt. Eine Großdemonstration stellt - nach allen Versammlungsbegriffen - den Paradefall einer Versammlung i.S.d. Art. 8 Abs. 1 GG dar. In einem so einfachen Fall solltest Du die Ausführungen zum Versammlungsbegriff knapp halten.

3. Ist das Verhalten eines Grundrechtsträgers sowohl von der allgemeinen Handlungsfreiheit als auch von einem anderen Grundrecht geschützt, bemisst sich der Schutz immer nach der allgemeinen Handlungsfreiheit.

Nein, das trifft nicht zu!

Aufgrund der weiten Auslegung des Schutzbereichs der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG erfasst dieser auch Verhaltensweisen, welche bereits durch andere Grundrechte erfasst sind. Damit deren spezielle verfassungsrechtliche Schranken und deren höheres grundrechtliches Schutzniveau nicht ausgehebelt werden, ist die allgemeine Handlungsfreiheit in diesen Fällen der Grundrechtskonkurrenz nur subsidiär anzuwenden. Der Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit ist demnach nur eröffnet, wenn die betroffene Handlungsweise nicht zugleich auch vom Schutzbereich eines anderen Grundrechts erfasst wird. Vorliegend ist bereits der Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG betroffen. Der Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit ist wegen der Subsidiarität des Grundrechts vorliegend somit nicht eröffnet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DAN

Daniel

30.1.2022, 11:57:23

Wie ist hier das Verhältnis zwischen der Versammlungsfreiheit und der Freizügigkeit?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

31.1.2022, 15:08:43

Hallo Daniel, da der Schutzbereich der Freizügigkeit vor allem den freien Aufenthalt und Wohnsitz umfasst, nicht aber das kurzzeitige Aufhalten an einem bestimmten Ort, ist bereits der Schutzbereich nicht eröffnet. Eine Abgrenzung zur Versammlungsfreiheit ist damit nicht erforderlich. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

AK

Anna Komaroff

4.7.2022, 15:06:25

Mal angenommen D wäre nicht Teilnehmer der Demo. Wäre er dann trotzdem von Art. 8 geschützt, weil er zufällig dort rumsteht, wo eine Demo stattfindet?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.7.2022, 19:00:08

Hallo Anna, herzlich willkommen im Jurafuchs-Forum. Um sich auf den Schutz eines Grundrechts berufen zu können, muss der Schutzbereich eröffnet sein. In den Genuss der Versammlungsfreiheit kommen aber nur Teilnehmer der Versammlung, nicht dagegen bloße Passanten, die zufällig zur gleichen Zeit an dem Ort sind. In der Praxis ist das dann eher eine Tatsachenfrage, denn die Anforderungen an eine Teilnahme sind sehr gering. Eines Schildes oder anderer, nach außen hin sichtbarer Zeichen bedarf es nicht. Insofern ist der Übergang vom Passanten zum Teilnehmer sehr einfach. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

AN

An

19.10.2023, 13:23:52

Lieber Lukas, danke, dass du das nochmals klarstellst. Mir war bei der Frage nicht klar, dass auf der Demo verweilen eine Teilnahme meint. Gerade bei Großdemonstrationen gibt es ja auch häufig interessante Zuschauer. Eine deutlichere Formulierung hätte mir hier geholfen. Gleiches gilt für die erste Frage, ein rumstehen auf fremdem privatem Grund wird von der allgemeinen Handlungsfreiheit mMn nicht gedeckt.

QUIG

QuiGonTim

26.10.2022, 10:45:11

Dieser Fall würde sich auch eignen, um die Freizügigkit sowie die Freiheit der Person kurz anzuprüfen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.10.2022, 18:28:25

Hallo QuiGonTim, das kommt in der Tat auch noch an anderer Stelle (vgl. https://applink.jurafuchs.de/b1vBLfOCrub). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

KI

kimb

15.7.2023, 13:06:25

Mir fehlt hier tatsächlich der Hinweis, dass D auch Deutscher ist, andernfalls wäre der persönliche Schutzbereich der die Versammlungsfreiheit ja nicht eröffnet.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.7.2023, 15:29:40

Hallo kimb, danke für die Rückmeldung. Wir haben die Info dem Sachverhalt ergänzt. Für eine Klausur sei der Hinweis erlaubt, dass - sofern nichts gegenteiliges angegeben ist (!), in einer Grundrechteklausur davon ausgegangen werden kann, dass die Person Deutsche ist, gerade wenn das zu prüfende Grundrecht ein Deutschengrundrecht ist. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Pilea

Pilea

12.10.2023, 07:56:25

Mal eine Frage zum Aushebeln: ist die "Sorge", dass mehr Grundrechte als nötig verletzt sind? Im Gutachten prüft man die ja nebeneinander. Oder geht es darum, dass speziellere Grundrechte leichter einschränkbar sind, und dann nicht verletzt wären, die AHF aber schon? Irgendwie hab ich da grade einen Knoten, weil ja grade die AHF leicht einzuschränken sein soll.


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